Klimaschutz

Immobilien werden klimafreundlicher – oder bestraft

Wie die Klimaziele den Immobilieninvestmentmarkt radikal verändert haben und warum es bis zur Klimaneutralität noch ein weiter Weg ist.

Immobilien werden klimafreundlicher – oder bestraft

Mehr als ein Drittel der EU-weiten Treibhausgasemissionen entfallen auf den Immobiliensektor. Entsprechend groß muss dessen Anteil daran sein, Klimaneutralität bis 2050 zu erreichen, denn ohne CO2-Reduktion im Immobiliensektor können die Pariser Klimaziele nicht erreicht werden. Das hat Klimakonformität innerhalb kurzer Zeit zu einem der entscheidenden Faktoren am Immobilienmarkt gemacht: Investoren preisen Zusatzkosten für das Erreichen der Klimaziele in den Wert ihrer Portfolien ein. So steht der ökologische Fußabdruck einer Immobilie in direktem Zusammenhang mit ihrem Marktwert.

Unter Handlungsdruck

Mehr noch als die zunehmend strengen Vorgaben für Neu- und Bestandsbauten üben die Nachhaltigkeitsverpflichtungen großer In­vestoren Druck auf den Immobilienmarkt aus, mit den Pariser Klimazielen konform zu werden. Gebäude mit zu großem CO2-Fußabdruck werden in naher Zukunft eine kostspielige Bürde sein. Das fließt in die Kalkulation ein: Ist ein Objekt innerhalb der geplanten Haltedauer konform mit den Klimazielen? Muss es dafür saniert werden? Was wird das voraussichtlich kosten? Diese Erwägungen sind inzwischen Teil der Due Diligence. Und das hat Auswirkungen auf den gesamten Markt: Nicht klimakonforme Objekte können schwieriger oder nur noch mit Abschlägen verkauft oder vermietet werden.

Nicht einfach zu berechnen

Die Klimawirkung einer Immobilie ist nicht immer einfach zu berechnen. Allerdings hat sich hierbei in letzter Zeit einiges bewegt. Um Immobilieninvestments hinsichtlich ihrer Nachhaltigkeit besser bewerten und vergleichen zu können, hat die Europäische Union (EU) eine Reihe neuer Regeln erlassen. Sie sind Teil des EU-Aktionsplans für eine Wirtschaft, die bis zum Jahr 2050 klimaneutral und nachhaltig sein soll, unter anderem durch die Förderung von Green Finance.

Zu diesem Zweck wurden die EU-Taxonomie­ sowie ein Ecolabel für Anlageprodukte entwickelt, damit auf den ersten Blick sichtbar wird, ob ein Investment keine negative Wirkung auf das Klima und die Umwelt hat. Die Taxonomie ist darüber hinaus in der Weiterentwicklung, um zusätzliche Aspekte wie den Übergang zu einer Kreislaufwirtschaft und den Schutz der Biodiversität einzubinden. Das bedeutet, dass die Regeln in Zukunft umfassender und strenger werden.

Begleitende Verordnungen zur Offenlegung nicht konformer Informationen sowie zum Benchmarking sollen Greenwashing verhindern. Unternehmen müssen transparent machen, inwieweit sie ökologische und soziale Kriterien sowie Standards guter Unternehmensführung beachten, und wesentliche nachteilige Auswirkungen ihres Handelns auf die Nachhaltigkeit bewerten.

Zudem müssen sie für ihre Finanzprodukte nachweisen, wie sie Nachhaltigkeitsaspekte einbeziehen, und bewerten, wie sich Nachhaltigkeitsrisiken auf die Investition auswirken können. In der Anlageberatung muss darauf Bezug genommen werden: Künftig geht es nicht nur darum, welche Risikoanteile in einem Portfolio gewünscht sind, sondern auch darum, welchen Mindestanteil nachhaltige Investitionen entsprechend der Taxonomie haben sollen. Damit können Anleger sich immer umfassender über die Klimawirkung ihrer Investments informieren und entsprechende Entscheidungen treffen.

Das bedeutet: Soll eine Immobilie ein langfristig werterhaltendes Investment sein, muss sie möglichst hohen Energie- und Nachhaltigkeitsstandards entsprechen, um auch auf zukünftig verschärfte Ansprüche vorbereitet zu sein. Um die Emissionen im Betrieb einer Immobilie zu untersuchen, hat sich der „Carbon Risk Real Estate Monitor“ (CRREM), ein Analysetool der EU, bewährt. Er gibt einen guten Einblick darin, ob und bis wann eine Immobilie die Klimaziele einhält und ob Bedarf für eine energetische Sanierung besteht.

Die Ergebnisse dienen dann als Ausgangspunkt, problematische Ob­jekte genauer zu betrachten und sinnvolle Maßnahmen abzuleiten. Denn auch Immobilien, die noch nicht klimaneutral sind, müssen nicht unbedingt als „Stranded Assets“ zum Totalverlust werden – sinnvoller ist es, sie als „verfehlende“ Assets zu sehen und auf Klimakurs zu bringen.

Dafür ist nicht immer eine komplette energetische Sanierung mit Fassadendämmung und neuer Anlagetechnik nötig. Schon durch die Anpassung der Steuerung der technischen Anlagen kann viel Energie eingespart werden. Anbieter, welche die bestehende Gebäudeautomation analysieren und digital optimieren, versprechen Einsparpotenziale um die 30%. Die Kosten für die Analyse und Umstellung lassen sich durch den geringeren Verbrauch teils in wenigen Jahren amortisieren.

Noch schneller ist es, die Beleuchtung komplett auf LED umzustellen – damit lässt sich nicht nur überraschend viel Energie einsparen, LEDs sind meist auch langlebiger als andere Leuchtkörper. Um zu klären, welche Maßnahmen bei einem bestimmten Objekt am effizientesten zum Ziel führen, ist eine genaue Bestandsaufnahme also unumgänglich.

Sogenannte Green Leases

Ein weiterer Hebel sind sogenannte Green Leases, also Mietverträge, in denen sich Mieter und Vermieter gemeinsam zu einer nachhaltigen Nutzung und Bewirtschaftung der Immobilie verpflichten. Möglich sind etwa Vereinbarungen zum Austausch von Daten, zur Nutzung umweltfreundlicher Produkte und zum energie- und ressourcensparenden Verhalten. Zwar gibt es hierfür noch keinen globalen Standard, aber der Zentrale Immobilien Ausschuss (ZIA) hat als ersten Schritt einen Leitfaden für Unternehmen entwickelt.

Zur Klimaneutralität des Immobilienmarktes ist es noch ein weiter Weg, doch die Richtung ist klar: Immobilien werden klimafreundlicher – oder vom Markt bestraft. In Zukunft werden neben energetischen Anpassungen und Sanierungen sowie der vermehrten Nutzung erneuerbarer Quellen für Wärme, Kälte und Elektrizität zudem andere Phasen des Lebenszyklus in den Fokus rücken.

Beim Bau und Rückbau entstehen ebenfalls viele Emissionen, diese „graue Energie“ kann bei energieeffizienten Neubauten bereits die Hälfte des Verbrauchs über die Lebensdauer einer Immobilie ausmachen. Innovative ökologische Baustoffe sind ein Weg, diese Emissionen zu reduzieren. Konzepte der Kreislaufwirtschaft zur Ressourcenschonung und Abfallvermeidung werden ebenfalls eine wachsende Rolle spielen. Kurz: Immobilien sind in Bewegung.

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