EUROPÄISCHE BANKENUNION - KÖPFE DES JAHRES

Arbeitstier

wü - Monatelang war sie als Favoritin gehandelt worden. Nachdem der Rat der Europäischen Zentralbank (EZB) die Französin Danièle Nouy im November offiziell für den Posten an der Spitze der neuen europäischen Bankenaufsicht nominiert hatte, billigte...

Arbeitstier

wü – Monatelang war sie als Favoritin gehandelt worden. Nachdem der Rat der Europäischen Zentralbank (EZB) die Französin Danièle Nouy im November offiziell für den Posten an der Spitze der neuen europäischen Bankenaufsicht nominiert hatte, billigte das Europaparlament am 11. Dezember mit großer Mehrheit ihre Ernennung. 555 Abgeordnete stimmten für sie, 50 gegen sie, und 52 enthielten sich. Das Plazet durch die EU-Staaten war da nur Formsache.Die 63-Jährige hat nun knapp ein Jahr lang Zeit, die neue Institution in Frankfurt aufzubauen, damit sie im Herbst 2014 einsatzbereit ist. Die Bretonin muss nicht nur rund 1 000 neue Bankenaufseher einstellen, sondern gleichzeitig im Frühjahr zusammen mit den Bankenaufsehern der Eurozonen-Länder die 130 größten Geldhäuser der Eurozone einer Bilanzprüfung unterziehen. “Klare Signale””Wir müssen den Finanzmärkten harte und transparente Überprüfungen liefern”, sagt Nouy. Sie signalisiert bereits, dass sie neben dem Bestand an faulen Wertpapieren auch große Staatsanleihen-Portfolios unter die Lupe nehmen will: “Es ist wichtig, von Anfang an klare Signale auszusenden.” Deshalb müssen Staatsanleihen ihrer Ansicht nach mit Eigenkapital unterlegt werden. “Wir brauchen Banken, die die Wirtschaft finanzieren. Wenn sie mehr Staatsanleihen kaufen, haben sie dafür weniger Geld.”Obwohl Nouy die französische Bankenaufsicht Autorité de Contrôle Prudentiel et de Résolution (ACPR) leitet, 2003 als erste Frau an die Spitze der 2010 in der ACPR aufgegangenen Bankenkommission aufrückte und auch schon als Kandidatin für das Direktorium der EZB gehandelt wurde, ist sie selbst in ihrer Heimat nahezu unbekannt. Sie hat bisher keine ausführlichen Interviews gegeben und verfügt nicht einmal über einen eigenen Wikipedia-Eintrag. Dennoch ist unbestritten, dass sie für ihren neuen Posten die erforderlichen Erfahrungen mitbringt. Sie begann gleich nach dem Jurastudium und einem Abschluss am renommierten Pariser Institut d’Études Politiques (“Sciences Po”) 1974 im Alter von 24 Jahren bei der französischen Notenbank, wo schon ihr Vater arbeitete. Die meiste Zeit war Nouy dort für die Bankenkommission tätig. Ihre ersten internationalen Erfahrungen sammelte Nouy in den achtziger Jahren als Vertreterin der Banque de France in New York. Von 1996 bis 2003 arbeitete sie für den Baseler Ausschuss für Bankenaufsicht, zunächst als stellvertretende Generalsekretärin, dann als Generalsekretärin. Später dann stand sie von 2006 bis 2008 dem Committee of European Banking Supervisors vor, dem Vorläufer der Europäischen Bankenaufsicht EBA in London.In der Finanzszene eilt der Mutter von zwei Töchtern der Ruf voraus, streng und anspruchsvoll zu sein. “Die Banker spuren vor ihr”, sagt ein Insider der Tageszeitung “Le Monde”. Bereits Mitte 2007 habe sie von den französischen Banken die Offenlegung riskanter Immobilienkredite verlangt. Nouy, deren Mann Jean-Yves die operative Geschäftsführung der Versicherungsgesellschaft SHAM abgab, als seine Frau für die Spitze der auch für Versicherungen zuständigen ACPR nominiert wurde, gilt als Arbeitstier. Alles sei eine Frage der Organisation, meint sie. Da ist es nicht weiter verwunderlich, dass ihr Motto lautet: “Verschiebe nichts auf morgen, was Du heute kannst besorgen.”Als Frau sei es für sie in ihrem Beruf nicht schwieriger gewesen, sagte sie einmal. Höchstens etwas anders: “Wenn Sie in einer Gruppe von 20 Personen die einzige Frau sind, werden sie schneller beachtet.” Auf die Frage, was sie während ihrer Karriere am meisten geprägt habe, gab sie nicht die Lehman-Pleite oder die durch den Skandaltrader Jérôme Kerviel ausgelöste Affäre der Société Générale an: “Das Internationale, das ist für mich die zweitwichtigste Droge nach Kaffee.” So ist es auch ihr zu verdanken, dass sich die französische Bankenkommission nach außen öffnete und Vertreter ausländischer Regulierungsbehörden an ihren Seminaren teilnehmen ließ. Kleiner SchwachpunktParis versteht es immer wieder, bei wichtigen Organisationen geschickt Personalpolitik zu betreiben. So steht mit Christine Lagarde, der Chefin des Internationalen Währungsfonds (IWF), ebenfalls eine Französin an der Spitze einer weiteren internationalen Institution. Dennoch lästern Kritiker nun, die Nominierung Nouys sei eine Art Trostpflaster, weil Präsident François Hollande vergeblich versucht habe, Wirtschaftsminister Pierre Moscovici an der Spitze der Euro-Gruppe zu platzieren.Einen kleinen Schwachpunkt gibt es in Nouys Biographie: Ihre Rolle als Chefaufseherin in Frankreich beim Zusammenbruch der französisch-belgischen Dexia-Bank. Die damaligen Risiken seien nicht genügend gekennzeichnet gewesen, räumte sie vor dem EU-Parlamentsausschuss ein: “Das war ein Fehler, kein Zweifel.”