InterviewJochen Cassel

„Wir verbrennen kein Geld und sind gut finanziert“

Enpal hat die Gewinnzone erreicht. Das Unternehmen finanziert sein Wachstum über stark fremdverschuldete Special Purpose Vehikels, in die Enpal "einen kleinen Anteil an eigenem Geld" reinsteckt. Finanzvorstand Jochen Cassel prüft überdies Lösungen, "um unsere Kapitalbindung in den SPVs zu reduzieren".

„Wir verbrennen kein Geld und sind gut finanziert“

IM INTERVIEW: JOCHEN CASSEL

„Wir verbrennen kein Geld und sind gut finanziert“

Der Finanzvorstand des Solar-Start-ups Enpal über vierfaches Wachstum, Schulden in Special Vehicles und Expansionspläne in Europa

Enpal hat die Gewinnzone erreicht. Das Unternehmen finanziert sein Wachstum über stark fremdverschuldete Special Purpose Vehicles, in die Enpal „einen kleinen Anteil an eigenem Geld“ reinsteckt. Finanzvorstand Jochen Cassel prüft überdies Lösungen, „um unsere Kapitalbindung in den SPVs zu reduzieren“.

Herr Cassel, die Nachfrage nach Ihren Greentech-Lösungen ist im vergangenen Jahr durch die Decke gegangen, der Umsatz hat sich fast vervierfacht, und auch die Profitabilität hat sich mit 23 Mill. Euro an operativem Ebitda deutlich verbessert. Was war der wichtigste Ergebnistreiber?

Das Wachstum hat uns im Ergebnis geholfen, denn mehr Anlagen bedeuten auch mehr Gewinn. Der steigende Umsatz hilft uns aber auch, bei der Marge besser zu werden, weil die Overhead-Ausgaben mit jeder weiteren gebauten Anlage prozentual sinken. Insofern konnten wir hier die Skaleneffekte für uns nutzen. Darüber hinaus können wir mit steigendem Einkaufsvolumen auch bessere Einkaufspreise durchsetzen.

Welche Ziele haben Sie sich für das laufende Jahr gesetzt?

Wir wollen auch in diesem Jahr stark wachsen und dabei weiter nachhaltig profitabel wirtschaften. Darüber hinaus investieren wir in Tech, um unseren Kunden auch in Zukunft das beste Produkt anbieten zu können. 

Enpal gehört zu den wenigen Start-ups, die im gegenwärtigen Umfeld offenbar keine Schwierigkeiten haben, Geld aufzunehmen, und zwar Fremdkapital. Wie weit kommen Sie mit den zuletzt aufgenommenen 400 Mill. Euro?

Unser operatives Geschäft ist profitabel, wir verbrennen kein Geld und sind daher gut finanziert. Dennoch gehören Asset-Backed-Finanzierungen (wie die zuletzt aufgenommenen 400 Mill. Euro) zu unserem Geschäftsmodell: Wir refinanzieren die von unseren Kunden gemieteten Anlagen zu einem sehr großen Teil über Fremdkapital. Für die Vorfinanzierung der Anlagen, also Fotovoltaik, Speicher, Ladesäulen und Wärmepumpen, müssen wir auch perspektivisch immer weiter Geld aufnehmen. Wenn wir weiterhin so stark wachsen wie bisher, schließe ich aber auch eine weitere Eigenkapitalrunde nicht aus – mit steigenden Umsätzen und Vorratsbeständen kann eine breitere Kapitalbasis sinnvoll sein. 

Wird dann ein IPO ein Thema?

Wir treiben zusammen mit unseren Investoren das Geschäftsmodell voran und haben da überhaupt keinen Druck, in Richtung IPO zu gehen. Im Moment fühlen wir uns in diesem privaten Set-up wohl. Wir sind eine sehr unternehmerisch agierende Company und gehen immer wieder neue Wege, beispielsweise entwickeln wir jetzt das Geschäft mit den Wärmepumpen. Darüber hinaus ergeben sich diverse andere Spielfelder, wo wir beispielsweise sehr stark in Technologie investieren. Ich glaube, da ist es im Moment für uns sogar eher förderlich, dass wir nicht börsennotiert sind. Und in unserer letzten Eigenkapitalrunde haben wir TPG als Investor gewinnen können, eine sehr renommierte US-Private Equity-Gesellschaft – wir sind also noch in der Lage, uns abseits der Börse zu finanzieren.

Wie war denn da die Bewertung?

Für uns sind Bewertungen kein relevanter Maßstab, auch nicht für unsere Investoren. Gerade die letzten 24 Monate haben gezeigt, wie gefährlich die Kennziffer „Bewertung“ in der öffentlichen Kommunikation sein kann.

Wie hoch ist denn aktuell der Verschuldungsgrad von Enpal?

Den Verschuldungsgrad schauen wir uns ständig an. Dass wir Fremdkapital aufnehmen, ist aber Teil der Wertschöpfungskette und daher auch eingeplant. Unser Geschäftsmodell funktioniert so, dass wir Kunden online akquirieren, die Komponenten beschaffen und mit mehrheitlich eigenen Installationsteams auf die Dächer bringen. Sobald die Anlage installiert und angeschlossen ist, verkaufen wir sie in Special Purpose Vehicles (SPV), die stark fremdfinanziert sind. Wir geben dort nur einen kleinen Anteil an eigenem Geld rein. Das Gros wird über Banken finanziert. Der Kunde schließt einen Vertrag mit diesem SPV und zahlt dort seine Mieten ein. Aus diesen Mieten wird dann alles finanziert, wie der Service und die Wartung über die Laufzeit, aber insbesondere auch die Fremdfinanzierung zurückgeführt, die in diese Vehikel aufgenommen wurde.

Also, konsolidieren Sie diese Vehikel gar nicht in der eigenen Bilanz?

Doch, das ist in unserem Konzernabschluss enthalten. Neben diesen Asset-Backed-Finanzierungen nutzen wir auch im operativen Teilkonzern Fremdkapitalinstrumente, um unser Geschäft zu finanzieren. Dazu zählen Working-Capital-Finanzierungen von verschiedenen Banken.

Aber solange Sie mit diesen Vehikeln wachsen und sie konsolidieren, steigt der Verschuldungsgrad ständig, oder nicht?

Ja, das ist so – jedenfalls solange wir kein neues Eigenkapital aufnehmen. Wir wollen aber in Zukunft auch andere Wege finden, um unsere Kapitalbindung in den SPVs zu reduzieren. Eine Möglichkeit könnte sein, neben Banken auch externe Eigenkapitalinvestoren an den SPVs zu beteiligen. Im Markt gibt es großes Interesse an unseren nachhaltigen und grünen Infrastrukturportfolien.

Welche Kreditauflagen gibt es denn bei diesen Asset-Backed-Strukturen? Meilensteine? Verschuldung pro Kunde?

Zunächst fängt es tatsächlich damit an, dass wir die Anlagen in einem bestimmten Standard bauen. Das ist alles minutiös abgestimmt und wird auch von einem externen Prüfer kontrolliert. Wir sagen deshalb auch oft, dass wir in der Branche das Unternehmen mit den höchsten Regulierungsstandards sind. Wir haben jetzt erstmals eine Zertifizierung des VDE für unseren Anlagenbau bekommen. Aber natürlich geht es auch um die Kreditperformance. Die Kunden dürfen nur zu einem bestimmten Grad ausfallen. Wir stehen hier sehr gut da, denn deutsche Hausbesitzer sind eine solvente Kundengruppe.

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Wie hat sich eigentlich die Zinswende für Enpal ausgewirkt?

Wir sind vor allem bei neuen Asset-Backed-Finanzierungen von der Zinswende betroffen. Die Banken geben ihre höheren Refinanzierungskosten an uns weiter, so dass auch für uns die Zinsen steigen. Bisher hatten wir allerdings kein Problem im operativen Geschäft. Unser Pricing setzt sich aus verschiedenen Einflussfaktoren zusammen – gegenläufig wirken beispielsweise gerade sinkende Beschaffungskosten für das verbaute Material.

Das gilt im Fall neuer Verträge, aber bei Altverträgen sind die Raten der Kunden doch fix?

Das stimmt, aber wir hedgen das ganze Zinsrisiko über die Vertragslaufzeit von 20 Jahren. Wir bekommen die 400 Mill. Euro zu einem Zinssatz, der erstmal variabel ist, und wandeln ihn dann über Finanzinstrumente in einen für uns festen Zinssatz. Die Hedgingkosten sind dann ein Bestandteil, den wir im Pricing berücksichtigen. 

Spüren Sie im laufenden Geschäft die Auswirkungen der Inflation auf die Kundennachfrage, gerade wenn Sie nun höhere Zinsen einpreisen müssen?

Wir wachsen derzeit immer noch sehr, sehr schnell, gerade auch im Vergleich zum letzten Jahr und zum Jahr davor. 2022 haben wir den Umsatz fast vervierfacht. Und auch dieses Jahr werden wir das Tempo hochhalten. Es ist teurer geworden für unsere Kunden, das stimmt, aber es lohnt sich immer noch für sie. Uns spielt dabei uns auch vieles in die Karten: der Wunsch nach fossiler Energieunabhängigkeit, hohe Strompreise, der Trend zum Elektroauto. Das alles trägt dazu bei, dass die Zinswende bei uns im Geschäft bisher keine Bremsspuren hinterlässt.

Mit welcher Wachstumsrate rechnen Sie denn im laufenden Jahr?

Also, dass wir erneut einen Faktor 4 schaffen, glaube ich nicht, die Basis erhöht sich auch. Aber wir wachsen weiterhin sehr stark und sind profitabel, noch dazu deutlich über Break-even, auch unterm Strich. 

Inwiefern macht Enpal die etwas schwer vorhersehbare Gesetzgebung für die Energiewende zu schaffen?

Der eine oder andere Schachzug der Politik hat uns natürlich schon sehr beschäftigt, denn das greift tief in unseren operativen Geschäftsprozess ein. Etwa als die Umsatzsteuer für gekaufte Solaranlagen auf null gesenkt wurde. Da war schon wichtig, dass unser Mietmodell auch einbezogen wurde. Bei der Wärmepumpe war dem Bundeswirtschaftsministerium sehr wichtig, dass es auch dafür ein Mietmodell gibt, um eine breite Nachfrage überhaupt erst zu stimulieren. Gerade was die Wärmepumpe betrifft, herrscht bei den Kunden eine sehr große Verunsicherung. Zum Glück haben wir mit diesem Geschäftszweig auch erst Anfang dieses Jahres begonnen. Aktuell sind wir sehr froh, jeden Monat mit unseren Kunden den Einbau von Wärmepumpen zu optimieren.

Wie ist denn die Situation bei den Lieferketten? Die Paneele kommen alle aus China, oder?

Zunächst mal standen wir während der Pandemie kein einziges Mal vor leeren Lagern. Wir haben gute Beziehungen zu allen Top-Tier-Lieferanten in China und haben im Zweifel eher eine höhere Kapitalbindung in Kauf genommen als out of stock zu laufen. Inzwischen hat sich die Lage komplett entspannt, die Belieferung aus China funktioniert wieder reibungslos, und deswegen fallen jetzt auch die Preise. Wir sehen, dass Module, Batterien, Wechselrichter günstiger werden, als sie im vergangenen Jahr waren. Hier können wir gestiegene Zinskosten für die Kunden ein Stück weit kompensieren.

Stark gestiegen waren auch die Transportkosten, wie sieht es da aus?

Das stimmt, die Logistikkosten waren enorm gestiegen. Und nun sind sie massiv gefallen, auf einen Bruchteil der Höchstpreise während der Pandemie. 

Ist eigentlich ein steigender Konkurrenzdruck perspektivisch eine Wachstumsbremse?

Der Markt ist nach wie vor stark fragmentiert, und er wächst rasant. Also von daher sehe ich in Deutschland überhaupt kein Problem, auch noch weiter stark zu wachsen. Und dann sprechen wir noch nicht darüber, dass wir als Enpal natürlich auch international gehen können – was wir auch wollen –, wo im Zweifel der Anteil von Solaranlagen noch geringer ist als in Deutschland.

Und ist da an einen Greenfield-Approach gedacht oder an Zukäufe?

Es geht beides, wir sind bisher sehr organisch gefahren. Wir machen jetzt auch in Deutschland ungefähr 75 % unserer Anlagen mit unserem eigenen Team, 25% nur mit Handwerkspartnern. Wie wir das jetzt in einem anderen Land ausrollen, haben wir noch nicht entschieden. Wir haben in Italien begonnen, Solaranlagen zu bauen, und werden hoffentlich nicht dort oder in Europa stehen bleiben.

Wie gehen Sie in der schnellen Expansion mit dem Fachkräftemangel um?

Das ist das Hauptproblem im Markt, dem wir mit einer eigenen Lösung begegnen konnten: Wir haben eine eigene Akademie, in der wir Leute schulen, Solaranlagen zu installieren, und das innerhalb von drei vier Wochen. 

Das Interview führte Heidi Rohde.