Kreditwirtschaft

Bedingt finanzierungs­fähig

Die Bundesbank hält Deutschlands Kreditwirtschaft für nicht gut genug gerüstet, den Strukturwandel der Wirtschaft in den kommenden Jahren zu begleiten. Die Banken müssten ihre Finanzierungsinstrumente anpassen.

Bedingt finanzierungs­fähig

bn Frankfurt – Die Bundesbank hält Deutschlands Kreditwirtschaft „noch nicht“ dafür gerüstet, die in den kommenden Jahren anstehende Transformation der Wirtschaft in Zeiten des Strukturwandels nach der Pandemie sowie von Digitalisierung und Nachhaltigkeit zu finanzieren. Dies hat Vorstandsmitglied Joachim Wuermeling am Mittwoch erklärt und von der Kreditwirtschaft entsprechende Anpassungen eingefordert. Für Banken gehe es jetzt darum, bestehende Finanzierungsinstrumente daraufhin zu prüfen, ob und wie diese zu Innovationsmodellen passten, und erforderlichenfalls weiterzuentwickeln, erklärte er auf dem auf dem von der Bundesbank veranstalteten Symposium „Bankenaufsicht im Dialog“.

Positionierung ist gefragt

Die Finanzierung von Transformation unterscheidet sich deutlich von klassischem Firmenkundengeschäft, vor allem mit Blick auf Risiken, Zeithorizonte und Finanzierungsinstrumente, wie er ausführte. Innovationen könnten erheblich riskanter sein als das altbekannte Kreditgeschäft, auch könnten Zeithorizonte für die Rentabilität disruptiver Investitionen und damit die Laufzeit von Krediten deutlich länger ausfallen. Womöglich werde dabei auch kein klassischer Kredit gewünscht, sondern eher ein eigenkapitalähnliches Finanzierungsinstrument.

„Das könnte den Risikoappetit und die Risikotragfähigkeit einer Bank schnell überschreiten“, erklärte Wuermeling. Geschäftsbanken sollten nun unter anderem prüfen, ob sie über die nötige Expertise im Umgang mit Transformations- und Innovationsfinanzierung verfügen, „welche Art von Kapital die Industrie eigentlich“ braucht, und wie sie sich gegenüber alternativen Finanzierungsformen außerhalb des Bankensystems positionieren.

Für die Banken geht es demnach dabei auch darum, wie die in der Pandemie angeschwollenen Volumina an Spareinlagen in die Transformationsfinanzierung geleitet werden können, etwa mit Hilfe von Fondslösungen, Credit Default Swaps, Verbriefungen, Fördergarantien oder Verbundlösungen, „wenn die Sparer selbst kein Risikokapital zur Verfügung stellen wollen“. Die Dimension des anstehenden Wandels verdeutlichte Wuermeling mit Verweis auf Studien, denen zufolge allein die öffentliche Hand in Deutschland in der Digitalisierung zwischen 2020 und 2030 einen zusätzlichen Investitionsbedarf von jährlich 46 Mrd. Euro hat, während mit Blick auf Nachhaltigkeit jährliche öffentliche Investitionen im zweistelligen Milliardenbereich in der Finanzplanung für die kommenden Jahre „momentan nicht hinreichend berücksichtigt sind“, um die Klimaziele zu erreichen. Im privaten Sektor sei der Bedarf an Investitionen ungleich höher, merkte er an.

Zugleich signalisierte er Bereitschaft, Banken den Weg in die Transformationsfinanzierung zu ebnen, und sprach in diesem Zusammenhang von einer „strategischen Diskussion“, die in der Aufsicht zu führen­ sei. Dort sei man geprägt von den Erfahrungen der Finanzkrise: „Sicherheitsdenken ist unsere DNA“. Risiken zu nehmen, sei aber originäre Aufgabe von Banken: „Daran wollen wir sie nicht hindern.“ Entscheidend sei freilich, dass diese Risiken gut gesteuert seien und dass Banken die erforderliche Risikotragfähigkeit mitbrächten.

Für Deutschlands Bankensektor sei Transformationsfinanzierung nicht nur „eine große Chance in Zeiten niedriger Zinsen“. Banken würden damit auch ihre Funktion der Finanzierung der Volkswirtschaft erfüllen. „Das ist gerade in Deutschland wichtig, wo der Bankkredit eine herausragende Rolle einnimmt.“

„Wir Banken stehen bereit“

„Wir Banken stehen bereit“, erklärte Eckhard Forst. Der Chef der NRW.Bank räumte aber zugleich ein, dass es Förderbanken leichter als Geschäftsbanken falle, lang laufende Risiken zu übernehmen. Die Umsetzung der Baseler Kapitalregeln könnte nach seinen Worten dazu führen, dass Banken aus betriebswirtschaftlicher Logik heraus Finanzierungen derart einschränken, dass sie dieser gesellschaftlichen Aufgabe nicht nachkommen können. „Dann machen wir volkswirtschaftlich etwas falsch“, sagte er.

Unterdessen meldete sich Bundesbank-Präsident Jens Weidmann in der jüngst aufgeflammten Inflationsdebatte zu Wort und warnte vor einem zu langen Festhalten an der ultralockeren Geldpolitik. „Angesichts der bestehenden Unsicherheit sollten wir den sehr lockeren Kurs der Geldpolitik nicht für zu lange festschreiben“, erklärte er.

Zuletzt habe die Inflationsprognose für den Euroraum in den kommenden Jahren deutlich unter der Zielrate gelegen. Daher sei eine expansive Geldpolitik weiterhin angemessen. „Doch wir sollten eben auch das Risiko einer zu hohen Inflation nicht ausblenden“, erklärte Weidmann. Tags zuvor war bekannt geworden, dass die Inflation im Euroraum im August von 2,2% auf 3,0% gesprungen ist und damit das höchste Niveau seit November 2011 erreicht hat.

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