Große Häuser optimistischer als Gesamtmarkt

Wirtschaftsprüfer stellen sich auf Abkühlung ein

Die Branche der Wirtschaftsprüfer stellt sich darauf ein, dass sich das Wachstum in den kommenden Jahren verlangsamt. Während ESG-Aktivitäten als Wachstumshoffnung einen Dämpfer bekommen haben, setzen die Häuser auf mehr Nachfrage im Bereich Restrukturierung.

Wirtschaftsprüfer stellen sich auf Abkühlung ein

Wirtschaftsprüfer stellen sich auf Abkühlung ein

Lünendonk-Analyse: Große Häuser etwas positiver gestimmt als Gesamtmarkt – Budgets für ESG-Themen bleiben überschaubar

Die Branche der Wirtschaftsprüfer stellt sich darauf ein, dass sich das Wachstum in den kommenden Jahren verlangsamt, zeigt die aktuelle Marktanalyse von Lünendonk & Hossenfelder. Während ESG-Aktivitäten als Wachstumshoffnung ausgedient haben, setzen die Häuser auf Nachfrage bei Restrukturierungen.

sar Frankfurt

Der Markt für Wirtschaftsprüfung und Steuerberatung ist in Deutschland im vergangenen Jahr erneut gewachsen, wenn auch etwas langsamer als im Vorjahr. Das Marktvolumen legte 2024 um 7,6% auf 21,3 Mrd. Euro zu, zeigt die aktuelle Analyse zu den größten Wirtschaftsprüfungs- und Steuerberatungsgesellschaften des Beratungshauses Lünendonk & Hossenfelder, für die 70 WP-Gesellschaften sowie zwölf Netzwerke und Allianzen betrachtet wurden. Unter den 25 größten Häusern lag das durchschnittliche Wachstum bei 10,7%. Dabei ist die Branche so stark im Umbruch wie wohl noch nie, sagt Jörg Hossenfelder, Geschäftsführer des auf die Consulting-Branche spezialisierten Research-Hauses. Die Mehrjahresbetrachtung habe lange einem Ruhe-EKG geglichen, sagt er. „Nun sehen wir doch signifikante Veränderungen.“

Platzhirsch im deutschen Markt ist PwC, die 2024 laut der Lünendonk-Liste den Sprung über die Marke von 3 Mrd. Euro Umsatz hierzulande geschafft hat. Die weiteren Big Four KPMG, Deloitte und EY liegen nahezu gleichauf. In die Liste werden Unternehmen aufgenommen, die mehr als 60% ihres Umsatzes mit Wirtschaftsprüfung, Steuerberatung, Corporate Finance oder Rechtsberatung erzielen. Davon müssen mindestens 15% auf den Bereich reine Abschlussprüfung entfallen.

PwC und EY wachsen kaum

Die Wachstumsdynamik der Big Four war allerdings sehr unterschiedlich: Während das Wachstum bei Deloitte (10,6%) und KPMG (8,6%) deutlich ausgefallen ist, mussten sich PwC und EY mit Umsatzzuwächsen von jeweils 1,1% begnügen. Die Marktmacht der Big Four ist enorm: Vom Gesamtvolumen von 21,3 Mrd. Euro entfallen laut Lünendonk-Liste 10,8 Mrd. Euro und damit gut die Hälfte auf die kumulierten Umsätze der vier größten Prüfungs- und Beratungsgesellschaften. Die in der Liste aufgeführten 25 größten Häuser kommen zusammen auf 14 Mrd. Euro Gesamtumsatz, somit entfallen auf die weiteren rund 3.000 registrierten WP-Gesellschaften noch 8 Mrd. Euro.

Diese Zersplitterung des Marktes macht ihn auch für Private-Equity-Investoren interessant, die zunehmend Wege finden, trotz Fremdbesitzverbot in den Markt für Steuerberatung und Wirtschaftsprüfung vorzudringen. Dies merke man auch an den Vorbestellungen für die Studie zum Wirtschaftsprüfermarkt, berichtet Hossenfelder. „Wir haben viele Anfragen von Private-Equity-Investoren, insbesondere aus dem angelsächsischen und US-amerikanischen Markt.“

Hinter den Big Four stehen die Next Six mit RSM Ebner Stolz, BDO, Rödl & Partner, Forvis Mazars, Baker Tilly und Grant Thornton. Sie wuchsen 2024 im Schnitt um 15,8%. Mit DHPG hat eine weitere WP-Gesellschaft den Sprung in die dreistellige Umsatzregionen geschafft. Da sich DHPG auf Mittelständler fokussiert, unterscheiden sie sich von den Next Six, die auf Unternehmen von öffentlichem Interesse (Public Interest Entity, PIE) abzielen.

Für die kommenden Jahre sind die Top-25 der Branche etwas positiver gestimmt als der Gesamtmarkt, auch wenn sich die Wirtschaftsprüfer insgesamt auf eine Abkühlung am Markt einstellen. Für 2025 rechnet die Branche insgesamt mit einem Wachstum von 7,3%. Die 25 größten Häuser sind etwas optimistischer, sie gehen von 8,5% Zuwachs aus. Auch in den Folgejahren bis 2029 bewegt sich die Umsatzprognose in diesem Rahmen.

Hoffnung gedämpft

Das Thema ESG hat als große Wachstumshoffnung für die kommenden Jahre einen Dämpfer bekommen. Grund dafür ist die Omnibus-Initiative der EU, durch die sich der Kreis der ESG-berichtspflichtigen Unternehmen deutlich verringert. Während in der vorherigen Lünendonk-Befragung noch 80% der Teilnehmer auf „signifikante Umsatzsteigerungen“ in der nicht-finanziellen Berichterstattung gesetzt hatten, erwarten dies in der aktuellen Befragung nur noch 43%. „Die Hoffnungen, ab dem Jahr 2025 im großen Stil Nachhaltigkeitsberichte zu prüfen, sind zurückgestutzt worden. Denn durch die EU-Omnibus-Initiative sind nunmehr vier von fünf der CSRD-pflichtigen Mandanten von der ESG-Regulatorik ausgenommen – zumindest für zwei Jahre“, sagt Hossenfelder. Die ESG-Projektvolumina der Kunden bezeichneten 69% der Befragten als gering.

Stattdessen erwarten die Gesellschaften deutliche Zuwächse im Bereich Restrukturierung und Sanierung. Alle Big-Four-Gesellschaften sowie alle Next Six rechnen in dem Segment mit Umsatzsteigerungen, unter den 25 größten Wirtschaftsprüfungsgesellschaften sind es 80%. Im Gesamttableau aller 82 betrachteten Studienteilnehmer sind es immerhin noch zwei Drittel.

Künstliche Intelligenz im Fokus

Auch in der Frage, welches wesentliche Managementaufgaben sind, besteht unter den zehn größten WP-Gesellschaften Einigkeit: Alle Big Four und Next Six sagen, dass Digitalisierung und künstliche Intelligenz ganz oben auf die Agenda gehören. 78% der Wirtschaftsprüfer haben laut Umfrage bereits ein KI-Kompetenzzentrum, weitere 10% planen es. 12% befassen sich mit dem Thema noch nicht. „Um die muss man sich Sorgen machen“, mahnt Hossenfelder. Die zweite große Aufgabe liegt im Recruiting. Obwohl sich zuletzt mehr Kandidaten zum WP-Examen angemeldet haben, bleibt die Zahl erfolgreicher Absolventen bisher konstant.

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