Banker-Boni im Widerstreit der Finanzplätze
Banker-Boni im Widerstreit der Finanzplätze
Während die Schweiz Boni für Banker grundsätzlich in Frage stellt, überlegt London, die Regulierung zu lockern
dz Zürich
Nach dem Credit-Suisse-Versagen scheint in Bern alles auf die Einberufung einer parlamentarischen Untersuchungskommission (PUK) hinauszulaufen. Hätten die staatlichen Behörden den zunächst scheinbar schleichenden und dann plötzlich rasend schnellen Niedergang der Großbank anders bewerten müssen? Wurden folgenschwere Fehler gemacht? Wer trägt die Schuld?
Bern versus London
Während sich die PUK bald um die Beantwortung dieser und anderer heikler Fragen kümmern dürfte, wird das Parlament möglicherweise noch vor den Sommerferien über ein generelles Bonusverbot für Banker debattieren. Der Nationalrat hat einem entsprechenden Vorstoß der Sozialdemokraten bereits zugestimmt. Der bürgerlich dominierte Ständerat ist solchen Ideen zwar weniger zugeneigt, doch nach dem CS-Debakel sind viele Szenarien plötzlich denkbar geworden.
Just in die der Schweiz entgegengesetzte Richtung will der Finanzplatz London gehen. Der konservative „Daily Telegraph“ meldete am Samstag, dass die Financial Conduct Authority, die Aufseherin über die „City“, dieser Tage einen Reformvorschlag zu den Bonus- und Gehaltsregeln in der Finanzbranche in die Anhörung geschickt habe. Die Reform solle dem Finanzplatz an der Themse zu einer größeren Wettbewerbsfähigkeit verhelfen.
Der „Telegraph“ hatte in den vergangenen Monaten immer wieder mit alarmistisch klingenden Berichten zur abnehmenden Konkurrenzfähigkeit der Londoner City aufgewartet. Einmal waren es die offenbar gehäuften Verschiebungen britischer Unternehmen, die bei der Notiz der eigenen Aktien den großen US-Börsen gegenüber der London Stock Exchange den Vorzug gäben. Ein andermal waren es die fehlenden Börsenzugänge ausländischer Firmen, wie sie zum Beispiel an der Six Swiss Exchange mit der Zweitnotiz vieler chinesischer Konzerne gerade erstaunlich häufig zu beobachten sind. Und aktuell sind es die 200 City-Arbeitsplätze, welche die britische Großbank Barclays nach Paris zu verlegen plane. Unter dem Stichwort „Big Bang 2.0“ lobbyieren Repräsentanten der City seit längerem zunehmend erfolgreich bei der Regierung für eine markante Abkoppelung der Finanzmarkregulierung von jener der EU, die bis zum Brexit auch für London maßgebend war. In dem aktuellen Reformvorschlag zu Boni und Löhnen schwebt dem City-Watchdog primär eine Lockerung der Entschädigungsregeln für kleinere Finanzgesellschaften vor.
Für Firmen mit einer Bilanzsumme von bis zu 4 Mrd. Pfund soll es fortan keine zwingenden Bedingungen der Rückforderbarkeit von Boni für Spitzenverdiener mehr geben. Auch größere Finanzgesellschaften mit Bilanzsummen von bis zu 20 Mrd. Pfund sollen von regulatorischen Erleichterungen profitieren. Bei Finanzgesellschaften in dieser Größe handelt es sich freilich weniger um traditionelle Banken, sondern um andere Akteure, darunter auch Hedgefonds-Betreiber. Die 2013 verabschiedete und 2014 in Kraft getretene EU-Direktive, welche auf den Erfahrungen aus der Finanzkrise beruhte und die Bonusregeln für Banken in allen EU-Staaten verschärfte, habe gemäß Branchenbeobachtern beträchtliche Auswirkungen auf die Hedgefonds-Industrie gezeigt, in der Manager mit besonderen Gewinnbeteiligungsmodellen teilweise astronomische Summen verdienen.
Zur Debatte stehen aber auch die Bonusbegrenzungen für die Chefs von Großbanken, wie sie in der EU und in Großbritannien seit 2014 gelten. Seither dürfen die Boni europäischer Bankchefs nicht mehr als das Doppelte vom Fixgehalt betragen. Die Regulierung will die Anreize der Manager begrenzen, hohe Risiken einzugehen, um das eigene Gehalt zu steigern.
„Verrücktes System“
Der „Telegraph“ zitiert mit dem für die Überwachung der Finanzstabilität in der Bank of England zuständigen Sam Woods einen besonders prominenten Kritiker des Bonusdeckels: Dessen einziger Effekt bestehe darin, dass er zu einem Anstieg der Fixgehälter führe. „Es ist ein völlig verrücktes System.“ Im Februar hatte die Universität Halle zudem nachgewiesen, dass der Bonusdeckel auch die Manager systemrelevanter Banken nicht zu größerer Vorsicht bringt.