Auch der Swedbank-Kontrolleur geht

Verwaltungsratschef tritt acht Tage nach dem Rauswurf der Vorstandschefin zurück - Institut in tiefer Krise

Auch der Swedbank-Kontrolleur geht

Die Swedbank hat sechs Wochen nach einem Medienbericht über mögliche Verstrickungen in die Danske-Affäre etliche Brandherde zu löschen, die sich nicht auf Geldwäsche beschränken. Nun hat sich der Verwaltungsratschef verabschiedet. Ein Scharmützel mit der Staatsanwaltschaft macht die Lage nicht einfacher. Von Tobias Fischer, FrankfurtGut eine Woche nachdem der Verwaltungsrat der Swedbank die Vorstandschefin und Präsidentin Birgitte Bonnesen kurz vor der Hauptversammlung rauswarf, hat der Chef des Aufsichtsgremiums die Segel gestrichen. Lars Idermark habe sich entschlossen, den Verwaltungsrat zu verlassen und werde vorerst mit sofortiger Wirkung von seiner Stellvertreterin Ulrika Francke abgelöst, teilte die Bank am Freitag mit. Um eine dauerhafte Lösung zu finden, werde eine außerordentliche Hauptversammlung anberaumt. Ein Datum wurde nicht genannt.Idermark verband sein Statement anlässlich des Rücktritts mit einer Medienschelte. “Es gestaltet sich als schwierig, angesichts der angespannten Lage in den Medien Unterstützung für Relationen und Fakten zu gewinnen und Fehler zu korrigieren.” Ganz überraschend kommt Idermarks Manöver nicht: Die offenbar zu den maßgeblichen Kräften bei der Absetzung Bonnesens zählenden schwedischen Pensionsfonds Alecta und AMF, die als Gesellschafter gut 9 % an der Swedbank halten, hatten bereits erkennen lassen, dass sie sich nicht damit zufriedengeben würden (vgl. BZ. vom 30.3.2019).Die nach eigenen Angaben größte Bank Schwedens gibt sechs Wochen nach der Ausstrahlung eines Berichts des schwedischen Fernsehens über die mutmaßliche Verwicklung in die Geldwäscheaffäre der Danske Bank ein desaströses Bild ab. Es brennt an allen Ecken und Enden, und das nicht nur der Geldwäschevorwürfe wegen. 30 Prozent Kapital verbranntDer Aktienkurs reagierte am Freitag an der Börse Stockholm zwar so gut wie nicht. Seit Bonnesens Entlassung hat er sich leicht stabilisiert, doch ist seit dem ersten TV-Bericht 30 % der Marktkapitalisierung vernichtet worden. Die Führung befindet sich im Umbruch, die Spitzen von Verwaltungsrat und Vorstand sind Interimslösungen, die Ratingagentur S&P hat am Dienstag unter anderem wegen Reputationsschäden im Gefolge der Geldwäschevorwürfe den Ausblick gesenkt. Das Institut sieht sich Ermittlungen der schwedischen und estnischen Finanzaufsicht ausgesetzt, sekundiert von Litauens Finanzaufsicht und Notenbank. Obendrein hat es eine Razzia der schwedischen Behörde zur Bekämpfung der Wirtschaftskriminalität in der Konzernzentrale hinter sich, weil es einige Anteilseigner unberechtigterweise über die bevorstehende Ausstrahlung des TV-Beitrags über potenzielle Geldwäscheverstrickungen informiert haben soll. Die Untersuchungen wurden mittlerweile auf den Verdacht des schweren Betrugs ausgeweitet.Mit der Staatsanwaltschaft leistet sich die Swedbank eine groteske Fehde um die Preisgabe von Informationen und die Deutungshoheit über die Antwort auf die Frage, wie kooperationswillig oder -unwillig sich die Bank gegenüber den Behörden zeigt. Der Streit geht so weit, dass die Swedbank, offenbar auf Anraten der Anwaltskanzlei Nordia, der Staatsanwaltschaft vorwirft, Recht zu brechen, die Medien zu instrumentalisieren und das Management in Verruf zu bringen. Die Attacke folgte ihrerseits auf die Anschuldigung des Chefanklägers Thomas Langrot, das Institut behindere Ermittlungen, weil es sich weigere, Informationen weiterzugeben.Dreh- und Angelpunkt des Streits ist nach Erkenntnissen Bloombergs ein versiegelter Umschlag, in dessen Besitz die Behörde zur Bekämpfung der Wirtschaftskriminalität bei der Razzia im Swedbank-Hauptquartier einen Tag vor ihrer Hauptversammlung am 28. März gelangt war. Er soll einen Bericht des norwegischen Juristen Erling Grimstad enthalten, den die Bank damit betraut hatte, die Verbindungen zur Danske und etwaige Geldwäschevorfälle zu untersuchen. Die Swedbank steht auf dem Standpunkt, das Schriftstück hätte nicht konfisziert werden dürfen, und führt hierbei das Anwaltsgeheimnis ins Feld.Dem schwedischen Fernsehen zufolge, das sich im Besitz des Reports befinden soll, hat Grimstad herausgefunden, dass die Swedbank zwischen 2010 und 2016 über ihre estnische Niederlassung jährlich bis zu 20 Mrd. Euro an verdächtigen Zahlungen von nicht ansässigen, potenziell risikobehafteten Kunden abgewickelt hat. Das wäre deutlich mehr als zuvor bekannt. Anfangs wurde das Volumen potenziell verdächtiger Transaktionen auf 3,8 Mrd. Euro geschätzt, die insgesamt von 2007 bis 2015 geflossen sein sollen, später war die Rede von summa summarum 9 Mrd. Euro.Der Bericht, datiert auf den 10. Dezember 2018, birgt jedoch noch weiteren Sprengstoff für die Swedbank. Er wäre der Beweis, dass das Management bereits mehr als zwei Monate vor Ausstrahlung des TV-Beitrags im Bilde gewesen sein muss. Offiziell verlautbarte die mittlerweile geschasste Vorstandsvorsitzende bis dahin stets, die Bank sei sauber, es gebe keine Geldwäscheprobleme.Der Schlagabtausch zwischen Swedbank und Staatsanwaltschaft mutet angesichts der Tatsache, dass auch die schwedische Finanzaufsicht im Zuge eigener Untersuchungen geraume Zeit vor der Behörde zur Bekämpfung der Wirtschaftskriminalität in den Besitz des Grimstad-Berichts gekommen ist, umso sinnloser an. Finansinspektionen soll ihn nämlich nicht nur geprüft, sondern auch an die Medien weitergegeben haben, wenn auch teils geschwärzt. Das würde erklären, weshalb das schwedische Fernsehen bereits vor Wochen über den Report berichtete. Zwielichtige KundschaftZur Klientel der Swedbank soll unter anderem der ukrainische Ex-Präsident Viktor Janukowitsch gehört haben, der 2014 nach schweren Unruhen nach Russland geflohen war, sowie Paul Manafort, der Lobbyarbeit für prorussische Politiker in der Ukraine betrieben hatte. Der frühere Wahlkampfmanager von US-Präsident Donald Trump ist in den Vereinigten Staaten jüngst zu insgesamt siebeneinhalb Jahren Haft verurteilt worden, unter anderem wegen Verschwörung gegen die USA und Zeugenbeeinflussung.Darüber hinaus sitzt den Schweden die Finanzaufsicht des US-Bundesstaates New York im Nacken, die sich obendrein vom Management getäuscht fühlt. Hintergrund ist, dass das New York State Department of Financial Services Angaben über Verbindungen zur Anwaltskanzlei Mossack Fonseca gefordert hatte, die wegen ihrer Dienstleistungen, dem Aufbau von Briefkastenfirmen in aller Welt, in den Panama Papers Bekanntheit erlangt hatte. Die Swedbank soll unvollständige oder irreführende Informationen weitergegeben haben, heißt es.Die Bank verfügt nach eigenen Angaben auch jenseits des Heimatmarkts über eine dominierende Stellung in Estland und eine starke Präsenz in Litauen und Lettland. Sie ist auch in Norwegen, Finnland, Dänemark, Luxemburg, den USA, in China und Südafrika aktiv. Sie zählt knapp 15 000 Mitarbeiter, 7 Millionen Privat- und 600 000 Firmenkunden.