Bernd Fislage, Kommunalkredit Austria

„Anleger kommen, weil das Gewissen drückt“

Das Spezialinstitut für Infrastrukturfinanzierung sieht sicht gut gerüstet. Die Zahlen für 2022 bestätigen die Resilienz der Bank, so CEO Fislage. Herausforderungen kommen aus der Regulierung.

„Anleger kommen, weil das Gewissen drückt“

Herr Fislage, von der weltweiten Pandemie über den Ukraine-Krieg bis hin zur steigenden Inflation herrschten 2022 schwierige Bedingungen. Wie ist die Kommunalkredit da durchgekommen?

Das vergangene Jahr hat gezeigt, dass die Bank die Resilienz ihres Geschäftsmodells unter den schwierigen vorherrschenden Bedingungen bewiesen hat. Im Geschäftsjahr 2022 erwirtschaftete die Kommunalkredit ein Konzernergebnis von 78,2 Mill. Euro nach 2021 48,9 Mill. Euro. Die letzten Monate haben einmal mehr die Relevanz essenzieller und nachhaltiger Infrastruktur unterstrichen, einerseits für Agenden wie der Digitalisierung und des Green Deals, andererseits, um eine größere Unabhängigkeit und Diversifikation von russischen Energiequellen und die Vermeidung weiterer Lieferkettenunterbrechungen zu gewährleisten.

Sind Sie wieder über die Marke von 2 Mrd. Euro beim Neugeschäftsvolumen ge­kommen?

2022 haben wir mit 1,98 Mrd. Euro ganz knapp darunter gelegen, dies vor dem Hintergrund des höheren Zinsumfelds und unserer weiterhin diszipliniert konstant strengen Risiko-/Rendite-Anforderungen. Dies be­deutet im Umkehrschluss, dass wir trotz minimal niedrigeren Neugeschäftsvolumens mehr Ertrag erwirtschaftet haben. Unser Fokus liegt nicht auf Volumen, sondern auf Rentabilität.

Wie entwickelt sich die Nachfrage nach Infrastrukturkrediten?

Megatrends wie Digitalisierung, Dekarbonisierung und demografischer Wandel erhöhen den Bedarf an nachhaltigen Lösungen. Wir sehen die starke Nachfrage nach der Finanzierung erneuerbarer Energien in den Anfragen und in unserer Akquisitionstätigkeit. Es ist dafür auch irre viel Geld am Markt vorhanden.

Als eher kleiner Player mit einer Bilanzsumme von 4,4 Mrd. Euro können Sie nicht alles machen. Worauf achten Sie besonders?

Für uns geht es darum, die Preise und Menge zu steuern und damit die Marge hoch zu halten. Es scheint aber bei einigen im Markt noch nicht angekommen zu sein, dass die Kosten der Refinanzierung extrem gestiegen sind.

Welche Konsequenzen haben die gestiegenen Energiepreise?

Generell steigt dadurch die Volatilität im Portfolio. Es kommt darauf an, wie Kunden auf der Einkaufs- und auf der Verkaufsseite positioniert sind. Es gibt eine besondere Herausforderung für Kunden, die Energie billig verkauft haben und jetzt teuer zurückkaufen müssen. Der Großteil dieser Kunden sind klassische, große Versorger, die aber nicht unser Geschäft sind.

Wie sieht es bei Ihnen aus?

Wir finanzieren gezielte Investitionen in die Infrastruktur. Also keine internationalen Solarpark-Unternehmen, sondern einzelne Parks.

Immobilien und Infrastruktur werden oft in einem Atemzug genannt. Ist der korrekt?

Nein, die Segmente sind völlig unterschiedlich. Immobilienprojekte haben relativ wenig Eigenkapital und damit einen viel höheren Leverage. Deshalb trifft die Zinswende die Infrastrukturseite weniger. Bei Infrastruktur kommt es auch nicht auf Wertsteigerungen der Objekte an, sondern entscheidend ist die Nachfrage – und die ist nach erneuerbaren Energien wegen der Transformation nicht begrenzt.

Sie bieten 1,25% Tagesgeld. Das ist attraktiv, aber kein Spitzenwert. Warum machen Sie als Spezialbank so etwas?

Wir sind am Kapitalmarkt gut unterwegs und werden unsere Aktivitäten weiter ausbauen. Aber auch wir brauchen eine Refinanzierung über Einlagen und verschließen nicht die Augen, dass die Zentralbank die Zinsen wieder angehoben hat. Durch das gestiegene Zinsniveau sind wir in der Lage, unseren Kunden einen besseren Zinssatz zu bieten, und haben für die Bank gleichzeitig eine attraktive Refinanzierung.

Das ist doch aber nicht Ihr Geschäftsmodell, oder?

Nein, wir sind keine Direktbank für Retailkunden und wollen beim Tagesgeld nicht Marktführer werden. Interessant ist aber, dass die Anleger zu uns kommen, weil das grüne Gewissen drückt. Die Kommunalkredit ist in Österreich bekannt wie ein bunter Hund für nachhaltige Finanzierungen, und wenn sie eine Förderung beantragen, landen sie bei unserer Tochtergesellschaft Kommunalkredit Public Consulting. Daher fließt mit 1,25 % wirklich sehr viel Geld rein. Taggelder sind im ersten Moment aber nur eine Bilanzverlängerung und helfen uns nicht im eigentlichen Geschäftsmodell, da wir langfristig ausleihen. Daher ist es die spannende Aufgabe, die Mittel in Festgelder zu transformieren.

Beim Thema Infrastruktur haben Sie viel mit Genehmigungen und staatlichen Finanzierungen zu tun. Was sollte sich ändern?

Man sollte mehr privates Kapital als Booster zur Finanzierung der erneuerbaren Energien nutzen. Es ist nicht sinnvoll, wenn es Verzögerungen gibt, weil beispielsweise Covid-Hilfen auslaufen und auf neue Subventionen gewartet wird. Das kann dazu führen, dass Entscheidungen zu lange hinausgeschoben werden und Projekte nicht mehr wie geplant realisiert werden können.

Sollten Regeln geändert werden?

Die Regulatoren müssen mehr Sicherheit für Investitionen schaffen. Eine besonders große Herausforderung sind aber die Bürgerbeteiligungsverfahren. Die haben sicherlich ihre Rechtfertigung. Aber es ist sehr heikel, wenn eine Demokratie vom Borkenkäfer über den Frosch alles schützen und keiner ein Windrad vor der Nase haben will. Dann kommt man nicht weiter.

Ist das überall gleich?

Bürgerbeteiligungen gibt es in fast allen Ländern. Aber es gibt auch große Unterschiede, beispielsweise bei der Installation von Fotovoltaik im Privathaus. Jeder würde sich wünschen, dass man das nur anmeldet und keinen Antrag stellen muss. In der Schweiz ist das unproblematisch, in den meisten Ländern nicht.

Was ist die Lösung?

Ich fürchte, dass man bestimmte Rechte zurückschneiden muss, um den dringend notwendigen Ausbau von erneuerbarer Energie rascher umzusetzen. Es braucht Erleichterungen bei Flächenumwidmungen, bei Genehmigungsverfahren, einen entsprechenden Netzausbau und insgesamt sichere regulatorische Rahmenbedingungen.

Welche Rolle spielt es für das Haus, dass der Investor Patrick Bettscheider mit den Investmentfirmen Interritus und Trinity jetzt die Anteile überwiegend an einen Finanzinvestor verkauft hat?

Wir sehen hier in erster Linie Chancen. Denn wir teilen mit unserem künftigen neuen skandinavischen Mehrheitseigentümer Altor die Vision einer nachhaltigen Zukunft. Gemeinsam verfügen wir über umfassendes Know-how bei der Finanzierung von grünen bzw. nachhaltigen Projekten, die Mehrwert für die Gesellschaft generieren.

An welcher Stelle hilft der Bank die angestrebte Erhöhung des Eigenkapitals von 100 Mill. Euro?

Mit der avisierten Kapitalstärkung durch unseren neuen Mehrheitseigentümer werden wir Skaleneffekte realisieren, in Wachstum investieren und stärkeren Impact generieren.

Das Interview führte

BZ+
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