Kapitalmärkte

Finanzzentren bleiben im Metaverse unersetzlich

Die Kraft von Finanzplätzen geht über den digitalen Raum hinaus und ist nicht einfach durch eine virtuelle Version zu ersetzen.

Finanzzentren bleiben im Metaverse unersetzlich

Die Covid-19-Pandemie und die daraus resultierenden massiven Einschränkungen der sozialen Kontakte und die verstärkte Arbeit von zu Hause haben der Digitalisierung von Finanzdienstleistungsunternehmen einen weiteren Schub gegeben. Diese Digitalisierung hat zu vielen Effizienzgewinnen geführt, und sie hat den Finanzsektor näher an das Ideal herangebracht: der Idee eines Systems, das die Bedürfnisse der heutigen Kunden besser erfüllt, größtenteils rund um die Uhr verfügbar ist und insbesondere dem Wunsch der Mitarbeiter nach einem flexibleren Arbeitsumfeld entgegenkommt.

Kürzlich wurde in einem Bloomberg-Kommentar in Bezug auf Finanzzentren argumentiert, dass „der Standort für Transaktionen und Informationsflüsse nicht mehr so wichtig ist wie früher. Finanzzentren befinden sich in den Köpfen, Smartphones und Terminals der Teilnehmer.“ Der Autor hat valide Argumente: Wir im Finanzsektor tätigen Menschen verbringen doch tatsächlich die meiste Zeit unseres Tages damit, auf unsere Bildschirme zu starren – und es ist unerheblich, ob wir das in London oder Manchester, Paris oder Lyon, New York oder Florida tun. Der Handel hat sich zunehmend auf elektronische Plattformen verlagert, und das Finanzwesen beruht in der Tat immer stärker auf Maschinen und ist weniger abhängig vom Faktor Mensch.

Worauf es ankommt

Geht es um das „normale“ operative Geschäft oder die Abwicklung von Transaktionen, spielt es tatsächlich kaum eine Rolle, wo die damit verbundene Arbeit erledigt wird. Allerdings entstehen hier kaum Innovationen im Finanzwesen. Innovation entsteht und kommt durch Interaktion zwischen Menschen voran. Hierfür braucht es Orte, an denen Menschen zusammenkommen – und zwar nicht nur solche aus einem einzelnen Unternehmen oder einer einzigen Branche. Es braucht den Austausch von Fachleuten über die gesamte Wertschöpfungskette bei Finanzdienstleistungen hinweg.

Bei den Forderungen nach einer Rückkehr zu „Normalität“ und persönlicher Zusammenarbeit geht es deshalb nicht um die Aufrechterhaltung des Status quo oder, wie es der Autor des Beitrags ausdrückt, „um Motivation, Aufsicht und Kontrolle“. Vielmehr werden im Zuge der zunehmenden Digitalisierung des Finanzwesens der persönliche Kontakt und das persönliche Gespräch immer wichtiger. Dies gilt nicht nur für die Interaktion mit Kunden, sondern auch, um kollektives Fachwissen zu bündeln. Und genau das ist es, was Finanzzentren so wichtig macht.

Persönliche Interaktion

Im Bloomberg-Artikel wird hervorgehoben, dass Cafés schon immer als Informationszentren eine ebenso wichtige Rolle für das Leben der (Finanz-)Märkte spielen wie eine Börse. Die Leute hielten sich dort nicht nur zum Essen und Trinken auf, sondern auch, um sich in informellen Gesprächen über Angebot und Nachfrage zu informieren und so Trends und neue Entwicklungen zu erspüren, bevor sie sich in offiziellen Daten oder Statements niederschlagen.

Daran hat sich nichts geändert. Die Ideen für Finanzinnovationen werden weniger in einer Zoom- oder Team-Sitzung geboren, sondern haben häufiger ihren Ursprung in einem der Londoner Clubs, einem Restaurant in Paris oder in einer Bar am Frankfurter Opernplatz. Es sind die zufälligen Ad-hoc-Interaktionen zwischen Menschen, die das Geschäft vorantreiben. Finanzzen­tren bringen Menschen zusammen und bieten ihnen die Möglichkeit, auf eine andere Art und Weise zu interagieren, als dies auf digitalem Wege möglich ist.

Die Globalisierung des Finanzwesens geht weiter. Dazu gewinnen neue Entwicklungen wie nachhaltiges Finanzwesen, digitale Vermögenswerte, Blockchain-Technologie und andere im globalen Finanzsystem weiter an Bedeutung. Die Finanzzentren stehen dabei im Zen­trum dieser Transformationsbemühungen. Sie stellen die Infrastruktur und das Fachwissen bereit, die erforderlich sind, um Investitionen in diesen Zukunftsfeldern voranzutreiben, neue Finanzierungsquellen für Unternehmensgründer zu erschließen und das Wirtschaftswachstum zu fördern. Dabei sind Finanzzentren mehr als ein Treffpunkt für die Fachwelt. Hier findet sich auch das notwendige regulatorische Fachwissen, da sich die Behörden mit diesen spezifischen Themen bestens auskennen.

Ein großer Mehrwert von Finanzplätzen besteht darin, dass sie ein Netzwerk für die globale Finanzdienstleistungsbranche bilden. In diesem gibt es Teams, die lokale wie internationale Finanztransaktionen erleichtern, breiteren Gesellschaftsschichten den Zugang zu Finanzdienstleistungen ermöglichen und Talente in ausgewählten Wachstumsfeldern entwickeln, um globale wirtschaftliche Ziele zu erreichen. Ökosysteme entstehen an Orten, die eine Infrastruktur und Fachwissen bieten, die woanders schwer zu finden sind. Dies gilt für den Technologie-, Produktions- wie den Finanzbereich.

Von zentraler Bedeutung

Das kollektive Fachwissen in Finanzzentren wie London, New York, Frankfurt oder Luxemburg lässt sich woanders kaum finden und bleibt damit unverändert von zentraler Bedeutung für die Förderung des Wirtschaftswachstums auf globaler Ebene. Diese Cluster aus Talenten und Infrastruktur fördern das Wachstum in aufstrebenden Finanzmärkten, verbessern globale Bankensysteme und verstärken die Regulierungsaufsicht zum Nutzen der Bürger auf der ganzen Welt.

Finanzzentren sind und bleiben daher ein entscheidender Bestandteil für das globale Wirtschaftswachstum. Diese Standorte nutzen ihre Infrastruktur, ihr kollektives Fachwissen und das Netzwerk von Akteuren, seien es Finanzinstitute, innovative Start-ups, professionelle Dienstleister und andere, um die Entwicklung von Finanzprodukten und -dienstleistungen an der Spitze voranzutreiben und die Realwirtschaft durch Finanzinnovationen zu unterstützen.

Die Pandemie hat einige Vorteile der Digitalisierung, aber auch ihre Grenzen aufgezeigt. Die Digitalisierung kann viele Dinge sicherlich vereinfachen, aber sie kann nicht die zufälligen Interaktionen ersetzen, die es für neue Ideen und Innovationen auch im Finanzsektor braucht. Die Kraft von Finanzzentren entsteht aus der Kombination von Unternehmen aus der gesamten Wertschöpfungskette von Finanzdienstleistungen an einem Ort und dem Innovationsumfeld, das in diesen Hubs entsteht. Diese Kraft geht über den digitalen Raum hinaus und kann eben nicht einfach durch eine virtuelle Version ersetzt werden.

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