Aus der Kapitalmarktforschung

Eine europäische Aufsicht für große Bankennetzwerke

Institutssicherungssysteme bieten eine zusätzliche Sicherheitsebene für Bankkunden und erhöhen die Stabil­ität der Bankenmärkte insgesamt. Dies würde eine bevorzugte regulatorische Behandlung rechtfertigen, sagen Befürworter. Die potentiellen Stärken gehen jedoch mit handfesten Nachteilen einher.

Eine europäische Aufsicht für große Bankennetzwerke

Eine europäische Aufsicht für große Bankennetzwerke

Ende der Sonderbehandlung von Institutssicherungssystemen gefordert

Institutssicherungssysteme bieten eine zusätzliche Sicherheitsebene für Bankkunden und erhöhen die Stabi- ­l­ität der Bankenmärkte insgesamt. Dies würde eine bevorzugte regula­torische Behandlung rechtfertigen, sagen Befürworter. Die potenziellen Stärken gehen jedoch mit handfesten Nachteilen einher.

In der Diskussion über die Reform des europäischen Rahmens für die Bankenabwicklung und Einlagensicherung fordern Institutssicherungssysteme („Institutional Protection Schemes“, IPS) aus sechs EU-Mitgliedstaaten eine bevorzugte regulatorische Behandlung. Das Hauptargument lautet, dass Institutssicherungssysteme eine zusätzliche Sicherheitsebene für Bankkunden bieten und die Stabilität der Bankenmärkte insgesamt erhöhen – basierend auf gegenseitigen Unterstützungszusagen durch die Mitglieder eines solchen Netzwerks. In einer Analyse im Auftrag des Ausschusses für Wirtschaft und Währung des Europäischen Parlaments, die sich mit der Funktionsweise von Institutssicherungssystemen im Kontext des europäischen Finanzsystems beschäftigt, haben wir dargelegt, dass derartige Netzwerke allerdings nicht nur Stärken, sondern auch Schwächen beinhalten, die ihren Nutzen für die Finanzstabilität in Frage stellen. Wir fordern deshalb ein Ende der Sonderbehandlung von Institutssicherungssystemen.

Wir betrachten vornehmlich die größten Institutssicherungssysteme in Europa und damit diejenigen der im Bundesverband der Deutschen Volksbanken und Raiffeisenbanken (BVR) und im Deutschen Sparkassen- und Giroverband (DSGV) organisierten Sparkassen und Genossenschaftsbanken in Deutschland.

Konkurs bleibt eine Möglichkeit

Bankaufsichtsrechtlich ist ein Institutssicherungssystem eine vertragliche oder gesetzliche Haftungsvereinbarung, die die Mitgliedsinstitute schützt und sicherstellt, dass sie über die erforderliche Liquidität und Solvenz verfügen, um gegebenenfalls einen Ausfall zu vermeiden. Ob es von den zuständigen nationalen Behörden offiziell als Einlagensicherungssystem anerkannt werden kann, richtet sich nach Voraussetzungen, die in Art. 113(7) der Kapitaladäquanzverordnung („Capital Requirements Regulation“, CRR) festgelegt und in einer Leitlinie der Europäischen Zentralbank weiter spezifiziert sind. Sie zielen auf die beiden Schlüsselfunktionen von Institutssicherungssystemen: Diese müssen in der Lage sein, eine wirksame Risikoüberwachung durchzuführen (Ex-ante-Krisenprävention) und angemessene Unterstützung zu leisten, um die negativen Folgen zu minimieren, wenn Mitgliedsinstitute nicht mehr überlebensfähig sind (Ex-post-Krisenmanagement). CRR-Artikel 113(7) verlangt weiter, dass Institutssicherungssysteme „zur Unterstützung bereit sind“, aber verpflichtet sie nicht, ausfallende Banken bedingungslos zu unterstützen und einen Konkurs zu verhindern. So bedarf z. B. jede Unterstützung deutscher Sparkassen durch ihr Insti­tutssicherungssystem der vorherigen Zustimmung des DSGV-Entscheidungsgremiums.

Institutssicherungssysteme umfassen in der Regel lokale, regionale und zentrale Banken. Lokale Banken haben Zweigstellen, nehmen Einlagen entgegen und vergeben Kredite in ihrem jeweiligen Gebiet. Regionale und zentrale Banken (z. B. Landesbanken) übernehmen überregionale Funktionen wie Wertpapierhandel, Handelsfinanzierung, Devisengeschäfte, Derivatehandel und Hedging sowie Zahlungsverkehrsoperationen. Die lokalen Mitgliedsbanken sind traditionell Eigentümer und Nettogläubiger der zentralen Banken. Lokale Mitgliedsbanken leihen ihre überschüssigen Mittel aus dem Einlagengeschäft häufig an zentrale Banken innerhalb des Institutssicherungssystems aus.

Die Bankenregulierung unterscheidet grundsätzlich zwischen Vorschriften für individuell operierende Einzelbanken und für in einem Konzernverbund organisierte Banken. Die regulatorische Einordnung von Institutssicherungssystemen ist nicht einfach, weil diese beide Merkmale aufweisen. Die heutige Regulierung von Institutssicherungssystemen ist unseres Erachtens durch signifikante Privilegierungen, die im Folgenden beschrieben werden, gekennzeichnet.

Da lokale Mitgliedsbanken sowohl Eigentümer als auch in der Regel große Gläubiger der Zentralinstitute sind, bestehen zwischen den angeschlossenen Mitgliedsbanken erhebliche Risiken in Form von Schuld- und Eigenkapitalforderungen. In Bezug auf diese Risiken genießen die Mitgliedsbanken von Institutssicherungssystemen in der prudentiellen Bankenregulierung eine Vorzugsbehandlung, denn es gelten hier Erleichterungen wie sonst nur für Konzernverbünde: So sind netzwerkinterne Engagements nicht durch Großkreditgrenzen beschränkt und auch die Eigenkapitalanforderungen fallen für Mitgliedsinstitute geringer aus, weil die Nullgewichtsregelung auf Engagements zwischen Mitgliedern angewendet wird.

Behandlung wie Einzelbank

Zugleich werden diese jedoch regulatorisch als Einzelbanken beaufsichtigt, obwohl sie aufgrund der gemeinsamen Risikoüberwachung und der Pflicht zur gegenseitigen Unterstützung deutliche Ähnlichkeiten zu einem Konzernverbund aufweisen. Das Institutssicherungssystem als Ganzes wird nicht als Bankinstitut angesehen, das als operative Einheit der Bankenregulierung und -aufsicht unterliegt. Die Mitglieder bilden keine konsolidierte Bankengruppe, sie werden also weder aus aufsichtsrechtlicher noch aus bilanz- oder kartellrechtlicher Sicht als eine solche angesehen.

Die aufsichtsrechtliche Behandlung von IPS-Mitgliedern als Einzelbanken bewirkt, dass ein Institutssicherungssystem weder einem Stresstest noch einem gruppenweiten aufsichtlichen Überprüfungs- und Bewertungsprozess („Supervisory Review and Evaluation Process“, SREP) durch die Europäische Zentralbank (EZB) unterliegt. Ungeachtet ihrer Größe werden Institutssicherungssysteme auch nicht von der EZB beaufsichtigt. Der Einheitliche Aufsichtsmechanismus („Single Supervisory Mechanism“, SSM) spielt entsprechend bei der Beaufsichtigung der Institutssicherungssysteme keine Rolle – diese Aufgabe verbleibt vollständig bei den national zuständigen Behörden. Nur Mitgliedsbanken, die für sich genommen bereits groß genug sind, um unter die direkte EZB-Aufsicht innerhalb des SSM zu fallen (z. B. große Landesbanken), unterliegen der supranationalen Aufsicht in der Bankenunion. Ein Institutssicherungssystem als Ganzes unterliegt auch nicht der Abwicklungsrichtlinie („Bank Recovery and Resolution Directive“, BRRD) und somit auch nicht dem Eingreifen des Einheitlichen Abwicklungsausschusses („Single Resolution Board“, SRB) im Falle einer schweren Krise des IPS. Auch hier gilt die BRRD nur für einzelne Mitgliedsinstitute, nicht aber für das Institutssicherungssystem insgesamt.

Eingeschränkter Wettbewerb

Zum Jahresende 2021 waren in Deutschland 376 Sparkassen und 772 Genossenschaftsbanken tätig, die in ihren jeweiligen Netzwerken koordiniert arbeiten. Unter Beachtung des sogenannten Regionalprinzips, also der Abgrenzung von Aktivitätsregionen, decken DSGV und BVR die gesamte Republik ab. Wettbewerb findet nur zwischen den Netzwerken und den privaten Banken, nicht aber innerhalb der Netzwerke statt.

Den Einlegern und allen weiteren Gläubigern einer Bank, die Mitglied eines Institutssicherungssystems ist, wird für den Fall der Zahlungsunfähigkeit dieser Bank eine vollständige Deckung zugesagt, unabhängig von der Höhe der Forderung. Dies liegt daran, dass die betreffende Bank im Falle eines erheblichen Vermögens- oder Betriebsverlusts umstrukturiert, rekapitalisiert oder mit einer anderen Mitgliedsbank des Institutssicherungssystems verschmolzen wird. Weder die Rekapitalisierung noch die Fusion haben Auswirkungen auf die Verbindlichkeiten der in Schwierigkeiten geratenen Bank, so dass alle Gläubiger des Instituts, einschließlich der Einleger, geschützt sind.

Die Schutzverpflichtung eines Institutssicherungssystems geht damit weit über den Schutz hinaus, der durch das obligatorische Einlagensicherungssystem abgedeckt wird. Art. 4(1) und 6(1) der Einlagensicherungsrichtlinie („Deposit Guarantee Schemes Directive“, DGSD) verpflichten die Mitgliedstaaten, lediglich Einlagensicherungssysteme mit einer Deckungssumme von 100.000 Euro pro Einleger und Bank einzuführen und anzuerkennen. Die Institutssicherung im Rahmen eines Institutssicherungssystems umfasst diesen Schutz und deckt darüber hinaus alle Gläubiger in den Bilanzen der Mitgliedsbanken ab. Folgerichtig können Institutssicherungssysteme, die die Anforderungen der CRR, Art. 113(7) erfüllen, als Einlagensicherungssysteme anerkannt (DGSD, Art. 4(2)) und somit in das europäische Einlagensicherungssystem eingebettet werden.

Letztlich doch begrenzt

Das unbegrenzte Schutzversprechen der großen und systemrelevanten Institutssicherungssysteme wie des deutschen Sparkassen- und des Genossenschaftsbankensektors basiert allerdings auf einem schwachen Fundament: Letztlich ist das Sicherungsversprechen durch die aggregierte Finanzkraft beziehungsweise das verfügbare Eigenkapital des Institutssicherungssystems begrenzt. Eine konsolidierte Bankengruppe bietet vor diesem Hintergrund einen glaubwürdigeren Schutz, weil sie aufgrund der Vorschriften für bedeutende Institutionen mehr Eigenkapital vorhalten muss und weil ihr regulatorisches Eigenkapital uneingeschränkt zum Schutz der Gläubiger bereitsteht, ohne dass diese gruppenweite Unterstützung – wie bei einem Institutssicherungssystem – der Genehmigung einzelner Verbundmitglieder bedarf.

Die Analyse und Bewertung der regulatorischen Behandlung von Institutssicherungssystemen haben aber auch ihre Stärken zu berücksichtigen. Erstens können Institutssicherungssysteme starke interne Überwachungs- und Frühwarnsysteme entwickeln, die es den Mitgliedsbanken ermöglichen, frühzeitig reorganisiert bzw. umstrukturiert zu werden. Zweitens ist ein Institutssicherungssystem aufgrund der dezentraleren Entscheidungsstruktur möglicherweise weniger anfällig für große Klumpenrisiken. Diese potentiellen Stärken gehen jedoch mit handfesten Nachteilen einher.

Anfällig für Fehlanreize

Die dargelegten Haftungsvereinbarungen machen Institutssicherungssysteme anfällig für Fehlanreize. Das Vertrauen auf die Institutssicherung hebelt einen zentralen Wirkungsmechanismus zur Begrenzung der Risiken im Bankensystem aus: die Marktdisziplin. Da die Fremdkapitalkosten trotz hoher Risiken nicht steigen, werden etwa Geschäftsleiter lokaler Institute dazu ermutigt, höhere Risiken einzugehen, als es die Eigenkapitalausstattung ihrer Bank rechtfertigt. Um dieses Risiko auszugleichen, haben IPS innerhalb ihres Netzwerks einen formellen Aufsichtsprozess eingeführt, der die Aktivitäten der angeschlossenen Institute überwacht und so die Risikobereitschaft auf der Ebene der einzelnen Bank begrenzt. Über die Wirksamkeit und Effektivität dieser Maßnahmen gibt es allerdings keine wissenschaftlich gesicherten Erkenntnisse; während der Finanzkrise 2008 waren die Sicherungssysteme des öffentlich-rechtlichen Bankensektors nicht in der Lage, die hohen Verluste der Landesbanken rechtzeitig zu erkennen und zu begrenzen.

Ein grundsätzlicher Kritikpunkt an den Institutssicherungssystemen ist ihre weitgehende Unvereinbarkeit mit den Zielen der Abwicklungsrichtlinie BRRD im Hinblick auf die Wiederbelebung der Marktdisziplin bei der Steuerung des Risikoverhaltens von Banken. Grundsätzlich sind Institutssicherungssysteme nicht mit dem als Kerngedanke der BRRD niedergelegten Konzept des Bail-In vereinbar. Ebenso ist das vorgesehene Abwicklungsverfahren mit weitreichenden Befugnissen der Abwicklungsbehörden kaum vereinbar mit den bankinternen Governance-Regeln in der Welt der Institutssicherungssysteme – diese sind dem Zugriff der nationalen und europäischen Abwicklungsbehörden weitgehend entzogen.

Die Schutzzusage an die angeschlossenen Mitglieder ist weiterhin von fragwürdiger Belastbarkeit, weil sie von einer qualifizierten Mehrheitsentscheidung aller Mitgliedsinstitute im Einzelfall abhängt. Die Verweigerung einer solchen Zustimmung kann im Fall von großen Verlusten den Staat unter Zugzwang setzen und dazu führen, dass der Steuerzahler für die Verluste aufkommen muss.

Hohe systemische Risiken

Weiterhin steht die Sicherungszusage von Institutssicherungssystemen auch deshalb auf schwachen Füßen, weil die Risiken der angeschlossenen Mitglieder hoch korreliert sind und wenig Diversifikationspotenzial aufweisen. Das ganze System ist durch systemische Risiken bedroht: Alle Sparkassen und Genossenschaftsbanken werden durch Verlustrisiken im Fall einer adversen Zinsentwicklung oder eines deutlichen Rückgangs der Immobilienpreise bedroht. Institutssicherungssysteme sind so konzipiert, dass die Mitglieder nicht miteinander konkurrieren und strukturell ähnlich aufgestellt sind. Dadurch sind sie im Vergleich zu anderen Banken vergleichsweise hohen systemischen Risiken ausgesetzt, die möglicherweise nicht durch die Eigenmittel des Institutssicherungssystems, sondern nur durch den Steuerzahler getragen werden können.

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