Serie Förderbanken (12)Investitionsbank Schleswig-Holstein

„Aus Marktversagen ergibt sich dauerhafte Legitimation“

Seit ihrem Start als rechtlich selbständige Förderbank im Jahr 2003 kommt die Investitionsbank Schleswig-Holstein (IB.SH) auf ein Fördervolumen von 48 Mrd. Euro. Der Bestwert beim Neugeschäft fiel mit 4,4 Mrd. Euro in das Pandemiejahr 2021. Vorstandschef Erk Westermann-Lammers zieht im Interview Bilanz.

„Aus Marktversagen ergibt sich dauerhafte Legitimation“

Serie Förderbanken (12): Erk Westermann-Lammers im Interview

"Aus Marktversagen ergibt sich dauerhafte Legitimation"

Der Vorstandschef der Investitionsbank Schleswig-Holstein über die ersten 20 Jahre und über künftige Aufgaben des fünftgrößten Landesförderinstituts

Seit ihrem Start als rechtlich selbständige Förderbank im Jahr 2003 kommt die Investitionsbank Schleswig-Holstein (IB.SH) auf ein Fördervolumen von 48 Mrd. Euro. Der Bestwert beim Neugeschäft fiel mit 4,4 Mrd. Euro in das Pandemiejahr 2021. Vorstandschef Erk Westermann-Lammers zieht im Interview Bilanz.

Herr Westermann-Lammers, die IB.SH blickt als rechtlich selbständiges Förderinstitut in diesem Jahr auf eine 20-jährige Geschichte zurück. Wie kam es zur Gründung?

Die Investitionsbank Schleswig-Holstein wurde zum 1. Juni 2003 mit bilanzieller Rückwirkung zum 1. Januar 2003 als rechtlich selbständige Einheit aus der Landesbank Schleswig-Holstein ausgegründet. Mit diesem Schritt wurden Vorgaben der EU-Kommission und infolgedessen des Landes Schleswig-Holstein umgesetzt. „Verständigung I“ regelte, dass Geschäftsbank und Förderinstitut voneinander getrennt sein müssen. Mit „Verständigung II“ wurden staatliche Haftungsgarantien auf das reine Fördergeschäft begrenzt. Die Implementierung erfolgte damals in einer partnerschaftlichen Zusammenarbeit von Entscheidungsträgerinnen und -trägern der schleswig-holsteinischen Landesregierung, der ehemaligen Landesbank Schleswig-Holstein und der Investitionsbank. Die Investitionsbank als wirtschaftlich selbständige, aber noch rechtlich unselbständige Einheit wurde bereits 1991 gegründet.

Gab es ein Vorbild für die IB.SH in der deutschen Förderbankenlandschaft?

Ein unmittelbares Vorbild gab es bei der Ausgründung der IB.SH nicht. Eine konkrete Vorbildfunktion ergab sich auch deshalb nicht, weil Förderbanken je nach Bundesland und seinen wirtschaftlichen Besonderheiten in ihren Aufgabenschwerpunkten unterschiedlich ausgerichtet sind.

Beim Verhältnis der Bilanzsumme der IB.SH zur Wirtschaftsleistung (BIP) Schleswig-Holsteins liegt die IB.SH im bundesweiten Vergleich aller 17 Landes-Förderinstitute zusammen mit der NRW.Bank mit einer Quote von über 20% an der Spitze. Wie erklärt sich die relativ große Bedeutung der Bank?

IB.SH und NRW.Bank sind beim Förderkreditgeschäft ähnlich breit aufgestellt. Ein differenziertes Förderangebot hat zur stabilen Entwicklung der IB.SH beigetragen und erklärt die hohe Bedeutung der Förderbank für Schleswig-Holstein. Unser Angebot umfasst Dienstleistungen und Produkte in allen Segmenten – Arbeitsmarkt, Struktur- und Stabilisierungsförderung, Unternehmen, Kommunen und Immobilien – mit Darlehen und Zuschüssen als Förderelementen. Hinzu kommt die Europa-Förderung.

Seit Gründung der IB.SH gab es mehrere wirtschaftliche Krisenphasen, in denen Förderbanken ihr Neugeschäft deutlich ausweiteten, um negative Auswirkungen auf die Realwirtschaft abzufedern. Inwiefern ist die relativ große Bedeutung der IB.SH für Schleswig-Holstein auch mit ihrer Rolle in diesen Phasen zu erklären?  

Förderbanken haben grundsätzlich die Aufgabe, die Menschen, Unternehmen und Kommunen zu unterstützen. In Krisen ist in besonderem Maße die stabilisierende Wirkung von Förderbanken gefragt und steht auch in der Öffentlichkeit im Fokus. Die Coronakrise hat das nochmal sehr deutlich gezeigt. Wir haben für unsere Analyse der Krisenjahre bewusst die Förderung durch die Corona-Hilfsprogramme getrennt von unserem Kern-Fördergeschäft ausgewiesen. Diese Betrachtung hat gezeigt, dass in unseren originären Bereichen Firmenkunden, Immobilien, Kommunen wie auch Arbeitsmarkt und Strukturförderung in starkem Maße zukunftsweisende Investitionen unterstützt werden konnten. Damit ist der Bedeutungszuwachs der IB.SH in den Coronajahren nicht allein auf das Element der Krisenbewältigung beschränkt.

Mit welcher Zielsetzung trat die IB.SH 2003 an? Inwiefern gelten die damaligen Ziele heute, bzw. wie haben sich die Ziele und Aufgaben zwischenzeitlich verändert?

Die IB.SH ist 2003 mit der Maßgabe angetreten, das Land Schleswig-Holstein bei der Erfüllung wirtschafts- und strukturpolitischer Aufgaben zu unterstützen. Diese Zielsetzung und die daraus resultierenden Aufgaben wurden im Investitionsbankengesetz und in unserer Satzung konkretisiert. Im Kern hat sich an den Zielen und Aufgaben seither nichts Grundlegendes geändert. In unserer strategischen Ausrichtung haben in den vergangenen Jahren Digitalisierung und Nachhaltigkeit an Bedeutung gewonnen. Besonders das Thema Nachhaltigkeit wird in Zukunft in allen Förderbereichen noch relevanter werden.

2022 waren Kommunalkunden vor Firmen- und vor Immobilienkunden gemessen am jeweiligen Förderneugeschäft das größte Segment der IB.SH. Wie sieht die Bilanz nach 20 Jahren aus: In welchem Segment wurden die meisten Mittel vergeben?

Unser Förderneugeschäft hat sich in den vergangenen 20 Jahren in wechselnden Segmenten unterschiedlich stark gezeigt. Eine wesentliche Rolle spielen dabei sich verändernde Markt- und Förderbedingungen. Das hohe Förderneugeschäft im Kommunalkundenbereich 2022 ist dafür ein Beispiel. Es erklärt sich im Kern daraus, dass der 2022 stark ansteigende Marktzins Kommunen veranlasste, anstehende Investitionen früher zu finanzieren. Auch während der Finanzmarktkrise haben wir einen deutlichen Anstieg des kommunalen Fördergeschäfts gesehen. Hier spiegelte sich wider, dass sich einige andere Marktakteure in dieser Zeit aus der Kommunalfinanzierung zurückgezogen haben. Als Förderbank sind wir unserer Aufgabe nachgekommen, in diesem Bereich stabilisierend zu wirken. Ab 2010 führte dann eine steigende Nachfrage im Immobilienmarkt zu einer wachsenden Bedeutung der Förderaktivitäten im Immobilienbereich und insbesondere auch im Segment des sozialen Wohnungsbaus. Die in den folgenden zehn Jahren insgesamt gute wirtschaftliche Entwicklung in Deutschland schlug sich zudem in unserem Firmenkundensegment nieder.

Welche Bedeutung hatten seit 2003 die Durchleitung von Förderprogrammkrediten der KfW, der Landwirtschaftlichen Rentenbank und das Förderrefinanzierungsgeschäft mit Banken und Sparkassen?

Die Höhe der durchgeleiteten Mittel hat sich seit 2003 in einer Größenordnung von 400 bis nahezu 1.000 Mill. Euro bewegt, im Mittel lag ihr Wert bei rund 650 Mill. Euro. Auch an diesem Segment zeigt sich die Bedeutung der IB.SH in Krisen sehr deutlich. So sind infolge der Finanzmarktkrise die Förderrefinanzierungen im Bankensektor auf über 900 Mill. Euro gestiegen. Darin kommt zum Ausdruck, dass eine passgenaue Refinanzierung für Banken ein wichtiges Förderelement darstellt. Während Corona haben die durchgeleiteten Mittel nahezu 1 Mrd. Euro erreicht. Dieser Anstieg spiegelt im Wesentlichen die KfW-Corona-Kredite für Unternehmen, Selbständige und Freiberufler wider.

Welche Rolle spielt die Bearbeitung und Abwicklung von Bundes-, Landes- und EU-Förderprogrammen? Auf welchen Anteil kommen diese Aufgaben nach den ersten 20 Jahren?

In den vergangenen Jahren haben diese Förderprogramme in aller Regel nicht mehr als 20% unseres Fördervolumens ausgemacht. 2022 erreichten sie – unter Berücksichtigung der Coronahilfen – mit 26% einen Spitzenwert. Selbst in den Ausnahme-Coronajahren haben unsere am Markt refinanzierten Förderaktivitäten den überwiegenden Teil unserer gesamten Förderaktivitäten ausgemacht. Neben der weitgehend gleichmäßigen Verteilung unserer Förderungen auf die einzelnen Segmente bildet das ein Kernelement unserer stabilen Geschäftsentwicklung.

Wie wird das Ziel, aus eigener Ertragskraft Wachstum, Fortschritt und gute Lebensbedingungen in Schleswig-Holstein zu fördern, erreicht?

Seit 2003 ist das BIP in Schleswig-Holstein um 72% gestiegen. Das entspricht nahezu der Entwicklung in Deutschland insgesamt, hier ist das BIP in den letzten 20 Jahren um 75% gestiegen. Die Zahl der Einwohner hat sich um 4% erhöht, und es gibt 16% Erwerbstätige mehr als noch vor 20 Jahren. Bei der Gründungstätigkeit nimmt Schleswig-Holstein inzwischen einen vorderen Platz ein – 2021 lag es hinter Berlin und Hamburg auf Platz 3. Von 10.000 Erwerbsfähigen haben 120 Personen eine selbständige Tätigkeit begonnen. Die IB.SH leistet über ihr Beratungs- und Produktangebot einen Beitrag zur wirtschaftlichen Entwicklung Schleswig-Holsteins. In den vergangenen 20 Jahren konnte die IB.SH zum Beispiel 84.000 Familien zu Wohneigentum verhelfen und rund 100.000 Menschen mit dem Aufstiegs-BAföG begleiten. Mit der Förderung von Investitionen in erneuerbare Energien, Digitalisierung und Nachhaltigkeit hat die IB.SH Grundlagen für den Transformationsprozess geschaffen und damit Zukunftsperspektiven eröffnet.

Seit 2022 gilt eine neue Leitlinie
für nachhaltiges Förder- und Anlage­geschäft. Inwiefern verändern diese Vorgaben das Tagesgeschäft der IB.SH? Welche Fördermittel, die in den
vergangenen Jahren ausgereicht wurden, vergibt die Bank künftig
nicht mehr?

Bereits 2020 hat sich der Vorstand der IB.SH in einer Selbsterklärung zur Umsetzung von Sustainable Finance bekannt. Mit der Leitlinie für nachhaltiges Förder- und Anlagegeschäft haben wir unser Vorgehen nun dahingehend konkretisiert und Ausschlusskriterien formuliert. Konkret werden Fördermittel auf die folgenden Kriterien hin untersucht: die Ablehnung von Menschenrechtsverletzungen und Verstößen gegen verantwortungsvolle Unternehmensführung, eine verantwortungsvolle Unternehmensführung anhand der zehn
Leitsätze des UN Global Compact und den Ausschluss kontroverser Geschäftsfelder. Unsere Zielsetzung ist es dabei immer, für das Thema Nachhaltigkeit
zu sensibilisieren und den Transformationsprozess zu mehr Nachhaltigkeit zu fördern, nicht Investitionen zu ver­hindern.

Die IB.SH refinanziert sich über verschiedene Quellen wie KfW, Landwirtschaftliche Rentenbank, die Europäische Investitionsbank und die Emission von Anleihen. Gibt es einen Größenvorteil bei der Refinanzierung? Welche Quellen waren die wichtigsten in den ersten 20 Jahren?

Seit Gründung der IB.SH wurde Wert auf einen Refinanzierungsmix gelegt, der es uns ermöglicht, die Förderaktivitäten unseres Hauses bestmöglich – auch unter Beachtung von Risiko- und Diversifikationsaspekten – zu unterstützen. Bis ins Jahr 2014 bestand unsere Refinanzierung schwerpunktmäßig aus Mitteln der KfW, der Landwirtschaftlichen Rentenbank (LR), der Europäischen Investitionsbank (EIB) und Schuldscheindarlehen. Seit 2014 ist das Emittieren von Inhaberschuldverschreibungen (IHS) – als Ersatz von Schuldscheindarlehen – ein wesentliches Instrument unserer Refinanzierungsstrategie. Größenvorteile bei der Refinanzierung sehen wir nicht. Entscheidender ist aus unserer Sicht eine klar kommunizierte Refinanzierungsstrategie für Investoren und den Kapitalmarkt. Diese besteht bei uns aus mindestens einer Benchmarkanleihe pro Jahr, ergänzt um Private Placements. Refinanzierungen über die KfW, LR und EIB stellen aber nach wie vor einen wichtigen Baustein in der Refinanzierung unseres Hauses dar. Dabei gewinnt der Nachhaltigkeitsaspekt immer stärker an Bedeutung. So sind wir überzeugt, dass sich unser ISS ESG Prime Rating positiv auf unsere Refinanzierungsaktivitäten auswirken wird.

Wie schätzen Sie die Bedeutung der IB.SH für Schleswig-Holstein in den kommenden Jahren verglichen mit heute ein? Worin werden die wesentlichen Aufgaben liegen?

Die Kernaufgaben der IB.SH werden sich auch in Zukunft nicht grundlegend verändern. Aus Marktversagen und Marktstörungen ergibt sich eine dauerhafte Legitimation für die Aktivitäten einer Förderbank. Gerade die letzten Jahre haben dies mit der Corona-Pandemie und dem russischen Angriffskrieg auf die Ukraine deutlich gezeigt. Exogene Schocks, die große Bereiche einer Volkswirtschaft unvermittelt lahmlegen oder zu sprunghaften Veränderungen in den wirtschaftlichen Rahmenbedingungen führen, lassen sich durch Förderbanken abmildern. Sie tragen damit zu einer ökonomischen Stabilisierung bei. Auch bei strukturellen Veränderungen der Wirtschaft können Förderbanken unterstützen. Die IB.SH hat es sich zum Ziel gesetzt, im Transformationsprozess der Wirtschaft hin zu mehr Nachhaltigkeit in Schleswig-Holstein einen wesentlichen Beitrag zu leisten. Wir sehen unter anderem in der Transformationsfinanzierung in den kommenden Jahren einen Schwerpunkt bei den Förderaktivitäten.

Verfügt die IBSH perspektivisch über ausreichend Eigenkapital bzw. Möglichkeiten, das Eigenkapital aus eigener Kraft zu stärken?

Per 31. Dezember 2022 lag unsere Gesamtkapitalquote bei 20,3%. Wir leisten aus eigener Ertragskraft regelmäßig eine Dotierung der Eigenmittel, die ausreicht, um unser zukünftiges Wachstum zu hinterlegen. Unsere stabile Kapitalausstattung ist sinnvoll. Sie gibt uns die Fähigkeit, auch bei zukünftigen Krisen flexibel zu reagieren und unseren Aufgaben nachkommen zu können.

Die Fragen stellte Carsten Steevens. Zuletzt erschienen: NBank: „Wir werden das darstellen, was ihr bei uns bestellt“ (2. September) Förderbanken sind ein Resilienzfaktor (26. August) EU-Förderbank EIB expandiert – und will mehr (22. August) Brandenburgs Förderbank ILB ist für nächsten Schritt bereit (19. August)

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