LEITARTIKEL

Abgehängt

15 %, 23 %, 22 %. Nein, dies sind nicht die jüngsten Kapitalquoten der Deutschen Bank, sondern chronologisch die prozentualen Ertragsrückgänge binnen Jahresfrist, die das Haus in den zurückliegenden Quartalen im Handel mit Festverzinslichen,...

Abgehängt

15 %, 23 %, 22 %. Nein, dies sind nicht die jüngsten Kapitalquoten der Deutschen Bank, sondern chronologisch die prozentualen Ertragsrückgänge binnen Jahresfrist, die das Haus in den zurückliegenden Quartalen im Handel mit Festverzinslichen, Währungen und Aktien sowie ihrem Finanzierungsgeschäft verbucht hat. Wie viele weitere solcher Quartale kann sich das Institut in seiner einstigen Parade-Disziplin leisten?In der Bank weist man zu Recht darauf hin, dass eine breit angelegte Flaute im Handel zuletzt allerorten die Einnahmen dezimierte. Das Problem aber ist, dass die Bank über Jahre hinweg, in denen sie erst auf strategischen Abwegen wandelte und später vor allem mit sich selbst beschäftigt war, jenseits zyklischer Schwächen rapide an Bedeutung verloren hat, und zwar im gesamten Kapitalmarktgeschäft.”Wir wollen die führende kundenorientierte globale Universalbank sein”, behauptet das Institut tapfer weiter. Die Zahlen entlarven diesen Anspruch zunehmend als absurd: Im globalen Investment Banking ist der Marktanteil seit 2012 Dealogic zufolge von 5,1 % auf 3,2 % zusammengeschnurrt. Auch europaweit ist das Haus abgerutscht – im Aktienemissionsgeschäft von Rang zwei auf Rang sieben und im Segment Debt Capital Markets von eins auf vier. Im US-Investment-Banking liegt man nur auf Rang zehn. Dies sind strukturelle Verschiebungen – die Deutsche Bank ist abgehängt worden. Dies spiegelt sich im Börsenwert, der mit gut 30 Mrd. Euro etwa jenen des bayerischen Zahlungsabwicklers Wirecard um gerade einmal das Anderthalbfache übersteigt.Die Fehler der Vergangenheit kann Deutsche-Bank-Chef John Cryan nicht rückgängig machen. Als Sanierer gekommen, hat er die Bank in den vergangenen zweieinhalb Jahren so konsequent durchgerüttelt, wie dies wohl nur einem Manager ohne Stallgeruch und mit abgeschlossener Vermögensbildung möglich ist. Nun muss der kleine Brite mit den großen Tränensäcken, der nach einer Vertragsverlängerung über 2020 hinaus der Welt nur allzu gerne beweisen würde, dass seine Strategie für eine Ergebniswende aufgeht, aber aufpassen, Fehler der Vergangenheit nicht zu wiederholen. Schon seine Vorgänger Anshu Jain und Jürgen Fitschen hatten an der Ausrichtung der Handelsaktivitäten festgehalten, im Glauben, die Reregulierung des Finanzsektors aussitzen zu können. Und der Vorstand um Cryan will nun, obwohl das Haus den dritten Jahresverlust in Folge zeigt, wieder Boni in Milliardenhöhe zahlen, in der Hoffnung, ein Aufschwung im Kapitalmarktgeschäft möge dies bald im Nachhinein rechtfertigen. Das Kalkül kann aufgehen. Nur spricht im Moment nicht viel dafür. Wer im Waggon sitzt, merkt anders als Außenstehende ja oft zuletzt, und zu spät, wie er, nachdem er abgehängt wurde, erst mählich, dann zunehmend rascher Fahrt verliert.Cryan bemäntelt die Einmalzahlungen als Investitionen. Damit lässt er die von ihm bisher demonstrierte Konsequenz im Handeln vermissen – nichts ist von der Idee variabler Leistungsanreize weiter entfernt, als vorab Leistung zu vergüten, die noch zu erbringen ist. Die Bank leistet sich einen Rückfall in vergangene Tage, als sie hohe Boni nach guten Jahren zahlte, um Leute zu belohnen, und in schlechten, um diese zu halten – während die Aktionäre durch die Finger schauen. Das noch immer auf Gedeih und Verderb seiner Investmentbank ausgelieferte Institut kauft sich, ganz im Stil der europäischen Geldpolitik, per Helikopter Zeit, um folgenreiche Entscheidungen hinauszuzögern.Zumindest fürs Erste dürfte es tatsächlich nicht nur risikoärmer, sondern sogar betriebswirtschaftlich günstiger sein, Milliardenboni auszuschütten, als den Anspruch einer globalen Universalbank der Realität anzupassen, die nächste Restrukturierung einzuläuten, die entsprechenden Kosten zu schultern und abermals einem damit verbundenen Ertragsschwund hinterher zu sparen. Wenn der Umbau aber kommen muss, treibt Zuwarten nur die Kosten auf längere Sicht. Apropos: Ihr am Freitag abermals revidiertes Kostenziel für 2018 gibt die Bank schon seit der 8 Mrd. Euro schweren Kapitalerhöhung im vergangenen März nurmehr in absoluten Zahlen an, nachdem sie zuvor mit einer Aufwandsquote von 70 % die Kosten noch in ein konkretes Verhältnis zu den Einnahmen gesetzt hatte. Die Ertragsperspektiven aber sind unklarer denn je.Die Zeit, die sich der Vorstand gekauft hat, läuft rasch ab. Dies dürfte sich schon am 24. Mai auf einer turbulenten Hauptversammlung zeigen.——–Von Bernd NeubacherMit ihrer Entscheidung, ungeachtet des dritten Jahresverlusts in Folge milliardenschwere Boni zu zahlen, will sich die Deutsche Bank Zeit kaufen.——-