Immobilienbranche sucht Orientierung
Immobilienbranche sucht Orientierung
Auf der Immobilienmesse Expo Real steht der Austausch im Vordergrund – Markterholung im späteren Verlauf von 2024 erwartet
Die Unsicherheit über die weitere Entwicklung der Immobilienbranche ist überall fast schon mit Händen zu greifen. Das gilt für die Entwicklung der Zinsen wie der des Homeoffice. Über allem steht die Nachhaltigkeit mit dem Akronym ESG. Verlangt wird sie von vielen Büro-Investoren und -Mietern.
tl München
Für Peter Axmann, Leiter Immobilienkunden bei der Hamburg Commercial Bank (HCOB), steht der Gedankenaustausch mit anderen Marktteilnehmern im Vordergrund seines diesjährigen Besuchs der Immobilienmesse Expo Real in München. „Angesichts des niedrigen Transaktionsvolumens auf den Immobilienmärkten fragt man sich, wann Käufer und Verkäufer wieder zusammenfinden. Wann ist der Boden erreicht?“ Für den erfahrenen Immobilienexperten ist die Orientierung der Hauptzweck der Messe 2023 – aber nicht nur für ihn: „Ich stelle eine starke Nachfrage nach Gesprächen fest“, so Axmann. Dazu passt, dass in diesem Jahr besonders viel Analysten nach München gekommen sein sollen.

Für die Hamburger hatte der schwache Markt zur Folge, ihre Neugeschäftsplanung (ohne Prolongationen) für 2023 von 1,85 Mrd. Euro auf 1,6 Mrd. Euro zu reduzieren. „Das wäre das Vorjahresniveau. Es sieht so aus, dass wir das schaffen werden.“ Dabei stehen Logistik, Wohnen und Portfolien im Vordergrund. Bei der traditionellen Nummer 1, Büros, sieht Axmann besonders viel Bewegung nach unten und verweist auf den Trend zum Homeoffice, die wirtschaftliche Entwicklung, auslaufende Mietverträge und nicht zuletzt ESG.
Wichtig auch für Banken
Nachhaltigkeit ist aber nicht nur wichtig für Geldgeber und Investoren, sondern auch für die Banken. „Wir müssen der Aufsicht einen Plan vorlegen, in dem wir zeigen, wie unser Portfolio im Einklang mit den Pariser Klimazielen Netto-null-Emissionen erreicht.“ Ausgehend von dem aktuellen Portfolio bedeute dies, dass es jedes Jahr nachhaltiger werden muss. Sprich: „Schlechte“ Immobilien müssen im Sinne von „brown to green“ ertüchtigt werden. „Das finanzieren wir gern“, betont Axmann.
Auf der anderen Seite bedeutet dies, dass Immobilien ohne „grüne“ Perspektive immer schwerer finanzierbar sind. Bei Büros beobachtet Axmann seit Mitte 2022 Wertverluste von 20 bis 25%. „Signifikante Wertverluste hat es aufgrund der stark gestiegenen Zinsen auch für grüne Gebäude gegeben.“ Axmann rechnet insbesondere bei Bürogebäuden in Nebenlagen mit weiteren Rückgängen. „Immerhin müssen jetzt 6,5% – 4,5% Kreditzins und 2% Tilgung – bei Neukrediten bedient werden.“ Da stelle sich die Frage, ob der Cashflow aus den Objekten ausreicht. „Die Verhandlungen werden deutlich schwieriger. Manchmal muss bei Prolongationen auch Kapital nachgeschossen werden.“
Die Zahl leistungsgestörter Kredite wird zunehmen. Das treffe auch die HCOB, allerdings in beherrschbarem Umfang, da die Bank bereits seit zwei Jahren bei Neufinanzierungen und insbesondere bei Projektentwicklungen zurückhaltend agierte. „Gleichwohl haben wir unsere Restrukturierungsabteilung personell aufgestockt.“ Es gehe darum, mit den Kunden möglichst frühzeitig ins Gespräch zu kommen. „Wir sagen dem Kunden eben schon ein halbes Jahr vor Termin, dass die Prolongation nur dann funktioniert, wenn er eine entsprechende Tilgung leistet. Dann kann sich der Kunde darauf einstellen.“
Optimistisch für die Zukunft
Mit Blick auf die Zukunft ist Axmann optimistisch, dass 2024 ein Übergangsjahr wird und der Markt frühestens im zweiten Halbjahr wieder anspringen wird. „Es kann aber auch erst Ende kommenden Jahres so weit sein.“ Für die HCOB bedeutet dies, dass sie für 2024 nur wenig mehr Neugeschäft plant: „Es geht Richtung 2 Mrd. Euro.“ Favoriten bleiben für den Finanzierungsexperten Logistik, Wohnen und, „wenn das Bild klarer ist“, auch Büros, sofern sie sich in guter Lage befinden und bereits ESG-konform sind oder während der Kreditlaufzeit nachhaltig gemacht werden können.
Beim Einzelhandel, der „langsam seinen Boden auf niedrigem Niveau findet“, sieht Axmann ebenso wieder Einstiegschancen wie bei Hotels, die sich nachhaltig erholten. „Allerdings ist der Hotelmarkt noch nicht richtig angesprungen. Da könnte man sich mit konservativen Strukturen langsam wieder engagieren.“ Eine interessante Nische sind für die HCOB Life-Science-Immobilien mit Laboren und Büros. „Dafür gibts eine hohe Nachfrage.“ Auch hier sieht Axmann Neugeschäft in der für die Bank üblichen Größe von 20 bis 100 Mill. Euro – darüber in Konsortien – als prinzipiell möglich an.