Regulierung

Bankenregeln spalten deutsche Finanzaufsicht

Deutschlands Finanzaufseher haben sich in der Kernfrage, ob das Regelwerk Basel III strikt umzusetzen ist, öffentlich unterschiedlich positioniert – die BaFin dabei nach Rücksprache mit Berlin.

Bankenregeln spalten deutsche Finanzaufsicht

Von Bernd Neubacher, Frankfurt

Als am Dienstag 25 führende Aufseher und Notenbanker Europas in einem Brief an die EU-Kommission eine „vollständige, rasche und konsistente“ Umsetzung des Regelwerks Basel III für Banken verlangten, wirkte dies wie eine imposante Phalanx. Einerseits. Andererseits ließ die Initiative zugleich einen bemerkenswerten Riss in der deutschen und europäischen Finanzaufseher-Gemeinde zutage treten: Während sich Bundesbankpräsident Jens Weidmann der Initiative angeschlossen hatte, fehlte die Unterschrift des Präsidenten der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin). Nach Informationen der Börsen-Zeitung hatte sich die Behörde noch unter dem Ende Januar abgetretenen Ex-Präsidenten Felix Hufeld dazu entschieden, der Initiative ihre Unterstützung zu versagen. Hufelds Interims-Nachfolger Raimund Röseler sowie der Anfang August angetretene BaFin-Präsident Mark Branson hätten demnach den offenen Brief durchaus signiert, verzichteten darauf indes nach Rücksprache mit dem Bundesfinanzministerium, das die Rechts- und Fachaufsicht über die BaFin ausübt.

Dies hat eine interessante Vorgeschichte. Denn das Berliner Ministerium hat sich auf EU-Ebene neben Frankreich, Dänemark und Luxemburg offen gezeigt für eine Lockerung der Regeln, welche die Kapitalanforderungen an Banken spürbar erhöhen dürften (siehe Grafik) und von der Branche daher europaweit bekämpft werden. Der Vorschlag der EU-Kommission zur Umsetzung von Basel III wird gegen Ende kommenden Monats erwartet.

Aufsicht mit Biss?

Der Dissens in der deutschen Finanzaufsicht ist gleich aus mehreren Gründen bemerkenswert: Zum einen zählte die Frage, wie kurz die Leine ist, an welcher Berlin die BaFin laufen lässt, zu jenen Angelegenheiten, mit denen sich der Wirecard-Untersuchungsausschuss beschäftigt hatte, um die Verantwortlichkeiten für das Bilanz- und Aufsichtsdebakel rund um den Zahlungsdienstleister aus Aschheim zu klären – war es nicht Finanzminister Olaf Scholz höchstselbst, der nach der Wirecard-Insolvenz für die Zukunft eine Aufsicht „mit Biss“ versprach? Zum Zweiten hat die Episode dem mit extrem viel Vorschusslorbeer bedachten Ex-Finma-Chef Branson, der allgemeiner Vorstellung zufolge bei der BaFin nun aufräumen soll, gleich zu Beginn seiner Amtszeit verdeutlicht, wie in Bonn der Hase läuft.

Nicht besser ist das Bild, das in der Angelegenheit die internationale Aufseher-Riege abgibt: Denn neben der BaFin sucht man unter den Unterzeichnern des Schreibens an EU-Finanzmarktkommissarin Mairead McGuiness auch die Signatur von Frankreichs Notenbankpräsident François Villeroy de Galhau vergebens. Dies entspricht der politischen Linie Frankreichs. Dessen Kreditwirtschaft ist von Großbanken geprägt, denen die neuen Regeln besonders stark zusetzen dürften; deshalb strebt die Politik Erleichterungen im Regelwerk an.

Im Konflikt

Andererseits lässt die Absenz der Notenbank Frankreichs auf einen handfesten Interessenkonflikt seines Notenbankgouverneurs schließen. Denn de Galhau fungiert zugleich als Chair der Group of Central Bank Governors and Heads of Supervision (GHOS). Eben diese Runde lenkt den Baseler Ausschuss für Bankenaufsicht, der nach der Finanzkrise das globale Regelwerk Basel III und Ende 2017 dessen Abschluss erarbeitete, der nun zur Umsetzung ansteht. Damals bereits Mitglied im GHOS: François Villeroy de Galhau. In anderen Worten: De Galhau schert aus, wenn es darum geht, sich für eine strikte Umsetzung von Regeln starkzumachen, die unter seiner Ägide entwickelt wurden. Womöglich hat da jüngst ein Sinneswandel stattgefunden.

Denn angesichts der Pandemie hatte der Zentralbanker im vergangenen Jahr noch beteuert, das GHOS werde sich dafür einsetzen, einheitliche Spielregeln für die Branche weiterhin weltweit sicherzustellen und eine Fragmentierung der Vorschriften abzuwenden. Die Mitglieder im Aufsichtsgremium hätten einstimmig bekräftigt, dass alle Aspekte von Basel III vollständig, zeitnah und konsistent umgesetzt werden sollen. Womöglich beurteilt der GHOS-Chair die Frage der Umsetzung aber auch nur völlig anders als Frankreichs Notenbankgouverneur.

Im Regen stehen gelassen wurde in jedem Fall der spanische Notenbankgouverneur und Vorsitzende des Baseler Ausschusses für Bankenaufsicht, Pablo Hernandez de Cos. In Aufseherkreisen sorgte das Verhalten von BaFin und Frankreichs Notenbank für Unmut. Ein Beobachter bringt das Gebaren de Galhaus gar mit Ambitionen in Verbindung, vom Staatspräsidenten für eine weitere Amtszeit als Gouverneur der Banque de France ernannt zu werden. So könne man sich nicht auseinanderdividieren lassen, heißt es. Eine Institution des öffentlichen Sektors müsse sich, wenn sie glaubwürdig bleiben wolle, an einmal gefasste Beschlüsse halten, sofern sich die Lage der Fakten nicht ändere.

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