Serie FörderbankenClaudia Hillenherms im Interview

"Bauträger wechseln in geförderten Wohnungsbau"

Gestiegene Baukosten und Zinsen setzen dem Wohnungsbau massiv zu. Dadurch schlägt jetzt die Stunde der Förderbanken, zumindest im geförderten Wohnungsbau.

"Bauträger wechseln in geförderten Wohnungsbau"

SERIE FÖRDERBANKEN (2): CLAUDIA HILLENHERMS IM INTERVIEW

"Bauträger wechseln in geförderten Wohnungsbau"

Vorstandsmitglied der NRW.Bank über Wohnungsnot, Cyberrisiken und unzureichende Berücksichtigung der Transformationsfinanzierung in der EU-Taxonomie

Des einen Leid ist des anderen Freud, sagt der Volksmund. Das trifft zumindest in der öffentlichen Wohnraumförderung auf die Förderbanken zu, wie Claudia Hillenherms, die im Vorstand der NRW.Bank für Finanzen, IT und Wohnraumförderung zuständig ist, im Interview erläutert.

Frau Hillenherms, am Immobilienmarkt ist es im Gefolge von Zinswende und Inflation zu Verwerfungen gekommen. Was bedeuten die veränderten Rahmenbedingungen für die Wohnraumförderung?

Es wird schwieriger am Wohnungsmarkt. Das bedeutet, die öffentliche Wohnraumförderung wird umso relevanter. Auf der einen Seite haben wir höhere Zinsen und Baukosten, auf der anderen Seite steigt die Nachfrage. Gemeinsam mit der Landesregierung haben wir deshalb die Förderung noch einmal deutlich attraktiver gestaltet. Insgesamt stehen 9 Mrd. Euro bis zum Ende der Legislaturperiode, also bis Ende 2027, für die öffentliche Wohnraumförderung zur Verfügung. Wir haben Zuschüsse bzw. Ergänzungsdarlehen für schon genehmigte Projekte aufgrund der Baukostensteigerungen angeboten. Auch bei Modernisierungen wurde der Schwerpunkt noch einmal verändert. Jetzt gibt es bis zu 55% Tilgungsnachlässe.

Worauf liegt der Schwerpunkt?

Wir versuchen den Neubau sehr stark zu fördern. Dort sind wir in der öffentlichen Wohnraumförderung immer noch mit 0% für die ersten fünf Jahre unterwegs, danach sind es 0,5%. Außerdem bieten wir mit bis zu 30 Jahren sehr lange Zinsbindungen.

Zeigt das Wirkung?  

Wir waren 2022 sehr stark unterwegs, besser als 2021. Öffentlich gefördert haben wir knapp 8.000 Wohnungen mit 1,1 Mrd. Euro. Die Nachfrage bei den Bewilligungsbehörden ist weiterhin immens, weil viele Bauträger und andere Investoren vom frei finanzierten Wohnungsbau in den geförderten Wohnungsbau wechseln.

Können Sie das in den Zahlen schon sehen?

Auf Basis der beantragten Bewilligungen stellen wir Hochrechnungen an. Im Vergleich zu 2022 haben wir noch einmal ordentlich draufgesattelt. In den harten Zahlen sieht man das aber erst im vierten Quartal. Deswegen kann ich jetzt noch keine abschließende Aussage treffen.

Heißt das, dass sich die veränderten Rahmenbedingungen vor allem im privaten Wohnungsbau negativ auswirken?

Wir sehen die Schwierigkeiten, versuchen aber mit allen uns zur Verfügung stehenden Mitteln entgegenzuwirken. Wir machen eine Art Dreisprung. Neben dem Neubau geht es jetzt auch verstärkt um Modernisierung. Den dritten Schwerpunkt setzen wir bei der Eigentumsförderung. Hier haben wir unser eigenes Produkt, das NRW.Bank Wohneigentum, auf eine breitere Zielgruppe ausgeweitet, indem wir die Einkommensgrenzen deutlich heraufgesetzt haben.

Lässt sich schon abschätzen, wie sich das als Heizungsgesetz apostrophierte Gebäudeenergiegesetz auf das Geschäft der Förderbank auswirken wird?

Wir müssen zunächst einmal abwarten, wie die KfW-Programme verändert oder angepasst werden. Das hängt davon ab, wie das Gesetz final aussieht. Anschließend schauen wir, ob wir die KfW-Programme NRW-spezifisch noch einmal veredeln können.  

Werden im Zusammenhang mit dem Gesetz neue Aufgaben auf die Förderbanken zukommen?

Förderbanken werden sicherlich einen Beitrag in der Finanzierung leisten. Das flankieren wir mit der Förderberatung. Wir können passgenau sagen, unter den und den Bedingungen sehen unsere Förderbedingungen so und so aus. In Summe wird es für Kunden und Hausbank sicherlich komplexer, weil man jedes Objekt einzeln anschauen muss. Es geht ja immer um den Einzelfall und darum, was wo sinnvoll ist, um die Energieeffizienz des Gebäudes zu verbessern. Mit dem Gesetz dürfte die Rolle der Energieberater an Bedeutung gewinnen.

Sie sind im Vorstand der NRW.Bank nicht nur für Wohnraumförderung zuständig, sondern auch für IT. Damit dürften Cyberrisiken auch für Sie ein großes Thema sein.

Natürlich haben auch wir Cyberrisiken. Im Vergleich zu Sparkassen oder Volksbanken haben wir das Glück, dass wir als Förderbank keinen Zahlungsverkehr oder Einlagengeschäft haben. Wir haben im Wesentlichen mit unseren Hausbanken zu tun. Umgekehrt stehen wir im öffentlichen Fokus. Die entscheidende Frage ist, wo kommen die Angreifer her?

Haben Sie darauf eine Antwort?

Meine persönliche Einschätzung ist, dass Angreifer schauen, wo es am einfachsten geht. Denn die Angreifer agieren unter wirtschaftlichen und nicht unter politischen Gesichtspunkten. Sie wollen möglichst viel Geld rausholen. Statistiken dazu kenne ich allerdings nicht.

Stehen Sie genauso im Risiko wie kommerzielle Banken?

Da wir im Wesentlichen aus der zweiten Reihe heraus agieren, sind wir etwas weniger exponiert. Aber wir müssen uns genauso wie Geschäftsbanken dem Risiko stellen. Wir sind täglich unterwegs und überlegen, wie wir uns noch besser aufstellen können, um die Sicherheit unserer Daten und Systeme zu gewährleisten. Das nimmt immer mehr Raum ein und kostet auch immer mehr Geld.

Wie haben sich die IT-Ausgaben in den letzten drei Jahren verändert?

Da das Thema Sicherheit immer Raum einnimmt, haben wir an dieser Stelle Personal aufgebaut. Es sind weniger die Systemkosten, sondern Personal- und/oder Servicekosten, wenn wir Dritte mit der Überwachung beauftragen. Sie müssen sich das so vorstellen, dass permanent Menschen durchs System laufen und nach Auffälligkeiten Ausschau halten, die auf einen Angriff hinweisen. Das geht von Montag bis Sonntag, 24 Stunden am Tag.

Und wie haben sich die IT-Kosten zuletzt entwickelt?

Die IT-Kosten haben sich in den letzten vier Jahren um über 10% erhöht. Das hört sich überschaubar an, wird sich aber stetig in dieser Größenordnung weiterentwickeln.

Auch Digitalisierung nimmt einen immer größeren Raum ein. Wie verändert sich dadurch die Schnittstelle zu Ihren Kunden?

Die Digitalisierung hat zwei Stoßrichtungen. Zum einen geht es um die Digitalisierung von Prozessen, und zum anderen verschiebt sich die Schnittstelle immer weiter Richtung Kunde. Der Kunde wird immer autonomer und kann immer selbständiger über die Kundenportale seine Daten eingeben, seine Anträge stellen und sieht sofort, wo beispielsweise noch Dokumente fehlen.

Heißt Schnittstelle zum Kunden bei Ihnen die Schnittstelle zu den Hausbanken?

Im Wesentlichen arbeiten wir über das Hausbankverfahren. Da sind die Banken unsere Schnittstelle. Hier nutzen wir das Hausbankenportal FGCenter, an das inzwischen alle drei Säulen angebunden sind. Das System geht bis zur KfW durch. Über diese Schnittstelle laufen pro Jahr etwa 35.000 Anträge. Im Zusammenhang mit den Krisen in den vergangenen Jahren hat unsere Funktion als Dienstleister des Landes in der Zuschussförderung weiter an Bedeutung gewonnen. Hier stehen wir in direktem Kontakt mit den Zuschussnehmern, beispielsweise bei Corona oder den Unwettern. Zusätzlich haben wir in diesen Situationen auch Kredite gewährt.

Bei den Zuschüssen agieren Sie jedoch nur als Mittler, oder?

Mittler insofern, als uns das Land am Ende des Tages das Geld erstattet. Aber der gesamte Prozess, vom Antrag bis zur Auszahlung, läuft über uns.

Wird das Direktgeschäft künftig wachsen?

Wir sind auf zwei Schienen unterwegs. Zum einen erwartet das Land, dass wir in Krisen schnell helfen. Dass wir das können, haben wir bewiesen. Zum anderen wollen wir das Zuschussgeschäft im Zusammenhang mit unseren Kreditprodukten weiter ausbauen. Wir denken darüber nach, vernetzte Förderung zu gestalten. Also einen Förderkredit mit einer Zuschusskomponente zu veredeln.

Auf welche Themengebiete erstrecken sich diese Überlegungen?

Nehmen wir das Thema effizientes Bauen oder Sanieren. Es wäre denkbar zu sagen, es gibt einen Kredit und wer besonders gut im Rahmen der energieeffizienten Sanierung unterwegs ist, also besonders hohe Normen erfüllt, bekommt zusätzlich noch einen Zuschuss.

Werden Sie künftig näher an die Fördernehmer heranrücken?

Allein im Rahmen der Nachhaltigkeitsthemen, wie der Umsetzung der CSRD oder der EU-Taxonomie, wird sich das automatisch ergeben, weil wir vom Fördernehmer Daten benötigen. Über die Förderberatung sind wir aber auch heute schon nah an unseren Fördernehmern. Zugleich leben wir durch unsere Wettbewerbsneutralität einen sehr engen Dialog mit den Hausbanken.

Stichwort: Taxonomie. Wie weit sind Ihre IT-Systeme darauf schon vorbereitet?

Wir können grundsätzlich alle Daten, die wir benötigen, erheben. Die Taxonomie ist aber an Voraussetzungen geknüpft. Wir müssen zum Beispiel nicht bis zu unserem Endkreditnehmer durchgucken, unser direkter Kunde ist die Hausbank. Es hilft uns allerdings in Bezug auf die Aussagekraft der zu berichtenden Taxonomie-Quoten nicht weiter, wenn wir wissen, wie grün die Hausbank ist. Denn die eigentliche Fragestellung ist, wie grün die Kunden der Hausbank sind. Das ist das, woran wir alle momentan intensiv arbeiten. Wir wollen dem Fördernehmer nicht zumuten, dass er die Daten an die KfW, die NRW.Bank und die Hausbank liefern muss und nach Möglichkeit noch drei verschiedene Datensätze. Die Herausforderung ist, möglichst einheitlich zu operieren und letztlich auch vergleichbar zu sein.

Sie sagen, es gibt kein Durchschauprinzip. Was bedeutet das?

Natürlich wissen wir, wer der Endkunde ist. Aber die EU-Taxonomie berücksichtigt nicht das Geschäftsmodell der Förderbanken. Es geht in erster Linie um eine Betrachtung der direkten Geschäftspartner und ihrer Vorhaben. Dabei ist nicht vorgesehen, dass wir auf den Kunden hinter unserem Kunden Hausbank schauen. Die Taxonomie springt an diesem Punkt noch nicht weit genug. Deshalb sind wir Banken dabei, Wege zu finden, wie wir das sinnvoll gestalten können.

Sind Sie als Förderbank an die Taxonomie-Vorgaben gebunden? Oder anders gefragt, dürfen Sie absehbar nicht mehr in bestimmte Industrien investieren?

Die EU-Taxonomie kennt keine harten Verbote, sondern versucht das Thema über den Preis zu regeln. Je schlechter, desto teurer. Das kann den Appetit der Banken bremsen. Für uns als Förderbank ist das ein wenig anders. Wir wollen die Transformation unterstützen. Je stärker wir Braun auf dem Weg zu Grün unterstützen können, desto besser werden wir unserer Aufgabe gerecht.

Ist das in der Taxonomie abgebildet?

In der bisherigen Ausgestaltung ist das aus unserer Sicht noch nicht ausreichend berücksichtigt.

Ist das nicht der entscheidende Punkt, um die Transformation finanzieren zu können?

Wir können Unternehmen, die noch nicht grün sind, finanzieren, weil es keine Verbote gibt. Das hätte aber zur Folge, dass diese Finanzierungen nicht Taxonomie-konform sind. Dann müssten wir erläutern, warum wir dennoch zur Nachhaltigkeit der Realwirtschaft beitragen. An dieser Stelle kommen über die Berichterstattung mit Sicherheit große Anforderungen auf uns zu. Wir müssen überzeugend darstellen, dass wir das Richtige tun. Das muss unser Ziel sein, denn wir wollen Transformation finanzieren. Es bringt ja nichts, wenn wir nur grünen Unternehmen weitere Förderkredite ausreichen.

Wie wollen Sie braune Unternehmen in der Transformation unterstützen, wenn diese von der Hausbank absehbar keine Kredite mehr bekommen?

Die Frage ist, wie der Mix für die Hausbank aussieht. Wenn die Hausbank beispielsweise mit ihrem Kreditanteil heruntergehen kann, mag es funktionieren. Vielleicht kommen aber auch andere Instrumente wie Risikoübernahme oder Haftungsfreistellung in Spiel, um der Hausbank die Transformationsfinanzierung zu erleichtern.

Es wird darüber diskutiert, dass der Staat bei der Verbriefung von Transformationskrediten die risikoreichsten Tranchen absichert. Ist das ein praktikabler Weg und wären die Förderbanken dabei in führender Position?

Ich bin mir nicht sicher, ob das die Rolle einer regionalen Förderbank sein sollte. Ich glaube, dass der Weg über die klassischen Förderinstrumente aktuell der naheliegendste ist. Auch Eigenkapital kann hier eine Rolle spielen. 

Und das zusätzliche Eigenkapital käme dann von der Förderbank in Form von Beteiligungskapital?

So weit wir das beihilferechtlich können. Andernfalls könnte an dieser Stelle neben Förderkrediten und Beratung die Risikoübernahme eine Rolle spielen. Das sehe ich eher als die Bündelung und Verbriefung von Mittelstandskrediten durch die NRW.Bank.

Setzt die NRW.Bank heute schon künstliche Intelligenz (KI) ein?

Ja. Wenn wir beispielsweise prüfen, ob ein Antrag die Fördervoraussetzungen erfüllt. Das lassen wir teilweise schon durch KI prognostizieren.

Wie kann man sich das vorstellen?

In Abhängigkeit von der Komplexität der Förderbedingungen können wir diese intelligent abprüfen und kategorisieren. Die KI sortiert, was gleichartig ist. Bildlich gesprochen haben wir verschiedene Schubladen, denen automatisiert die einzelnen Anträge zugeordnet werden. Die Schubladen geben wir dann an die KfW weiter, die im Durchleitungsgeschäft letztlich bewilligt.

Wohin wird sich die KI-Anwendung weiterentwickeln?

Wir prüfen KI für verschiedene Einsatzmöglichkeiten. Das beginnt bei regulatorischen Themen. Dort lassen wir sortieren, ob einzelne Themen für uns relevant werden können oder nicht. Wir testen, ob wir bei der Bewertung von komplexen Finanzprodukten KI einsetzen können, weil das Rechenzeit einspart. Wir prüfen den Einsatz an verschiedenen Stellen, achten aber darauf, dass wir die Ergebnisse noch verstehen und nachvollziehen können.

Wird Ihnen die KI am Ende Programme schreiben?

Ich glaube, dass die KI Verträge schreiben kann. Wenn also ein Antrag vorliegt, der zu bewilligen ist, kann die KI die Textbausteine für den Vertrag zusammenstellen. Der Vertrag muss natürlich noch geprüft werden.

Ich war davon ausgegangen, dass die Anträge ohnehin standardisiert sind.

Das ist so, aber der Vertragstext muss individualisiert werden und die richtigen Komponenten enthalten.

Wo liegen die Risiken?

Ganz wichtig ist, dass man versteht, was die KI macht. Bleiben wir mal bei ChatGPT. Das System ist so angelegt, dass Sie auf dieselbe Frage nie dieselbe Antwort bekommen. Das würde uns zum Beispiel wenig helfen, weil wir eine eindeutige Antwort brauchen. Es gibt auf einen Antrag nur eine Antwort, ist er zu bewilligen oder nicht.

Das Interview führte Annette Becker. Eine ausführlichere Version finden Sie auf der Website der Börsen-Zeitung.

Das Interview führte Annette Becker. Eine ausführlichere Version finden Sie auf der Website der Börsen-Zeitung.

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