EUROPEAN BANKING CONGRESS

Aus der Froschperspektive

Die Chefs von Deutscher Bank und Commerzbank blicken bang auf die Konkurrenz aus Übersee

Aus der Froschperspektive

Von Bernd Neubacher, FrankfurtDurch die streng bundesdeutsche Brille betrachtet, kommen Deutsche Bank und Commerzbank ungeachtet all ihrer Probleme noch immer als Nummer 1 und 2 des privaten Bankensektors daher – entsprechend groß ist denn auch die Aufregung, wenn Spekulationen über einen Zusammenschluss dieser Riesen befeuert werden. Am Freitag auf dem European Banking Congress ist Gelegenheit gewesen, die Vorstandschefs der beiden Institute jeweils in der Rolle des Zwerges zu erleben, der bang neuer Konkurrenz durch Banken- und Nicht-Banken-Riesen aus Übersee entgegenblickt.Für die Leitung der Deutschen Bank, deren Mitarbeiter Jahrzehnte lang das ausgeprägte Selbstbewusstsein des Platzhirschs vor sich hergetragen hatten, ist diese Froschperspektive gar nicht einmal so ungewohnt. Schon vor Jahresfrist beklagte der damalige CEO John Cryan auf derselben Veranstaltung Wettbewerbsnachteile europäischer Institute gegenüber Asien und den USA, da europäischen Häusern mangels Größe die Gewinne fehlten, um die nötigen Investitionen in Technologie und deren Sicherheit zu stemmen. Rascher WandelCryans Nachfolger Christian Sewing propagiert am Freitag energisch die Notwendigkeit raschen Wandels, um zu verhindern, dass die Bank, der ausländische Wettbewerber zuletzt schon merklich Marktanteile abgenommen haben, vollends abgehängt wird. Von Investitionen ist dabei weniger die Rede, dafür umso mehr vom Plattform-Banking. “Unsere größte Bedrohung ist, dass wir zum Produktlieferanten für Plattformen mit Hunderten von Millionen Nutzern werden”, erklärt Sewing auch mit Blick auf die großen Technologiekonzerne. “Wir brauchen eine europäische Antwort auf Plattformen aus den USA und Asien.” Die von der Deutschen Bank betriebenen Plattformen, unter anderem die Einlagenvermittlungsplattform “Zinsmarkt”, auf der Kunden die Wahl zwischen vier Zinsen offerierenden Banken haben und über die bislang rund 500 Mill. Euro an Depositen vermittelt wurden, genügen diesem Anspruch augenscheinlich nicht.Um an Größe und Gewicht zu gewinnen, muss die Bank dabei keineswegs zwangsläufig eine Fusion wagen, wie Sewing erklärt. Im Bankgeschäft der Zukunft könnten auch Joint Ventures angezeigt sein, sagt er. Letztlich zähle einzig und allein, wie eine Bank für ihre Kunden relevant bleiben könne.Der Vorstandsvorsitzende jenes Instituts, dem gemäß der aktuellen Fusionsfantasie in einem Zusammenschluss der beiden privaten deutschen Großbanken die Rolle des Junior-Partners zugedacht ist, hadert dabei unterdessen unverhohlen mit der digitalen Infrastruktur im Land des Exportweltmeisters, das er als “overbanked” und “under digitalized” bezeichnet. Das politische Umfeld müsse eben auch offen sein für Digitalisierung, eröffnet Martin Zielke dem Publikum in der Alten Oper. In dieser Hinsicht seien die USA und Asien Europa einfach voraus. Dies gelte etwa für den Zugang zu Cloud-Anbietern, dem in Zukunft eine Schlüsselrolle zukommen werde. Zielke: “Wir haben in der EU keinen Cloud-Dienstleister. Und aus Sicht der Branche und der Politik müssen wir darüber nachdenken, wie wir dies ändern können. Sonst werden wir immer von US-amerikanischen oder chinesischen Cloud-Diensten abhängen, und ich glaube nicht, dass dies die beste Lösung ist.”—– Wertberichtigt Seite 6