FINANZBRANCHE KÄMPFT UMS ÜBERLEBEN - KÖPFE DES JAHRES

Anti-Jain

ski - Baden-Württemberg ist ein bisschen speziell. Es sind nicht nur die Kehrwoche oder die Kutteln - wenn die aufgetischt werden, verweigert Rainer Neske die Nahrungsaufnahme. Noch etwas anderes, das ihm in seinen 25 Jahren bei der Deutschen Bank...

Anti-Jain

ski – Baden-Württemberg ist ein bisschen speziell. Es sind nicht nur die Kehrwoche oder die Kutteln – wenn die aufgetischt werden, verweigert Rainer Neske die Nahrungsaufnahme. Noch etwas anderes, das ihm in seinen 25 Jahren bei der Deutschen Bank nicht begegnet war, hat er bei der LBBW dieser Tage kennengelernt: Farbnachfüllstationen für Textmarker. Ja, die Schwaben achten schon auf die Kosten. Vielleicht steht die größte Landesbank, deren Vorstandsvorsitzender der 52-Jährige seit Anfang November ist, nicht zuletzt deshalb vergleichsweise so gut da?Trotz der charmanten Eigenarten der Südwestler: Der vormalige Chef der Privat- und Geschäftskundensparte der Deutschen Bank, der bei den Blauen nicht nur qua Funktion, sondern auch von seiner Geisteshaltung her ganz der Antipode eines Anshu Jain war, ist in Stuttgart angekommen, ebenso wie im öffentlich-rechtlichen Lager, das ihn mit hoher Wertschätzung aufgenommen hat. Neske wurde sogar schon zum stellvertretenden Vorsitzenden der “Girozentralleiterkonferenz” (das sind die Landesbankchefs) im Dachverband DSGV gewählt. Nur vereinzelt stänkern Sparkässler außerhalb des Ländles, man hätte doch für die LBBW-Spitze anstelle eines Privatbankers einen aus den eigenen Reihen finden müssen. Doch da wird die aufsichtliche Realität verkannt. Dass BaFin und EZB einem Sparkassenchef die nahtlose Übernahme der Führung einer großen Landesbank zutrauen – wie Helaba-Chef Herbert Hans Grüntker, der von der Tochter Frankfurter Sparkasse kam, aber schon über langjährige Landesbank-Expertise verfügte -, dürfte eher die absolute Ausnahme sein.Vorgänger Hans-Jörg Vetter hat Neske die Bank in einer exzellenten Ausgangsposition übergeben. Die LBBW hat ein intaktes kundenfokussiertes Geschäftsmodell, sitzt auf einem recht komfortablen Eigenkapitalpolster, schreibt seit 19 Quartalen in Folge schwarze Zahlen, erfreut sich des Vertrauens ihrer Stakeholder und hat keine übertriebene Lust auf Risiken. Eines Kulturwandels bedarf es hier nicht. Also muss Kundenmann Neske nur noch die Ernte in die Scheuer fahren? Schön wär’s. Tatsächlich gilt es, die Bank in dem unheilschwangeren Umfeld, das von der EZB mit Negativzinsen und marktverzerrenden Anleihekäufen geprägt wird, auf nachhaltiges Ertragswachstum zu trimmen und die Effizienz weiter zu steigern, gerade auch durch konsequente interne Digitalisierung. Die einschlägig bekannten Berater sind längst vor Ort. Ein “Restrukturierungsprogramm 2.0” wird es wohl nicht brauchen, “Akzentuierungen” an der einen oder anderen Stelle aber schon. Den verständlichen Wunsch der 10 900 LBBW-Beschäftigten, nicht auch neben dem Stuttgarter Hauptbahnhof auf einer Dauerbaustelle arbeiten zu müssen, wird der neue Vorstandschef kaum erfüllen können.