Auf Small Caps der Schwellenländer setzen

Anleger müssen genau hinsehen

Auf Small Caps der Schwellenländer setzen

Für die Schwellenländer, die in den letzten Jahren nicht hoch im Kurs standen, könnte sich das Blatt gewendet haben. Angesichts politischer Unsicherheiten und überhöhter Vermögenspreise in den entwickelten Ländern lassen immer mehr Anleger ihr Kapital wieder in die Schwellenländer zurückfließen. Nach Angaben von EPFR Global konnten reine Schwellenländeraktienfonds in diesem Jahr Nettozuflüsse in Höhe von 13,2 Mrd. US-Dollar verbuchen (Stand: 7. Oktober 2016). Wenn der Trend anhält, wird es das erste Jahr seit 2012 werden, in dem diese Fonds netto wieder Zuflüsse verzeichneten. Daher scheint dies ein guter Zeitpunkt zu sein, um diese Assetklasse erneut in Augenschein zu nehmen und hierbei insbesondere kleinere Unternehmen genauer zu betrachten. Gut positioniertAuch wenn der kurzfristige Ausblick für die Schwellenländer angesichts des Wahlausgangs in den USA, der nun wieder fraglichen Anhebung der US-Zinsen durch die Federal Reserve im Dezember und des schwachen globalen Wachstums von Unsicherheit geprägt bleibt, sind diese Länder gut positioniert, um potenzielle Widrigkeiten zu bewältigen. Die Wirtschaftsdaten aus China deuten auf eine Stabilisierung hin, auch wenn Verschuldung und Kapitalabflüsse weiter aufmerksam beobachtet werden sollten. Reformprozesse machen Fortschritte, wie zum Beispiel in Indien, wo die Einführung des neuen Umsatzsteuergesetzes (Goods and Services Tax, GST) helfen sollte, die Kosten von Unternehmen zu senken.Dank einer nachlassenden Inflation verfügen auch die Zentralbanken in den Schwellenländern über neuen Spielraum und können das Wachstum mit Zinssenkungen unterstützen. Die meisten Schwellenländer haben inzwischen stabilere Fundamentaldaten, wie etwa bessere Leistungsbilanzen, und die Gewinne der Unternehmen steigen ebenfalls – auch wenn die höheren Margen oft durch geringere Investitionsausgaben bedingt sind.Diese positiven Meldungen stehen im scharfen Kontrast zu den entwickelten Märkten mit ihren Vermögenspreisblasen, niedrigen oder negativen Zinsen, ihrer hohen Verschuldung und ihrem langsamen Wachstum. In der sogenannten “reichen” Welt werden immer mehr junge Menschen einer stabilen wirtschaftlichen Zukunft beraubt, da neue Entwicklungen wie Null-Stunden-Verträge und projektbasierte Arbeitsverhältnisse der sogenannten “Gig-Economy” auf dem Vormarsch sind. Gefährliche Demagogen drohen die Errungenschaften von Jahrzehnten des freien Handels und der internationalen Zusammenarbeit rückgängig zu machen. Die entwickelten Länder, die dem Rest der Welt eigentlich als gutes Beispiel dienen sollten, scheinen von Uneinigkeit, Disharmonie und Zerwürfnissen gelähmt zu sein.Die Schwellenländer hingegen sind größtenteils optimistisch und haben klare Zielvorstellungen. Lang-fristig haben die Schwellenländer die deutlich besseren Wachstumsaussichten. Kurzfristig könnte Liquidität – in den letzten Jahren der wichtigste Markttreiber weltweit – schneller aus den entwickelten in die Schwellenländer verlagert werden, wenn internationale Anleger noch einmal genau analysieren, wo sich die besten Anlagemöglichkeiten bieten. Zunehmende BevölkerungDie meisten Schwellenländer sind immer noch in einer relativ frühen Phase ihrer Entwicklung und haben dank ihrer jungen, zunehmenden Bevölkerung, der expandierenden Mittelschicht und einer steigenden heimischen Nachfrage enormes Wachstumspotenzial. Gerade kleinere Unternehmen sind normalerweise eher auf ihren Heimatmarkt ausgerichtet als größere Wettbewerber. Daher sind die Aussichten für gut geführte kleinere und mittlere Unternehmen ausgezeichnet, denn sie wachsen im Gleichklang mit ihren Märkten. Vom Erfolg und der Vielfalt interessanter Firmen dieses Marktsegments sind viele überrascht. Da diese aber vom Research oft kaum beachtet werden und eine breitere Renditestreuung aufweisen, ergeben sich zudem mehr Gelegenheiten, von Fehlbepreisungen des Marktes zu profitieren. Entscheidend ist der Einstieg in einem frühen Stadium der Unternehmensentwicklung und zu vernünftigen Bewertungen.Und auch die Bewertungen sprechen klar für kleinere Unternehmen in Schwellenländern, da diese im Vergleich zu ihren Gegenspielern in den Industrienationen sehr preisgünstig sind. Wir rechnen auf Basis der Gewinnschätzungen für 2016 für den MSCI EM Emerging Market Small Cap Index zum Jahresende mit einem Kurs-Gewinn-Verhältnis (KGV) von 14,4, das Kurs-Buchwert-Verhältnis (KBV) würde entsprechend bei ca. 1,3 liegen. Für den MSCI World Small Cap Index hingegen ist ein KGV von ca. 20,9 und ein KBV von 1,7 prognostiziert. Wo sich Investments lohnenIn unserem Small-Cap-Portfolio für Unternehmen aus Schwellenländern setzen wir vor allem auf Brasilien, Indonesien und die Türkei. Auch wenn das Wachstum in Brasilien, der größten Volkswirtschaft Lateinamerikas, nachgelassen hat, bietet dieses Land eine Fülle an attraktiv bewerteten Qualitätsunternehmen mit sich bessernder Corporate Governance. In Indonesien gibt es eine ganze Reihe von Qualitätsunternehmen, von denen die kleineren in der Regel die besseren sind, und in der Türkei haben viele börsennotierte Firmen ein gutes Management, konservative Bilanzen und sind oft auf den heimischen Markt fokussiert.In China, Korea und Taiwan sind wir tendenziell geringer engagiert. In China gibt das nachlassende Wachstum und die schlechte Corporate Governance Anlass zur Besorgnis und macht eine äußerst sorgfältige Prüfung bei der Auswahl der besten Unternehmen unerlässlich. Auf dem koreanischen Markt, der bereits in einer relativ reifen Phase ist, kann sich die Dominanz der “Chaebol” genannten großen Konglomerate negativ auf den Wettbewerb auswirken. Taiwans exportorientierte Volkswirtschaft wiederum bietet nur eine relativ schmale Auswahl an Unternehmen, und den kleineren taiwanesischen Unternehmen mangelt es hinsichtlich Technologie und Branding häufig an Marktführerschaft.Bei unserer Aktienauswahl bevorzugen wir Hersteller von Basiskonsumgütern und Unternehmen, die stärker auf die lokalen Märkte als auf Exporte ausgerichtet sind. Im IT-Bereich sind wir angesichts der Zyklizität, der stetigen Veränderung der Geschäftsmodelle und kurzen Lebensdauer der Produkte äußerst zurückhaltend und deutlich weniger engagiert. Bei langlebigen Konsumgütern haben wir Probleme, Unternehmen zu finden, deren Preise uns zusagen, und im Gesundheitssektor bieten sich andernorts attraktivere Anlagemöglichkeiten.Das größte Investment des Fonds ist derzeit die Beteiligung an Parque Arauco, einem führenden Entwickler von Einkaufszentren mit über 700 000 m 2 vermietbarer Verkaufsfläche in mehr als 20 Shopping Malls in Chile, Peru und Kolumbien. Ferner halten wir auch eine große Beteiligung an Aeroportuario del Centro Norte, dem Betreiber von 13 Flughäfen in ganz Mexiko, der vom Wachstum der Billigflieger in Mexiko profitiert, wo das überregionale Reisen bislang von Überlandbussen dominiert wurde. Eine dritte große Beteiligung ist unser Investment in Godrej, einem in Mumbai ansässigen Hersteller von Haushalts- und Körperpflegeprodukten mit führender Marktstellung in Indien und der Region.Darüber hinaus sind wir seit vielen Jahren auch an AKR Corporindo beteiligt, dem größten privaten Kraftstoffverteiler Indonesiens, der Tankstellen sowie multinationale Unternehmen in vielen der am schwersten zugänglichen Orte des Landes beliefert. Vor dem Hintergrund der Zunahme des privaten Autobesitzes in Indonesien und der Bedeutung effizienter, IT-getriebener Logistik sehen wir hervorragende langfristige Aussichten für AKR. Noch nicht ganz überzeugtAuch wenn nun seit einigen Monaten wieder Kapital in die Schwellenländer zurückfließt, ist es für echte Feierlaune aber wohl noch zu früh. Erstens sind Schwellenländeranleihen bislang beliebter als -aktien, zweitens haben nicht alle Regionen in gleichem Maße profitieren können und drittens ist viel von diesem Kapital in börsengehandelte Fonds (Exchange Traded Funds) geflossen, was vermuten lässt, dass die Anleger noch nicht gänzlich überzeugt sind. Schwellenländeraktien sollten in dem derzeit schwierigen Marktumfeld, in dem Anleger gezwungen sind, auf der Suche nach Werten noch genauer hinzusehen und den gewohnten Rahmen zu verlassen, dennoch profitieren. Und die kleineren Unternehmen dieser Assetklasse sollten hierbei keinesfalls außer Acht gelassen werden.—Mark Gordon-James, Senior Investment Manager bei Aberdeen Asset Management