Regulierung

BaFin dehnt den Wirkungskreis aus

Aufgeschreckt vom Skandal um Wirecard prüft die BaFin verstärkt die Einstufung von Unternehmensgebilden mit integrierter Bank als Holding. Neben der Deutschen Börse und dem Fintech N26 ist mit BMW Financial Services nun ein Autofinanzierer ins Blickfeld der Aufseher gerückt.

BaFin dehnt den Wirkungskreis aus

Von Bernd Neubacher, Frankfurt

Wer Gesellschaften, die hierzulande mit einer Bank und anderen Rechtseinheiten agieren, dieser Tage nach ihrer aufsichtlichen Einstufung fragt, der kann etwas erleben. Denn in der Regel erhält er Antworten, die nicht in der Kommunikations-, sondern gleich in der Rechtsabteilung verfasst wurden und folglich nicht unbedingt der restlosen Aufklärung dienen. So teilt Siemens Financial Services mit, dass man „das Thema finanzmarktrechtliche Konsolidierung im Blick hat und keinen Konsolidierungstatbestand als erfüllt betrachtet“, BMW Financial Services raunt, man stehe in einem „regelmäßigen Austausch mit der BaFin, der auch allgemeine aufsichtsrechtliche Anfragen um­fasst“, Toyota Financial Services und PSA Finance wollen sich lieber gleich gar nicht äußern.

Die Aufsicht macht mobil

Man muss schon schwer zwischen den Zeilen lesen, um aus den dürren Worten zu schließen, was Sache ist: Aufgeschreckt durch den Wirecard-Skandal hat die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) mobil gemacht und leuchtet nun die Ränder ihres Blickfeldes aus, Spötter könnten auch sagen: das Unbekannte jenseits des Tellerrands. Das Treiben Wirecards hatte auch der Umstand begünstigt, dass allein die Wirecard Bank unter Finanzaufsicht der BaFin gestanden hatte, im Gegensatz zum großen Rest des Dax-Konzerns, der als Technologiegruppe und eben nicht als Finanzholding galt – an der entsprechenden Einstufung durch die BaFin war die Bundesbank beteiligt, und die Europäische Zentralbank (EZB) hatte dagegen zumindest nicht interveniert.

Noch einmal will sich die BaFin freilich nicht vorwerfen lassen, sie habe ihre Sicht zu stark verengt und damit Unheil heraufbeschworen. Daher steigt sie nun vermehrt Gebilden aufs Dach, die wie jahrelang die Wirecard-Gruppe zwar mit einer Bank unter Finanzaufsicht der BaFin standen, großteils aber außerhalb. Wie die Antwort des Bundesfinanzministeriums auf Anfrage des grünen Bundestagsabgeordneten Danyal Bayaz jüngst zutage förderte, prüft die Behörde bei 16 Unternehmen, ob eine Einstufung als Finanzholding in Frage kommt. In drei Fällen sei diese Notwendigkeit bereits festgestellt, in vier Fällen sei sie verneint worden, heißt es. Neun Fälle befänden sich noch in der Prüfung.

Zwei Häuser, deren Einstufung als Holding die Aufsicht plant, die Deutsche Börse und das Fintech N26, sind in Medien bereits geoutet worden. Nach Informationen der Börsen-Zeitung muss auch BMW Financial Services, deren mit einer Banklizenz ausgestattete BMW Bank GmbH der laufenden Aufsicht der BaFin untersteht, mit einer Neueinstufung rechnen. Dies hätte zumindest deutlich erhöhte Meldepflichten, entsprechenden Mehraufwand und potenziell andere Kapitalanforderungen zur Folge. Demnach liegt in München bereits eine Anfrage der BaFin zur Selbsteinstufung vor. Zur Erklärung: Die BaFin verweist darauf, dass die Gesellschaften mit Hilfe ihres Prüfers zunächst eine Selbsteinstufung vornehmen. Welche die BaFin dann gegebenenfalls korrigieren mag. Die BaFin hat also nicht nur den Fintech-Sektor und Börsenbetreiber, sondern auch konzerngebundene Autobanken im Visier.

„Regelmäßiger Austausch“

Der „regelmäßige Austausch mit der BaFin, der auch allgemeine aufsichtsrechtliche Anfragen umfasst“, über welchen BMW Financial Services auf Anfrage nun informiert, erinnert im Duktus doch sehr an den „engen und kooperativen Austausch“ mit Regulierungs- und Aufsichtsbehörden, den kürzlich schon N26 auf Anfrage von Reuters hervorgehoben hat. Das Herumeiern beider Firmen hat seinen Grund: Solange ein Verfahren noch läuft und ein Bescheid der Aufsicht aussteht, will sich niemand mit klaren Ansagen aus dem Fenster lehnen. Denn sollte die BaFin etwa zunächst Medien entnehmen dürfen, dass sich ein Haus mit seiner bisherigen Selbsteinstufung auf der sicheren Seite wähnt, muss dies das Verfahren nicht unbedingt günstig beeinflussen. Lässt dagegen Siemens Financial Services auf Anfrage durchblicken, man sehe sich nicht als Holding, und erklärt wiederum Daimler Mobility, dass man sich bereits als Finanzholding-Gesellschaft einstuft, darf man dagegen zumindest davon ausgehen, dass bei diesen Töchtern von Dax-Konzernen die Holding-Frage derzeit nicht oben auf der Agenda steht. Recht offen geht mit dem Thema inzwischen auch die Deutsche Börse um. Deren Chef Theodor Weimer zeigte sich auf der Bilanzpressekonferenz am Donnerstag verwundert über den neuen Ansatz der BaFin und störte sich auch daran, dass in diesem Zusammenhang der Name des Marktbetreibers öffentlich in einem Atemzug mit Wirecard genannt wird. Erst im September 2020 sei die Börse auf Basis der BaFin-Prüfungen nicht als Finanzholding eingestuft worden. Bei Juristen ist allerdings zu hören, es sei vielmehr „kaum nachvollziehbar“, warum die Börse erst jetzt auf den Radar der BaFin gekommen sei. Familienunternehmen wie Werhahn und Würth, zu denen ebenfalls Banken gehören, werden dort als Kandidaten gehandelt, denen sich die BaFin ebenfalls widmen könnte.