BAG Hamm kalkuliert mit spitzem Bleistift
IM GESPRÄCH: RENÉ KUNSLEBEN
BAG Hamm kalkuliert mit spitzem Bleistift
Bad Bank der Genossenschaftsbanken ruht auf zwei Säulen – Sanierungsfälle bringen so manche Kuriosität in die Bilanz
Von Annette Becker, Hamm
Als Bad Bank der genossenschaftlichen Finanzgruppe kann sich die BAG Hamm nicht über einen Mangel an Arbeit beklagen. Im Gespräch erzählt Vorstandssprecher René Kunsleben, wie sein Haus bei der Verwertung der notleidenden Assets vorgeht und über Kuriositäten, die sich in den Bilanzen der Primärbanken finden.
„Ob Kredite, Immobilien oder Beteiligungen – wir haben schon so ziemlich alles an Assetklassen bearbeitet. Wir haben Eissporthallen, Spaßbäder und Hotels betrieben, aber auch Pflegeheime oder Wasserquellen an der Adria.“ Mit diesen Worten umreißt René Kunsleben, Vorstandssprecher der BAG Bankaktiengesellschaft, das weite Betätigungsfeld der Bad Bank der genossenschaftlichen Finanzgruppe.
An Kuriositäten in den Büchern mancher genossenschaftlichen Primärbank mangelt es nicht. Sie kommen meist aber erst ans Tageslicht, wenn es zu spät ist.
Dann rückt die Sicherungseinrichtung der Finanzgruppe aus und schirmt im ersten Schritt die finanziellen Risiken ab. Im nächsten Schritt kommt die BAG Hamm ins Spiel. Ihre Aufgabe ist es, die notleidenden Assets zu verwerten. „Unser größter Vorteil gegenüber Ortsbanken ist unser reichhaltiger Erfahrungsschatz“, sagt Kunsleben im Gespräch.
Immobilien aus dem Rotlichtmilieu
Im vergangenen Jahr gab es für die BAG viel zu tun, musste die Sicherungseinrichtung des BVR doch gleich viermal zum Feuerwehreinsatz ausrücken. Seither gehören beispielsweise auch Immobilien aus dem Rotlichtmilieu in Oberhausen zum Portfolio der BAG Hamm. Von einer außergewöhnlichen Häufung von Sanierungsfällen will Kunsleben jedoch nicht sprechen: „Bei den heutigen Sanierungsbanken handelt es sich um Einzelfälle. 99% der Genossenschaftsbanken sind gut geführt.“
Der Blick in die Vergangenheit gibt dem BAG-Chef sogar recht, häuften sich die Sanierungsfälle zur Jahrtausendwende doch in ungleich größerem Umfang. Damals zählte die Gruppe allerdings auch noch mehr als 1.000 Primärinstitute, heute sind es nur noch 672. Dass es die BAG Hamm überhaupt noch gibt, liegt nicht zuletzt an den Geschehnissen zur Jahrtausendwende. Denn ursprünglich sollte das Institut nach ihrer eigenen Abwicklung liquidiert werden. Dann besannen sich die Kreditgenossen eines Besseren und etablierten das Institut als Kompetenzcenter zur Bearbeitung notleidender Engagements. Zu dieser Zeit beschränkte sich das Betätigungsfeld auf die Verwertung der Assets von Sanierungsbanken.
Als Dienstleister unterwegs
„In den frühen 2010er Jahren gab es in manchen Jahren gar keinen Sanierungsfall, wir verfügten aber über das Know-how und die Kapazitäten. Damals haben wir uns allen Genossenschaftsbanken geöffnet“, erzählt Kunsleben. Seither bietet die BAG den Volks- und Raiffeisenbanken die Bearbeitung problembehafteter Kredite entweder als reine Dienstleistung an oder sie kauft die Forderungen.
„Heute haben etwa 250 Ortsbanken mit uns einen Rahmenvertrag geschlossen. Das ist unser Brot-und-Butter-Geschäft“, erläutert Kunsleben. In dieser Geschäftssäule gibt es zwar Wettbewerb, beispielsweise von Plattformen wie Debitos, die Investoren mit Verkäufern notleidender Kredite zusammenbringen. „Aus Sicht vieler Genossenschaftsbanken geht damit aber auch ein Reputationsrisiko einher“, gibt sich der BAG-Chef entspannt.
Bei der Bewertung sind wir relativ vorsichtig in der Kalkulation.
René Kunsleben
Die zweite Säule des Geschäfts sind Sanierungsfälle. Hier sind die Volumina größer. Außerdem muss sie die BAG die angeschlagenen Assets nolens volens auf die eigene Bilanz nehmen. Aus diesem Grund hat sich die Bilanzsumme der Bad Bank im vorigen Jahr mal eben verdoppelt. Nach bisherigem Stand beläuft sich der Schaden der vier Sanierungsfälle – VR-Bank Bad Salzungen Schmalkalden, Volksbank Dortmund-Nordwest, Volksbank Düsseldorf Neuss und Raiffeisenbank im Hochtaunus – auf 1,2 Mrd. Euro. Dass es dabei nicht bleibt, zeichnet sich jedoch heute schon ab.
Klar ist, dass die notleidenden Assets am Ende bei der BAG Hamm landen werden, natürlich zu deutlich niedrigeren Wertansätzen. „Bei der Bewertung sind wir relativ vorsichtig in der Kalkulation“, sagt Kunsleben. Das muss auch so sein, denn werden die unter Wasser stehenden Assets zu teuer angekauft, schreibt am Ende die Abwicklungsbank rote Zahlen.
„Wenn bei der Verwertung ein Verlust entsteht, müssen wir ihn anderweitig ausgleichen. Grosso modo gleicht sich das auf Portfolioebene aus“, erläutert Kunsleben.
Unsere Zielsetzung ist nicht die Gewinnmaximierung.
René Kunsleben
Fantasiepreise, sprich zu hohe Abschläge, kann die BAG jedoch nicht aufrufen, sind doch auf Seiten der Ortsbank und der Sicherungseinrichtung ebenfalls Wirtschaftsprüfer zugange. „Unsere Zielsetzung ist nicht die Gewinnmaximierung, sondern die Qualitätsführerschaft. Das heißt, wir wollen die Problemengagements bestmöglich und nach Möglichkeit geräuschlos bearbeiten“, umreißt der BAG-Chef den eigenen Anspruch. Den Eigenkapitaleinsatz will die BAG gleichwohl verdienen.
Zumal die Jahresüberschüsse ohnehin an die Solidargemeinschaft abgeführt werden, denn die Bad Bank der Genossen ist immer noch damit beschäftigt, ihren eigenen Besserungsschein abzustottern.
Vier Sanierungsfälle
Als die BAG ihren Jahresabschluss aufstellte, waren die vier Sanierungsfälle zwar schon bekannt, aber nicht überall stand die Größenordnung schon fest. So übernimmt die BAG von der Volksbank Dortmund-Nordwest vor ihrer Fusion mit der Dortmunder Volksbank noch in diesem Jahr eine Teilbilanz im Nominalvolumen von 250 Mill. Euro aus.
Auch von der Volksbank Düsseldorf Neuss kommen Kredite auf die BAG zu. Denn die Düsseldorfer haben zusätzlich zu dem bekannten Betrugsfall hohen Wertberichtigungsbedarf im Kreditgeschäft aufgedeckt. Ebenfalls noch nicht gefixt ist der Sanierungsbedarf bei der Raiffeisenbank im Hochtaunus. Die Bank hat sich an Gewerbeimmobilien verhoben. Hier ist von gut 400 Mill. Euro die Rede.
Ohne Druck vom Kapitalmarkt
„Für gewöhnlich werden wir erst nach der Abschirmung durch die Sicherungseinrichtung eingeschaltet“, erläutert Kunsleben und ergänzt: „Gefährlich wird es dann, wenn ein problembehafteter Kredit unbearbeitet herumlag oder eine Immobilie über Jahre ohne Hausverwaltung war. Dann ist der Schaden längst eingetreten und es ist egal, ob wir fünf Wochen früher oder später hinzugezogen werden.“ Das fließt natürlich in die Bewertung ein. „Die verlustschonende Verwertung ist unsere oberste Maxime, auch wenn wir eine rasche Abwicklung anstreben“, beschreibt Kunsleben. „Dennoch macht es einen Unterschied, ob man unter dem Druck des Kapitalmarkts agiert oder nicht.“