Klimaschutz

Frankfurt wegweisend für nachhaltige Finanzen machen

Bei der Transformation unserer auf fossilen Energien basierenden Wirtschaft wird der Finanzsektor eine Schlüsselrolle spielen. Ohne ihn wird es nicht gelingen, die Erhitzung des weltweiten Klimas zu begrenzen. Und genau darin liegt die große Chance für Frankfurt.

Frankfurt wegweisend für nachhaltige Finanzen machen

Dass Klimaschutz Geld kostet, kein Klimaschutz aber noch viel mehr, ist inzwischen eine Binsenweisheit. Die eigentliche Frage lautet: Wo wird dieses Geld herkommen? Denn der Umbau unserer Energieversorgung, die Umstellung unserer Mobilität auf CO2-arme Antriebe, die Dekarbonisierung unserer industriellen Produktion – all das erfordert ja so enorme Investitionen, dass öffentliche Mittel allein nicht ausreichen.

Finanzsektor am Zug

Klar ist: Bei der Transformation unserer auf fossilen Energien basierenden Wirtschaftsweise wird der Finanzsektor eine Schlüsselrolle spielen. Ohne ihn wird es nicht gelingen, die Erhitzung des weltweiten Klimas zu begrenzen. Und genau darin liegt die große Chance für den – nach dem Austritt des Vereinigten Königreichs – wichtigsten Finanzplatz der Europäischen Union (EU).

Die großen internationalen Bankenzentren sind die Verteilknoten der Kapitalströme, die rund um die Welt die wirtschaftliche Tätigkeit nicht nur finanzieren und damit antreiben, sondern sie auch mitgestalten und formen. Wenn die Realwirtschaft eine neue Richtung einschlagen soll, müssen sich also auch die Geldflüsse umorientieren: weg von den Investitionen in klimaschädliche Aktivitäten und Projekte hin zu Investitionen, die zu einer nachhaltigen und klimafreundlichen Transformation der Wirtschaft führen.

Dieser Prozess hat bereits eingesetzt. Banken ziehen sich vermehrt aus der Finanzierung fossiler Projekte zurück, investieren zunehmend in grüne Unternehmen und richten ihre eigenen Geschäftsmodelle darauf aus, vor der Mitte des Jahrhunderts klimaneutral zu sein. „Green and Sustainable Finance“, vor wenigen Jahren noch ein Nischenthema, steht heute bei allen Finanzinstituten ganz oben auf der Agenda.

Auch pures Eigeninteresse

Dafür sorgt schon das pure Eigeninteresse. Immer mehr setzt sich die Einsicht durch, dass sich soziale und ökologische Folgewirkungen nicht auf Dauer aus den Bilanzen ausklammern lassen, sondern in Geschäftsmodelle und Risikomanagement einzubeziehen sind. Immer stärker geraten Unternehmen unter Druck, sich konkrete CO2-Reduktionsziele zu setzen. Immer weniger große Anleger glauben an die Zukunft fossiler Geschäftsmodelle. Stattdessen sehen sie Nachhaltigkeit als die Basis langfristigen wirtschaftlichen Erfolgs.

Die Hessische Landesregierung hat großes Interesse daran, dass der Finanzplatz Frankfurt hier einen gewichtigen Beitrag leistet. Sie kann in aller Bescheidenheit für sich in Anspruch nehmen, dass sie die Bedeutung von Sustainable Finance früh erkannt hat. Schon der erste, Ende 2013 ausgehandelte Koalitionsvertrag zwischen CDU und Bündnis 90/Die Grünen enthielt eine Passage zu Green Finance. Damals wurden wir selbst von Journalisten angesehener Tageszeitungen noch gefragt, was denn bitte schön darunter eigentlich zu verstehen sei. Seitdem arbeiten wir stetig daran, Frankfurt zum führenden Standort für nachhaltige Finanzanlagen zu machen – leider lange Zeit ohne große Unterstützung der Bundesregierung, die erst spät ein klares Bekenntnis zu Sustainable Finance abgelegt hat.

Heute ist Frankfurt auf dem besten Weg, sich zu einem internationalen Kompetenzzentrum bei der Gestaltung eines nachhaltigen Finanzsystems zu entwickeln: So wird sich die Zentrale des neuen International Sustainability Standards Board (ISSB) am Main ansiedeln, um ein globales Rahmenwerk für die Nachhaltigkeitsberichterstattung von Unternehmen zu entwickeln. Solche Standards sind unerlässlich, um die Kapitalströme zukunftsfähig auszurichten. Die Ansiedlung stärkt die internationale Bedeutung Frankfurts, das mit seiner Konzentration renommierter Forschungseinrichtungen, wichtiger Behörden und relevanter Marktteilnehmer ein reifes Ökosystem bietet.

Ein wichtiger Bestandteil dieses Systems ist das von der Landesregierung mitinitiierte Green and Sustain­able Finance Cluster Germany. Seine Aufgabe ist es, Brücken in die Praxis zu bauen und Marktexpertise einzubinden sowie dem Finanzplatz Frankfurt auf diesem Zukunftsgebiet eine vernehmbare Stimme zu geben. Dazu ist das Cluster in allen wesentlichen Gremien auf nationaler und europäischer Ebene vertreten. Aktuell hilft es mit seiner Net Zero Banking Alliance Banken dabei, ihre Portfolien klimaneutral auszurichten. Das Land fördert dieses Projekt mit rund 190000 Euro und plant im Rahmen der Weiterentwicklung des Integrierten Klimaschutzplans Hessen eine Verstetigung.

Ebenso bedeutsam ist der Aufbau des Financial Big Data Clusters, bei dem Hessen unter anderem mit der Deutschen Börse und dem TechQuartier zusammenarbeitet. Ziel ist es, bisher nicht verknüpfte Finanzdaten von Unternehmen, Behörden und Wissenschaft in einer geeigneten digitalen Infrastruktur rechtssicher zusammenzuführen und zu standardisieren.

Internationales Markenzeichen

So soll eine Basis zur Entwicklung und Verbesserung finanzwirtschaftlicher KI-Anwendungen (KI steht für künstliche Intelligenz) entstehen, denn die Verfügbarkeit von Daten und ihre Verknüpfbarkeit sind aktuell die wichtigsten limitierenden Faktoren auf diesem Gebiet. Dieses Projekt wird dazu beitragen, „KI made in Hessen“ zu einem international anerkannten Markenzeichen zu entwickeln. Die konkreten Anwendungsmöglichkeiten reichen von der Geldwäscheprävention bis zur Verbesserung der Marktintegrität.

Auch Sustainable Finance kann davon profitieren. Denn derzeit sind Nachhaltigkeitsdaten nur schwer in Finanzkennzahlen zu übersetzen. Ein Projekt im Rahmen des Financial Big Data Clusters ist es daher, die Möglichkeiten des Aufbaus einer ESG-Dateninfrastruktur (Environment, Social, Governance – kurz ESG) zu erforschen. Aber auch der Einfluss von Klimarisiken auf Preise von Finanzinstrumenten sowie die Abhängigkeiten zwischen der Einhaltung von ESG-Kriterien und Kreditrisiken von Darlehensnehmern werden untersucht.

Beide Cluster haben erheblich dazu beigetragen, Frankfurt zu profilieren; beide illustrieren zudem unseren kooperativen Ansatz, der nicht auf staatlicher Lenkung, sondern auf staatliche Initiative und in der Folge Zusammenarbeit aller Akteure basiert. Diesen sehr erfolgreichen Weg wird die Landesregierung fortsetzen.

Welche Richtung die Entwicklung des Themas der nachhaltigen Finanzen nimmt, ist derzeit Gegenstand kontroverser Diskussionen auf internationaler Ebene. So sind sich die EU-Mitglieder durchaus uneins, was unter „nachhaltig“ beziehungsweise „sustainable“ zu verstehen ist. Aus Sicht der Landesregierung ist eine einheitliche und vor allem glaubwürdige Klassifizierung jedoch entscheidend, um Vertrauen auf den Märkten zu schaffen.

Diskussionen unumgänglich

Wir brauchen ein starkes Label für nachhaltige Finanzierungen und kein Greenwashing. Nachhaltigkeit bemisst sich nicht allein am CO2-Ausstoß im laufenden Betrieb, sondern kann nur umfassend verstanden werden. Zu ihr gehören Ökologie und Biodiversität ebenso wie soziale Fragen und verantwortungsvolle Unternehmensführung.

Diese Diskussionen müssen geführt und zu einem Ergebnis gebracht werden. Die Finanzmärkte brauchen klare Signale, damit ihre enorme Dynamik die richtige Richtung einschlägt und damit den Umbau der Realwirtschaft unterstützt. Frankfurt als führender Finanzplatz der Eurozone kann und muss hier maßgebliche Impulse geben.