GASTBEITRAG

Assetmanager müssen sich auf Kundenmehrwert konzentrieren

Börsen-Zeitung, 20.7.2019 Der Finanzsektor befindet sich in einer Phase des beschleunigten Wandels. Dies gilt auch für Assetmanager. Während Akquisitionen die öffentliche Diskussion dominieren, stehen in der Branche weitaus mehr strategische...

Assetmanager müssen sich auf Kundenmehrwert konzentrieren

Der Finanzsektor befindet sich in einer Phase des beschleunigten Wandels. Dies gilt auch für Assetmanager. Während Akquisitionen die öffentliche Diskussion dominieren, stehen in der Branche weitaus mehr strategische Optionen im Fokus. Der Schein trügtAuf den ersten Anschein ist in der Welt der Vermögensverwalter alles in Ordnung. Die meisten Häuser schreiben dank gestiegener und weiterhin wachsender Vermögen schwarze Zahlen. Zudem besteht noch deutliches Potenzial für die Branche. Noch immer werden zwei Drittel des weltweiten Finanzvermögens – darunter Bankeinlagen und individuell verwaltete Vermögen – nicht von Assetmanagern verwaltet. Künftig werden jedoch diverse Faktoren den Druck auf die Branche erhöhen. ETFs haben in den vergangenen Jahren die Margen massiv unter Druck gesetzt. Dies gilt nicht nur für die traditionellerweise kostensensiblen institutionellen Investoren, sondern neu auch für Finanzintermediäre und Privatanleger. Dem stehen steigende Technologieinvestitionen und höhere Kosten wegen regulatorischer Anforderungen gegenüber.Nach mehr als einem Jahrzehnt boomender Kapitalmärkte ist zudem nicht auszuschließen, dass die Branche in gleichem Umfang wie bisher Rückenwind durch die Kapitalmärkte erhält. Wollen Vermögensverwalter zukunftsfähig bleiben, kommen sie nicht umhin, ihre Geschäftsmodelle zu überarbeiten.Zugegebenermaßen sind die Vermögensverwalter an ihrem aktuellen Dilemma nicht ganz schuldlos. Ihr jahrelanges Wachstum leistete einer gewissen Selbstzufriedenheit Vorschub. Viele Assetmanager haben sich zu wenig auf ihre Daseinsberechtigung konzentriert, also das, wofür sie von ihren Kunden gebraucht und letztlich bezahlt werden.Diesem Druck versuchen einige Assetmanager durch Wachstum und Skaleneffekte zu begegnen. Eine Umfrage des CFA Institute ergab, dass 72 % der Befragten in den nächsten fünf bis zehn Jahren eine beschleunigte Konsolidierung erwarten. Um die Basis für Skaleneffekte zu schaffen, stehen Akquisitionen im Fokus der öffentlichen Wahrnehmung. Es wird erwartet, dass es in der kommenden Dekade einige Mega-Deals geben wird, aus denen rund ein Dutzend Branchengiganten mit einem verwalteten Vermögen von über 1 Bill. Euro hervorgehen wird. Erfolgreiche Akquisitionen sind allerdings an viele Erfolgsfaktoren geknüpft. So sollten sich die Geschäftsfelder der Assetmanager komplementär ergänzen – hinsichtlich regionaler oder kundenspezifischer Schwerpunkte oder neuer Kompetenzfelder. Das Passende herauspickenAssetmanager werden sich die passenden Firmen oder Firmenteile, die über die ihnen fehlenden Kompetenzen und Ressourcen verfügen, herauspicken. So können sie ihre Technologieinfrastruktur verbessern, Expertise in Bereichen mit wachsender Nachfrage wie bei Quant-Strategien, alternativen Investments und Multi-Asset-Lösungen anbieten und ein Full-Service-Modell aufbauen. Allerdings wird dieser Weg nicht allen Managern offenstehen, da nicht jedes Haus ein interessantes Übernahmeziel ist. Gerade diesen Gesellschaften wird es schwerfallen, profitabel zu bleiben, weshalb etlichen wohl das Aus droht.Vermögensverwalter dürfen sich aber nicht nur auf Größenvorteile konzentrieren, sondern sollten auch ihre Geschäftsmodelle mit Blick auf ihre Leistungen überdenken. Im Fokus muss dabei die Frage stehen: Welche Leistungen bieten Kunden einen möglichst einzigartigen Mehrwert, für den sie zu zahlen bereit sind? Einige Anbieter werden ihr Angebot straffen und sich auf bestimmte Bereiche der Wertschöpfungskette wie Research, Handelsausführung, Technologie oder Reporting spezialisieren. Über Outsourcing oder Leasing diverser anderer betrieblicher Funktionen werden sie zudem versuchen, Kosten zu sparen. Wieder andere werden gezielt nach Kooperationen suchen. Dies kann einzelne Projekte, Funktionalitäten oder Infrastruktur betreffen.Ähnliche Anpassungsprozesse haben vor der Assetmanagement-Branche bereits andere Sektoren erlebt. So nutzen beispielsweise viele Technologiefirmen – insbesondere im Software- und KI-Bereich – Open-Source-Produkte. Der technologische Fortschritt, der beispielsweise zur Verbreitung von Robo-Advisors und anderen Service-Modellen führt, wird gerade Retail-Investoren zunehmend in die Lage versetzen, Portfolios stärker selbst zu verwalten. Da niemand bereit ist, für eine Leistung zu zahlen, die er einfach selbst erbringen kann, besteht aus Sicht der Assetmanager hier besonderer Handlungsbedarf.Aber auch in der Welt der Anlageprodukte ist eine Neuausrichtung erforderlich. So zeichnet sich zum Beispiel eine steigende Nachfrage für Anlageprodukte ab, die spezifische Ziele verfolgen. Dazu zählen der Erhalt des investierten Kapitals oder die Erwirtschaftung regelmäßiger Renditen. Zudem suchen speziell Großanleger und Intermediäre stärker nach Absolute-Return-Strategien oder nach Lösungen, bei denen das Renditeprofil in Einklang mit langfristigen Verpflichtungen gebracht wird. Dies spiegelt sich auch in der Ertragssituation wider. So entfallen heute rund die Hälfte der Erträge auf Alternative Investments und Solutions. Trends nehmen an Fahrt aufKonsolidierung, Innovation, serviceorientierte Geschäftsmodelle: All das ist nichts Neues. Aber es sind Trends, die in den nächsten zehn Jahren Fahrt aufnehmen werden. Einige Unternehmen haben sich darauf besser eingestellt als andere. Manche werden an den neuen Branchenstandards scheitern, andere werden sie als Chance nutzen. Christian Staub, Managing Director Europe, Fidelity International