Strategie

Banken sollen mehr Risiken eingehen

Banken sollen im Kundengeschäft mehr Risiken eingehen, um ihre geringe Ertragskraft zu stärken, meint Strategy&, der Beratungsarm von PwC. Steuern ließen sie sich durch eine Syndizierung und Ausplatzierung von Krediten.

Banken sollen mehr Risiken eingehen

Von Bernd Neubacher, Frankfurt

Nach Bekanntwerden zentraler Elemente der Umsetzung des globalen Regelwerks Basel III in der EU am Donnerstag appelliert Strategy&, der Beratungsarm der Prüfgesellschaft PwC, an Deutschlands Banken, sich neu auszurichten, vor allem aber erst einmal entschlossen Kosten zu senken. „Das wird noch lange Zeit der längste Hebel bleiben“, sagt Philipp Wackerbeck, Global Head of Financial Services bei Strategy&, der Börsen-Zeitung.  Laut der Studie „Transforming European Banks“, die PwC und Strategy in der neuen Woche publizieren wollen, lassen sich die operativen Kosten europäischer Banken binnen drei bis vier Jahren um nicht weniger als bis zu 40% reduzieren.

Dabei sollen rasch umsetzbare Maßnahmen die ersten fünf bis zehn Punkte ermöglichen, eine selektive Straffung des Geschäftsmodells Banken danach zur Kostenreduktion um 15 bis 20% führen und eine radikale Neukonzeptionierung des Geschäftsmodells letztlich ein Potenzial von 30 bis 40% eröffnen.

Basel III sorgt für Druck

Wackerbeck berichtet anekdotisch von Abteilungen, in denen nach Re­duktion ihres Personalbestands um zwei Drittel die Produktivität und auch die Zufriedenheit der dort Be­schäftigten schon deshalb zunahm, weil ein Großteil der internen Konferenzen zur Abstimmung entfallen war. „Die Umsetzung des Abschlusses von Basel III in Europa wird den Druck, Kosten zu senken, noch einmal erhöhen, vor allem auf Banken, die Firmenkundengeschäft und Im­mo­bilienfinanzierung anbieten und mit internen Modellen arbeiten“, kommentiert Wackerbeck die soeben publik gewordenen Vorschläge der Kommission, welche nach Schätzungen der Behörde die Mindestkapitalanforderungen an Europas Banken bis 2030 um 6 bis 8% erhöhen werden.

Das größte Problem der Institute ist freilich nicht deren Kapitalisierung, sondern eine gähnende Lücke zwischen Eigenkapitalrendite und Kapitalkosten, die sie im Vergleich zu Banken aus den USA oder Asien für Anleger reichlich unattraktiv aussehen lässt.

Im vergangenen Jahr klaffte in Europa ein Delta von 8,4 Prozentpunkten, mehr als das Dreifache des Vorjahres (siehe Grafik), und dies, obwohl die Aufsicht sowie Geld- und Fiskalpolitik in der Pandemie aus allen Rohen feuerten, um der Branche unter die Arme zu greifen. „Dass es den Banken derzeit recht gut geht, liegt auch an Sondereffekten wie dem künstlich niedrigen Zinsumfeld“, stellt Wackerbeck fest und er­klärt zugleich: „Man wird sich nicht nur gesund schrumpfen können. Es geht auch darum, intelligenter Erträge zu generieren.“

„Eine der größten Chancen“

Im Zuge ihrer Neuausrichtung sollen sich Banken Strategy& zufolge auf die Finanzierung des Umbaus zu einer nachhaltigeren Wirtschaft einstellen. „Der Megatrend Nachhaltigkeit ist eine der größten Chancen für deutsche und europäische Banken, um international wieder an Statur zu gewinnen“, merkt Wackerbeck an. „Dies haben viele Banken in Deutschland noch nicht erkannt.“ Was das Kapitalmarktgeschäft und Innovationen im Retail Banking angehe, dominierten längst US-Banken und asiatische Institute das Geschehen. Sollten deutsche Institute den Nachhaltigkeitsgedanken verinnerlichen, an­statt ihn nur als neuerliche Regulierungswelle zu betrachten, könnte eine konsequente Positionierung im Idealfall dazu führen, dass sich bei Kunden die Meinung bilde, im Falle bestimmter nachhaltiger Dienstleistungen an einer deutschen Bank nicht vorbeizukommen.

Ein Herz für Mezzanine

Momentan deutet darauf nicht allzu viel hin. So bescheinigte Bundesbank-Vorstandsmitglied Joachim Wuermeling Deutschlands Kreditwirtschaft vor wenigen Wochen, „noch nicht“ gerüstet zu sein für die in den kommenden Jahren anstehende Transformationsfinanzierung. Wo­möglich werde da kein klassischer Kredit gewünscht, sondern eher ein eigenkapitalähnliches Finanzierungsinstrument.

Wackerbeck sieht eben darin zu­gleich die Chance der Banken, ihre Er­tragskraft zu stärken. Banken sollen nicht nur den Mut aufbringen, sich radikaler von nicht profitablen Kundenbeziehungen zu trennen, sondern sich auch für höhermargige Mezzanine- und Zwischenfinanzierungen öffnen, Produkte, die momentan eine Domäne unter anderem von Kreditfonds sind.

Angesichts eines engmaschigen Re­gulierungsnetzes seien die Banken dazu übergegangen, im Grunde nur noch klassische vorrangige Finanzierungen anzubieten, sagt Wackerback. Auch intern sei für Manager mit Mut zum Risiko wenig zu gewinnen, mancherorts scheue man auch schlicht den mit einem neuen Produkt verbundenen Aufwand.

„Banken müssen ihre Risikobereitschaft in verschiedenen Sektoren und einzelnen Assetklassen neu be­werten“, meint er. „Gleichzeitig dürfen sie damit nicht zu risikoavers werden.

Insbesondere bei der Finanzierung von innovativen Geschäftsmodellen gebe es Potenzial für höhermargiges Geschäft für Banken. Der Berater regt an, dass die Institute dazu übergehen, ihre Risiken durch eine vermehrte, auch das Eigenkapital schonende Syndizierung und Ausplatzierung von Forderungen steuern. Zu den größeren Banken, die sich dies bereits auf die Fahnen geschrieben hat, um auf diese Weise das Provisionsergebnis zu stärken, zählt etwa die Helaba.

Übergangsrisiken

Wackerbeck räumt ein, dass dabei vor allem der Übergang eine Herausforderung darstellt. So müssten die Institute, die auf diese Weise die Umlaufgeschwindigkeit ihrer Bilanz erhöhten, darauf achten, dass sie nicht zu viel Zinsertrag abgeben, so lange das Provisionsergebnis diesen noch nicht kompensiert.

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