Ant Group tappt in die Regulierungsfalle

Auf IPO-Absage folgt mühsame Neuaufstellung - Eigenkapitalvorschriften bereiten Sorge - Im zweiten Anlauf droht Bewertungsabschlag

Ant Group tappt in die Regulierungsfalle

Der buchstäblich in letzter Minute geplatzte Börsengang der Ant Group bringt den chinesischen Fintech-Riesen in eine verzwickte Lage. Es ist davon auszugehen, dass ein erneuter Anlauf zu einem IPO nicht rasch erfolgen kann, da sich Ant nun in einen langwierigen Umstrukturierungsprozess begeben muss. Von Norbert Hellmann, SchanghaiChinas Finanzaufseher haben buchstäblich in letzter Minute einen Stopp für den potenziell weltgrößten Börsengang des Fintech-Giganten Ant Group erwirkt. Eine rasche Wiederbelebung des geplatzten Initial Public Offering (IPO) muss als unwahrscheinlich gelten. Der führende Online-Zahlungssystem-Betreiber und Mikrofinanz-Arrangeur im Reich der Mitte sieht sich nämlich nun ad hoc einem völlig neuen Regulierungsumfeld ausgesetzt, das eine aufwendige Neupositionierung erfordern dürfte, betonen chinesische Finanzexperten. Später WarnschussAm Dienstag hatte die Shanghai Stock Exchange völlig überraschend auf Anordnung von oben den Stecker für die bereits fest bei den Anlegern untergebrachte Mammutemission über knapp 35 Mrd. Dollar gezogen. Dies mit dem Verweis, dass Ant in Prospekten nicht genügend Informationen und Warnhinweise in Bezug auf ein neu aufgebrachtes Regulierungsumfeld für Online-Kreditgeschäfte geliefert habe. Dies war freilich auch nicht möglich, da Chinas Finanzregulierer erst am Montag, also drei Tage vor dem geplanten Handelsstart, mit einem neuen Richtlinienvorschlag daherkamen. Dieser konfrontiert Online-Kreditplattformen im Allgemeinen und Ant im Besonderen mit neuen Eigenkapitalanforderungen zur Kontrolle von systemischen Risiken.In gewisser Weise ist die Entscheidung korrekt, um Listing-Regularien zu erfüllen und den Anlegerschutz zu wahren. Schließlich kam Ant in erster Linie wegen regulatorischer Nichtbehelligung auf eine turmhohe Bewertung und überbordende Nachfrage seitens institutioneller wie auch privater Investoren. Das gilt insbesondere für das Geschäft mit online arrangierten kurzfristigen Kleinkrediten, aus denen die Ant Group etwa 40 % ihrer Erlöse bestreitet (siehe Grafik). Es geht um ein Geschäft, das sich angesichts hoher Verzinsungsraten von typischerweise 15 % prächtig rentiert.Gegenwärtig ist noch unklar, welchen Zeitaufwand und welche genauen Anpassungen des Geschäftsmodells die Erfüllung der neuen Vorschriften erfordert. Diese werden frühestens Anfang Dezember in Kraft treten. In diesem Jahr wird es damit sicherlich nichts mehr mit einem IPO. Abgesehen davon droht Ant nach Maßgabe des neuen Regelwerks auch die Erfordernis, für Teile des Geschäfts landesweite Lizenzen zu beantragen, wie sie etwa für herkömmliche Kreditinstitute gelten. Dies könnte nach Einschätzung von Experten je nach Kooperationsbereitschaft der Behörden einen langwierigen Prozess darstellen. Rein in die BücherAnalysten betonen, dass Ant in jedem Fall eine wesentlich üppigere Eigenkapitalunterlegung des Mikrokreditgeschäfts leisten und die Beziehung zu Chinas Großbanken neu gestalten muss. Ant arrangiert diese parzellierten Kleinkredite und sorgt damit für ein Turbowachstum im chinesischen Konsumfinanzierungsgeschäft, nimmt aber bislang nur einen winzigen Bruchteil in die eigenen Bücher. So wurde via Ant ein gewaltiges Kreditvolumen von über 254 Mrd. Dollar angestoßen, wovon aber nur 2 % in der Bilanz stehen, wie aus dem Prospekt hervorgeht. Der neue Richtlinienvorschlag der chinesischen Regulatoren sieht jedoch vor, dass Online-Plattformen bei den Co-Finanzierungsaktivitäten mit Banken künftig 30 % in die Bilanz zu nehmen und dann auch mit Eigenkapital zu unterlegen haben.Freilich dürfte die gewinnstarke Ant Group auch ohne das IPO kapitalkräftig genug sein, um stringentere Anforderungen zu erfüllen. Bislang aber war das Geschäftsmodell eindeutig darauf ausgerichtet, als Fintech mit der Betonung auf “Tech” unter dem Radar der Finanzaufseher zu agieren. In jedem Fall werden die neuen regulatorischen Auflagen, zu denen auch eine Deckelung von Zinsraten für Online-Konsumkredite gehören, als Bremsklotz für Ants Wachstum wirken.Neben Ants Kreditgeschäft dürfte auch die Bezahl-App Alipay, über die ein Großteil der chinesischen Konsumenten Alltagseinkäufe bargeldlos erledigt, vor neue Herausforderungen gestellt werden. Gegenwärtig testet die chinesische Zentralbank bereits in einigen Regionen die Verwendung einer staatlich kontrollierten Digitalwährung, die im kommenden Jahr immer weitere Verbreitung finden dürfte. Gebührenschwund drohtZwar ist bislang davon auszugehen, dass der offizielle digitale Yuan auch in Bezahl-Apps von Ant und dem Konkurrenten Tencent (Wechat Pay) integriert werden kann. Dennoch stellt sich die Frage eines möglichen Verdrängungswettbewerbs, wenn Händler die Alternative haben, statt einer für sie gebührenpflichtigen Alipay-Bezahlung eine Zahlung mit dem staatlichen digitalen Yuan entgegenzunehmen. Auch hier droht Ant mittelbar die Erosion von Gebühren.Damit stellt sich die Frage, ob Ant im Falle eines neuen Anlaufs auf ein IPO in Schanghai und Hongkong nicht wesentlich konservativer bewertet würde, Kapitalaufnahme- und Marktbewertungsziele also deutlich zurückschrauben muss. Auf Basis des Emissionspreises für die duale Offerte wäre die Ant Group vom Start weg auf eine Marktbewertung von rund 315 Mrd. Dollar gekommen und hätte damit sogar J.P. Morgan Chase als bislang weltweit wertvollstes Finanzinstitut abgelöst.