Anleihegläubiger bereiten Schadenersatzklage vor
– Frau Herrmann, die HSH Nordbank hat angekündigt, ihre Kapitalbasis umzustrukturieren und auf Anleihegläubiger zuzugehen. Wie sehen Sie die Pläne?Die HSH Nordbank plant nach dem Vollzug ihres Verkaufs eine Neuordnung ihrer regulatorischen Kapitalbasis. Sie hat angekündigt, dass dies möglicherweise zu einer Kündigung oder einem Rückkaufangebot aller begebenen Hybridkapitalinstrumente führen könnte. Was die Bank tatsächlich machen wird, ist fraglich. Bislang hat die Bank keine Gesprächsbereitschaft signalisiert, obwohl die Anleihegläubiger mehrfach Kontakt aufgenommen haben. Wir stellen uns deshalb auch auf eine streitige Auseinandersetzung ein.- Wen vertreten Sie?Wir vertreten Anleihegläubiger aus Deutschland, dem europäischen Ausland und den USA mit einem Anleihevolumen von nominal 1 Mrd. Euro. Ausgegeben sind Anleihen im Nominalwert von insgesamt 1,7 Mrd. Euro.- Die Bank hat mitgeteilt, dass sie J.P. Morgen, UBS und Rothschild beauftragt habe, den Dialog mit den Anleihegläubigern zu suchen.Uns haben weder die Bank noch ihre Berater kontaktiert. Möglicherweise hat die Bank erst den Vollzug ihres Verkaufs an das Investorenkonsortium abwarten wollen, um das Gespräch mit den Anleihegläubigern zu suchen. Wie ernst es die Bank mit den Gesprächen meint und welche Bedingungen sie stellt, bleibt abzuwarten. Es ist sicher kein guter Start, einen Dialog mit der öffentlichen Drohung zu beginnen, die Anleihen zu kündigen und sie weiter herunterzuschreiben, unter anderem durch eine Doppelbelastung durch Verlustvorträge. Dies wäre vertraglich unzulässig und verstieße gegen deutsches Recht.- Worauf zielt die Bank ab?Nach unserer Einschätzung ist es das Ziel der Ankündigung, die Handelspreise der betroffenen Tier-1-Anleihen im Vorfeld einer Liability Management Exercise, also einer Umstrukturierung von Anleihen vor deren Ablauf, negativ zu beeinflussen. Die Bank hat nicht erklärt, warum sie von ihren früheren Prognosen abgewichen ist, die eine Hochschreibung der Tier-1-Anleihen auf den Nennwert bis 2023 implizierten. Stattdessen droht die Bank jetzt mit der Kündigung der Anleihen zu einem Kurs, der signifikant unter ihrem Nennwert liegt.- Was werden Sie tun?Die Anleihegläubiger werden sich durch das Vorgehen der HSH sicherlich nicht abschrecken lassen. Die Kündigung der vier börsennotierten Tier-1-Anleihen erfordert eine aufsichtsrechtliche Genehmigung. Eine der Anleihen kann erst nach der Hochschreibung auf den Nennwert gekündigt werden. In jedem Fall wäre es beispiellos, dass eine deutsche Bank ihre Tier-1-Anleihen unter dem Nennwert kündigt, vor allem, weil die Bank davon ausgeht, in absehbarer Zeit – bis 2021 – ihre Profitabilität deutlich zu verbessern. Die Kernbank steht ja schon heute wesentlich besser da als die HSH insgesamt, die nun mit dem Verkauf den Großteil ihrer Belastungen verliert. Anleihegläubiger nur an den Verlusten der Bank zu beteiligen und die Anleihen kurz vor Erreichen eines hohen Profitabilitätsniveaus zu kündigen, wäre ein treuwidriges Vorgehen.- Inwiefern?Eine Kündigung der Anleihen, wie es die Bank offenbar erwägt, wäre eine unangemessene Begünstigung der neuen Eigentümer der Bank. Wenn die Anleihen nicht gekündigt werden, würden sie früher oder später auf ihren Nennwert von 1,7 Mrd. Euro hochgeschrieben. Wenn die Anleihen stattdessen bei 40 % ihres Nennwerts gekündigt werden, was dem Buchwert der Anleihen zu Ende 2017 entspricht, fällt den neuen Eigentümern diese Differenz zwischen Buchwert und Nennwert in die Hände. Bei einem Abschlag von 60 % auf den Gesamtnennwert von 1,7 Mrd. Euro würde das im Falle der Kündigung der Anleihen einen Profit von mehr als 1 Mrd. Euro für die neuen Eigentümer bedeuten. Die Erwerber haben nur rund 1 Mrd. Euro für die Bank bezahlt. Wenn sie also die Anleihen kündigen, erhalten Sie die Bank praktisch umsonst, auf Kosten der Anleihegläubiger. Die Anleihegläubiger sind der Ansicht, dass dies rechtswidrig ist.- Es soll eine Schadenersatzklage geben. Wie hoch ist die Forderung und wo reichen Sie die Klage ein?Der Wert der Schadenersatzforderung beträgt mehrere hundert Millionen Euro, möglicherweise auch über 1 Mrd. Euro. Der genaue Wert steht noch nicht fest. Eingereicht wird die Klage beim Landgericht Kiel. Die Vorbereitungen laufen auf Hochtouren. Die Klage ist, um das aber nochmals zu betonen, nicht die Folge der jüngsten Ankündigung der Bank. Grundlage sind die aus unserer Sicht unzulässigen Bilanzierungspraktiken der HSH in der Vergangenheit und die geplante mehrfache Verlustteilnahme der Anleihegläubiger in der Zukunft.- Welche Rolle spielt der Transfer von Problemkrediten der HSH an ein Vehikel der neuen Eigentümer, wie ihn die Verkaufsvereinbarung vorgesehen hat?Ja, die Transaktion spielt auch eine Rolle. Die Tier-1-Anleihegläubiger partizipieren an dem Verlust der Bank. Die Bank hatte dieses NPL-Portfolio mit einem Buchwert von etwa 50 % des Nominalwertes in den Büchern stehen. Teil des HSH-Verkaufsprozesses war der Transfer dieses Portfolios zu einem nochmals um 1 Mrd. Euro heruntergeschriebenen Wert an Tochtergesellschaften der Käufer. Die Käufer der Bank erhalten sowohl die Bank als auch – über zwischengeschaltete Unternehmen – das NPL-Portfolio zu einem günstigen Preis. Es wurde ja kein Markttest für das NPL-Portfolio durchgeführt. Die Bank verbucht einen weiteren Verlust. Dieser Verlust führt dazu, dass die Tier-1-Anleihen herabgeschrieben werden. Der Verlust wird also zu einem großen Teil an die Anleihegläubiger weitergereicht.- Was fordern Sie von der HSH?Die Kernforderung der Anleihegläubiger ist, dass die Anleihen auf den Nennwert hochgeschrieben werden. Gleichwohl sind die Anleihegläubiger offen für konstruktive Gespräche mit der Bank und ihren neuen Eigentümern über die Restrukturierung der Kapitalbasis der HSH.- Mit welcher Verfahrens- oder Streitdauer rechnen Sie?Durchschnittlich liegt die Verfahrensdauer in der ersten Instanz bei zehn bis zwölf Monaten. Das hielten wir auch für realistisch, sollte es zu einem Gerichtsverfahren in Kiel kommen.—-Das Interview führte Carsten Steevens.