Versicherungswirtschaft

Änderungen bei Solvency II wirken sich kaum aus

Die politische Einigung über die Reform des Aufsichtsregimes Solvency II dürfte nur geringe Auswirkungen auf die deutschen Versicherer haben. Frühere Vorstellungen der europäischen Versicherungsaufsicht EIOPA und der EU-Kommission hätten die Versicherer hierzulande stärker belastet.

Änderungen bei Solvency II wirken sich kaum aus

Änderungen bei Solvency II wirken sich kaum aus

Deutsche Versicherer werden durch die moderaten Anpassungen am Aufsichtsregime im aktuellen Zinsumfeld nur geringfügig belastet

Die politische Einigung über die Reform des Aufsichtsregimes für Versicherer Solvency II wird zwar viele technische Änderungen bringen. Dadurch werden deutsche Versicherer aber bei der Kapitalunterlegung kaum belastet. Der erhoffte Push bei den Investitionen in den Green Deal dürfte damit ausbleiben.

Von Thomas List, Frankfurt

Die Auswirkungen der Überprüfung von Solvency II auf die deutsche Versicherungswirtschaft dürften überschaubar sein. Am 13. Dezember hatten sich EU-Parlament, Rat und Kommission im sogenannten Trilog auf politische Eckpunkte geeinigt. Außerdem wurde festgelegt, was in der Richtlinie und was auf den anderen Gesetzesebenen, insbesondere von der Kommission in delegierten Rechtsverordnungen, beschlossen wird. Eine wesentliche Änderung bei den Kapitalanforderungen nach Solvency II betrifft bei den technischen Rückstellungen die Absenkung der Kapitalkostenquote für die Risikomarge von 6% auf 4,75%. Technische Rückstellungen werden in allen Versicherungssparten für zukünftige Verpflichtungen gebildet, etwa in der Kfz-Versicherung für Schadenzahlungen oder in der Lebensversicherung für lebenslange Renten.

Die Risikomarge ist eine Art Sicherheitspuffer auf die geschätzten technischen Rückstellungen. Die Kapitalkostenquote ist ein zentraler Faktor für die Berechnung der Risikomarge. Die Absenkung dieser Quote von 6% auf 4,75% bedeutet eine rund 20-prozentige Verringerung der Risikomarge und damit eine erhebliche Entlastung aller Versicherungssparten. Nach Verständnis des Branchenverbandes GDV bleibt der Satz mindestens fünf Jahre nach Inkrafttreten der Richtlinie konstant. Danach könne die Kommission ihn verändern – allerdings nur in einem vorgegebenen Band von 4 bis 5%.

Bis zu 100 Mrd. Euro

Die beschlossenen Änderungen von Solvency II sollen bis zu 100 Mrd. Euro Kapital freisetzen, hat die EU-Kommission nach der Trilog-Einigung verkündet. Allerdings ist das eine grobe Schätzung über alle Sparten für ganz Europa, die auf einer zwei Jahre alten Analyse der Kommission beruht. Damals waren die wirtschaftlichen Verhältnisse, nicht zuletzt das Zinsniveau, noch gänzlich andere. Für den deutschen Markt hat der GDV nie Entlastungen erwartet, die auch nur annähernd in diese Größenordnung gekommen wären. „Aktuell gehen wir von einer geringen Kapitalentlastung für den deutschen Markt aus“, sagte Götz Treber, Leiter Kompetenzzentrum Unternehmenssteuerung und Regulierung beim GDV, der Börsen-Zeitung.

Insgesamt zeigt sich die deutsche Versicherungswirtschaft erleichtert, dass weder die ursprünglichen Vorstellungen der europäischen Versicherungsaufsicht EIOPA noch die bereits abgemilderten Vorschläge der Kommission umgesetzt werden. Denn die Verschärfung der Kapitalanforderungen hätte zumindest im Niedrigzinsumfeld zu einer erheblichen Belastung vor allem für die deutschen Lebensversicherer geführt, heißt es beim GDV. Das hätte es den deutschen Versicherern schwergemacht, zur (grünen) Transformation beizutragen, so die Argumentation des Verbandes damals. Jetzt dürfte die nochmals abgemilderte Trilog-Einigung und das veränderte wirtschaftliche Umfeld in der deutschen Assekuranz zu einer „schwarzen Null“ bei der Kapitalunterlegung führen, erwartet der GDV.

Zahlungsflüsse diskontieren

Zur Bewertung der versicherungstechnischen Rückstellungen in der Lebensversicherung müssen die Zahlungsflüsse diskontiert werden. Für die Diskontierungssätze werden bei Solvency II die risikofreien Zinssätze auf den Finanzmärkten herangezogen. Diese Zinssätze sind aber für sehr lange Laufzeiten – in der Lebensversicherung bis zu 80 Jahre – kaum zu beobachten. Daher wird unter Solvency II aus den kurzfristigen Zinsen ein langfristiger Gleichgewichtszinssatz hergeleitet (Extrapolationsverfahren).

Dieses Verfahren wird auf Wunsch von EIOPA geändert – zum Missfallen des GDV, der an dem (bisherigen) Verfahren die große Stabilität der langfristigen Zinsen schätzte. Das neue Verfahren hängt stark vom Konvergenzparameter ab, der angibt, wie schnell der langfristige Gleichgewichtszins erreicht wird. Je höher dieser Parameter ist, umso näher kommt man dem aktuellen stabilen Verfahren und umso stabiler sind die langfristigen Zinsen. Die Kommission wollte 10%, der GDV 15 bis 20%.

Auch dieser Parameter kommt, wie die Risikomarge, in die Richtlinie – nicht expressis verbis, sondern umschrieben, was in der Konsequenz einen Konvergenzparameter von 11% bis 12% bedeutet. Das ist für den GDV ein „sehr positives“ Ergebnis. Das verschärfte Verfahren werde für deutsche Versicherer komplizierter, und die Schwankung langfristiger Verbindlichkeiten werde etwas zunehmen. Den genauen Prozentsatz bestimmt die Kommission in einer delegierten Verordnung.

Dieser Einigung folgt noch eine technische Einigung, die dann in die Änderung der Richtlinie fließt (Level 1). Diese setzt dann die Kommission in delegierte Rechtsakte um (Level 2). Schließlich transferieren die Mitgliedstaaten die geänderte Richtlinie in die nationale Gesetzgebung.

Von Thomas List, Frankfurt
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