Zweite Coronawelle erfasst SAP

Softwarekonzern muss Jahresziele für die Cloud erneut herunterschrauben - Historischer Kursabsturz - Kein Termin für Qualtrics-IPO

Zweite Coronawelle erfasst SAP

Erstmals in diesem Jahr hat SAP nicht bereits zum Monatsanfang Eckdaten für das Quartal mitgeteilt. Dafür erwischte Europas größter Softwarekonzern die Investoren mit den Zahlen zum dritten Quartal und einer gekürzten Umsatzprognose auf dem völlig falschen Fuß. Die Aktie stürzte am Montag um 22 % ab.scd Frankfurt – Die erste Coronawelle im Frühjahr hat SAP noch gut überstanden. Die aktuell in zahlreichen Ländern rollende zweite Coronawelle hat den Dax-Konzern nun aber offenbar stärker erfasst. Am Sonntagabend, kaum zwölf Stunden vor dem avisierten Termin, veröffentlichte SAP den Zwischenbericht für das dritte Quartal und mit diesem einen reduzierten Jahresausblick und neue Mittelfristziele (siehe Bericht unten).Der Umsatz ist in den Monaten Juli bis September um 4 % auf 6,54 Mrd. Euro geschrumpft. Auch die Erlöse im bislang so wachstumsstarken Cloud-Geschäft legten nur noch um 11 % zu, wobei Gegenwind auf der Währungsseite das Geschäft zusätzlich bremste. Um Wechselkurseffekte bereinigt betrug das Umsatzplus 14 % – 4 Prozentpunkte weniger als selbst im coronakrisengeprägten zweiten Quartal.Wesentliche Ursache war das geschrumpfte Transaktionsvolumen der Reisekostenabrechnungssoftware Concur. “Die gesamte Reisesoftwarebranche ist natürlich massiv unter Druck – auch die meist kleineren Wettbewerber von Concur, die im Zweifelsfall einen weniger langen Atem haben”, erklärt CFO Luka Mucic im Gespräch mit der Börsen-Zeitung. Wenn sich die Situation irgendwann wieder bessere, habe Marktführer Concur indes durchaus Potenzial für weitere Marktanteilsgewinne. Mucic strich zudem heraus, dass die Cloudbruttomarge von Concur trotz des Erlösrückgangs um 1,4 Prozentpunkte auf 88,3 % gesteigert wurde. “Generell müssen wir schon einräumen, dass über Concur hinaus im gesamten Bereich Intelligent Spend Management die Transaktionsvolumina heruntergehen, also auch etwa bei Fieldglass und Ariba, wenn auch weniger stark als bei Concur”, ergänzt Mucic. Allerdings werde SAP mit dem transaktionalen Geschäft auch überproportional profitieren, wenn sich die Lage wieder bessere.In anderen Teilen der Cloud laufe es ohnehin deutlich besser. So ist der Umsatz im Kerngeschäft (Applications, Technology & Support) um 20 % und bei der Tochter Qualtrics um 31 % gewachsen. “Noch stärker hat allerdings der Auftragseingang zugelegt”, erklärt der Finanzvorstand mit Blick auf Qualtrics. “Da ist derzeit fast schon eine Art Sonderkonjunktur, was auch nicht verwundert, wenn der Kontakt zu Kunden vorwiegend remote stattfindet.” Einen Zeitplan für das Ende Juli angekündigte IPO der auf Kunderfahrungsmanagement spezialisierten Tochter gibt es noch nicht. Das Unternehmen sei bald bereit für ein IPO. “Allerdings werden wir jetzt erst einmal die nächsten Wochen mit der US-Wahl abwarten und sehen, wie sich der Markt dann entwickelt.”Zuletzt war das Marktumfeld günstig gewesen für wachstumsstarke Tech-Unternehmen. Davon profitierte auch SAP über die Investmenttochter Sapphire Ventures, die bei den Börsengängen ihrer Beteiligungen JFrog und Sumo Logic im September Kasse machen konnte. Trotz eines Rückgangs im Betriebsergebnis um 12 % legte das Nettoergebnis auf Konzernebene daher um 31 % auf 1,65 Mrd. Euro zu. Auch der operative Cash-flow entwickelt sich weit besser als zur Jahresmitte gedacht. Nach neun Monaten kommt SAP bereits auf knapp 5,1 Mrd. Euro und hat damit das Jahresziel von 5 Mrd. Euro schon übertroffen. Lichtblick Cash-flowEntsprechend wurde das Ziel für den operativen und für den freien Cash-flow wieder angehoben auf 6 Mrd. bzw. 4,5 Mrd. Euro, was dem Niveau entspricht, das SAP sich zum Jahresanfang vorgenommen hatte. Die wesentlichen Treiber der Verbesserung seien ausbleibende negative Effekte aus dem Vorjahr – darunter Restrukturierungskosten. SAP habe aber auch Working Capital Management und Cash Collection verbessert. “Ich denke nicht, dass der stärkere Cash-flow 2020 die Ausnahme sein wird, sondern eher die schwächeren, von Sondereffekten geprägten Vorjahre”, glaubt Mucic.Derweil senkte SAP die Prognose für mehrere Umsatzkennziffern. So sollen die Clouderlöse von 7,0 Mrd. Euro im Vorjahr nun nur noch auf 8,0 bis 8,2 Mrd. Euro klettern. Das entspricht einem währungsbereinigten Anstieg um 14 bis 17 %. Zu Anfang des Jahres war noch von 24 bis 28 % Wachstum ausgegangen worden, ehe die Prognose im April ein erstes Mal gestutzt worden war. Auch der Konzernumsatz wird nun entsprechend niedriger prognostiziert, bei 27,2 bis 27,8 Mrd. Euro statt der zuletzt in Aussicht gestellten 27,8 bis 28,5 Mrd. Euro. Für das Betriebsergebnis wurde derweil nur das obere Ende der Spanne um 200 Mill. Euro auf nun 8,1 Mrd. bis 8,5 Mrd. Euro gesenkt.An der Börse sorgten die negativen Überraschungen für einen historischen Kurseinbruch. Die Aktie des Dax-Konzerns stürzte um mehr als 22 % auf 97,27 Euro ab – den niedrigsten Kurs seit März. Damit verpufften an einem Tag mehr als 30 Mrd. Euro an Marktkapitalisierung.