IM GESPRÄCH: ANDREA ILLY

"Wir wollen die Lokomotive des italienischen Espresso sein"

Die Kaffeemarke Illy aus Triest setzt auf Nachhaltigkeit und holt einen Partner für die internationale Expansion herein

"Wir wollen die Lokomotive des italienischen Espresso sein"

Von Gerhard Bläske, MailandDie Coronavirus-Pandemie trifft nicht nur Cafés, Restaurants, Bars und Hotels hart. Auch Kaffeehersteller wie Illy, Lavazza und Segafredo leiden stark. Das gilt vor allem für Italien, wo der am Tresen eingenommene “capuccio” oder “caffè” Teil der Lebenskultur ist und den ganzen Tag über getrunken wird. “Unsere Verkaufszahlen im Außer-Haus-Geschäft, das für 60 % unserer Erlöse steht, sind stark eingebrochen. Aber wir haben vieles durch höhere Verkäufe im In-Haus-Geschäft etwa von Kaffeekapseln, durch die Digitalisierung, im E-Commerce und mehr Verkäufe in Supermärkten wettgemacht”, sagt Andrea Illy, Präsident des gleichnamigen Kaffeeherstellers aus Triest im Gespräch mit der Börsen-Zeitung. Er fügt hinzu: “Wir schreiben weiter schwarze Zahlen.” Illy kam 2019 auf einen Umsatz von 521 Mill. Euro.Andrea Illy glaubt, dass die Veränderungen dauerhafte Folgen haben werden. “Es wird künftig weniger gereist, mehr im Homeoffice gearbeitet und ein ökonomisch und ökologisch nachhaltigeres Wirtschaftsmodell geben.” Von der italienischen Politik ist der Unternehmer genervt. Und er klagt über eine Bürokratie, die “unvorstellbar groß ist und die Entscheidungsprozesse bremst”. Unternehmerisch dagegen gibt Illy Vollgas. Er setzt auf eine internationale Expansion und mehr Nachhaltigkeit.In Italien mit etwa tausend lokalen Kaffeeproduzenten, einer sinkenden Bevölkerungszahl und einem schon sehr hohen Kaffeekonsum sieht er kaum Wachstumspotenzial. Dass Starbucks einige Kaffeehäuser im Belpaese eröffnet hat, habe eher “symbolische Bedeutung”. Illy ist eine der drei exportstarken italienischen Marken, zu denen die Massimo Zanetti Beverage Group (MZP) gehört, die weltweit 40 Gesellschaften kontrolliert, deren Flaggschiff Segafredo ist, und die dabei ist, sich von der Börse zurückzuziehen.Größter Kaffeehersteller Italiens ist Lavazza mit Erlösen von 2,2 Mrd. Euro (2019). Das Turiner Unternehmen ist zuletzt durch die Übernahme des Kaffeegeschäfts von Mars sowie Verkäufe von Kaffeekapseln und Kaffeemaschinen gewachsen.Illy erhebt den Anspruch, den weltweit besten Kaffee zu produzieren, und will “die Lokomotive und das Symbol für den Konsum echten italienischen Espressos in der Welt” sein, sagt Andrea Illy. Er setzt auf Expansion vor allem in den USA. “Die USA sind ein Schlüsselmarkt und sollen unser größter Einzelmarkt werden.” Er hat dabei vor allem die 10 % der Kaffeetrinker im oberen Preissegment im Visier, die enttäuscht von den lokalen Angeboten seien. Die USA tragen derzeit 20 % zu den Illy-Erlösen bei, Italien 35 %, Europa insgesamt 60 %. In Deutschland ist Illy seit 50 Jahren präsent. Großes Potenzial sieht Illy auch in Asien und weist darauf hin, dass derzeit weltweit “nur” zwei Milliarden Menschen Kaffee trinken.Für die Expansion in die USA hat Illy die Private-Equity-Gesellschaft Rhône Capital mit ins Boot genommen. “Die haben Expertise bei Operationen, in denen sie nur einen Minderheitsanteil haben. Und sie haben Erfahrung mit dem Verkauf europäischer Konsumgüter in den USA und arbeiten eher wie ein Family Office”, begründet er die Partnerwahl.”Wir haben uns von einem reinen Familienunternehmen zu einem Unternehmen mit professioneller Führung auch durch einen familienfremden Geschäftsführer gewandelt. Der letzte Schritt war die Öffnung des Kapitals”, sagt Andrea Illy, der einen späteren Börsengang nicht ausschließt. Für den von seinem Bruder Riccardo geleiteten “Polo del gusto” mit allen Nicht-Kaffee-Aktivitäten (Tee, Schokolade, Wein, Marmelade) ist der Aktienmarkt ein konkreter Plan. Zurückziehen will sich die Familie nicht. Mit Riccardo Illys Tochter Daria ist die vierte Generation im Aufsichtsrat vertreten.Es sei nicht geplant, dass Rhône Capital den Anteil erhöht – auch nicht im Zuge des Ausstiegs seines Bruders Francesco, dessen Anteil die drei anderen Geschwister übernähmen. Sie finanzierten das durch eigene Mittel und Erlöse aus dem Verkauf an Rhône Capital. Wachstumsimpulse kommen aus der Lizenzvereinbarung mit der zur Reimann-Holding gehörenden JAB: Der Partner hat für Illy die globale Herstellung und den Vertrieb von Nespressomaschinen-kompatiblen Alukapseln übernommen. “Das läuft sehr, sehr zufriedenstellend und beschert uns das prozentual größte Wachstum”, sagt Illy.Der Klimawandel bedroht auch die Zukunft des Kaffees. Illy forscht deshalb an “neuen Zusammensetzungen” und an “nachhaltigeren und besser angepassten Kaffeesorten. Im Rahmen der World Coffee Research arbeiten wir unter anderem an der Verbesserung der Landwirtschaftspraktiken”, sagt der Chairman. Und mit der 2019 vorgestellten “Virtuous Agriculture” will das Unternehmen “die Böden durch den Einsatz von organischem Kohlenstoff gesünder und resilienter machen”. Andrea Illy, der Vorfahren aus Ungarn, Schwaben und Irland hat, hat sich zum Ziel gesetzt, zum hundertsten Geburtstag des Unternehmens im Jahr 2033 komplett CO2-frei zu produzieren.