Bei Immobilien ist die Zeit der günstigen Gelegenheiten gekommen
Bei Immobilien ist die Zeit der günstigen Gelegenheiten gekommen
Studie: Diversifikationseffekte sprechen für höheren Immobilienanteil in Portfolien – Trotz sinkender Preise zögern viele Investoren noch
tl Frankfurt
Für Investoren waren Immobilien angesichts Null-Verzinsung von Anleihen lange Zeit alternativlos. "Das hat sich geändert", sagt Felix Schindler, Leiter Research & Strategy beim Immobilien-Investmentmanager HIH Invest. Bei Renditen von 3% oder 3,5% für kurzlaufende Anleihen sei es für Investoren wichtig, langfristig zu denken. In der strategischen Asset-Allokation gelte es, auf Diversifikationseffekte zu achten. "Es geht nicht nur um Renditen, sondern auch um die Reduktion von Risiken."
Immobilien senken Portfoliorisiko
In einer Studie von HIH Invest zur Rolle von Immobilien in der strategischen Asset-Allokation, die der Börsen-Zeitung vorab vorliegt, zeigt sich, dass ein Immobilienanteil von 30%, Anleihen 60% und Aktien 10% eine höhere oder zumindest gleich hohe Rendite liefert wie Portfolien mit geringerem Immobilienanteil, wobei aber das Risiko (gemessen an der Standardabweichung) bei dem 30%-Immobilien-Portfolio am geringsten ist. Basis sind MSCI-Indizes von 2005 bis 2022.
Außerdem geht die HIH-Studie davon aus, dass ein hoher Anteil von Realvermögen wie Immobilien gerade bei längerfristig erhöhten Inflationsraten vor realen Kaufkraftverlusten schützt. Immobilienmärkte reagieren langsamer als Kapitalmärkte. Deshalb gibt es erst seit einigen Monaten Preiskorrekturen, allerdings bei geringem Transaktionsvolumen. Gleichzeitig führt der Mix aus hohen Baukosten, steigenden Finanzierungskosten und konjunkturellen Gegenwind dazu, dass deutlich zu wenig gebaut wird, gerade bei Wohnen, aber auch bei Büro und Logistik.
"Bei Büros gilt es zu differenzieren zwischen 1A-Gebäuden in sehr guten Lagen mit bonitätsstarken Mietern – dort steigen auch die Spitzenmieten weiter – und älteren Gebäuden in Lagen wie Frankfurt-Niederrad oder der Hamburger City Nord." Ein bedeutender Einflussfaktor ist das mobile Arbeiten, weil Unternehmen ihren Flächenbedarf anpassen und anders konzipierte Flächen nachfragen.
Logistik ist aus Sicht von Schindler kurzfristig vom konjunkturellen Gegenwind geprägt. "Aber hier wirken die Megatrends wie Deglobalisierung/Nearshoring am stärksten." Beim Zusammenbruch von Lieferketten, wie zu Zeiten von Corona, spielten Zwischenlager in der Nähe der Produktion und Absatzmärkte eine wichtige Rolle. E-Commerce hat zwar eine gewisse Delle bekommen, weil die Menschen nach Corona wieder verstärkt shoppen gehen. "Aber langfristig wird E-Commerce weiter wachsen", sagt Schindler.
Attraktive Opportunitäten
Investoren, die jetzt noch mit Engagements zögern, sehen am Markt bei fallenden Preisen steigende Renditen. "Es gibt immer mehr durchaus attraktive Opportunitäten." Mit Blick auf die verschiedenen Nutzungsarten sagt Schindler: "Taktisch muss man jetzt noch nicht überall investieren." HIH sehe zunehmend solche Gelegenheiten, die aus Sondersituationen kämen wie Projektentwickler, die jüngst in Schwierigkeiten geraten sind. "Da steigt der Druck merklich an." Außerdem gebe es Immobilienunternehmen, die aufgrund der schwierigen Refinanzierungslage Bestände verkaufen wollen oder müssen.
Es gilt bei möglichen Investitionsobjekten genau hinzuschauen, sagt Schindler. Bei Büros gebe es viele alte Objekte. "Rund zwei Drittel der Bürogebäude in Deutschland wurden vor dem Jahr 2000 errichtet. Darunter dürften viele sein, die bei Flächenkonfiguration und Nachhaltigkeit nicht mehr den heutigen Ansprüchen genügen." Im Einzelhandel bringen Nahversorger sehr stabile Mieterträge, während sich in den Innenstädten der Wandel fortsetze. "Bei Wohnen und Logistik ist das Angebot am knappsten und der Nachfragedruck am stärksten." Leerstände gebe es kaum, neue Flächen kämen gerade bei Wohnen kaum dazu.
Eine aktuelle Auswertung des Fondsverbands BVI zeigt, dass institutionelle Investoren bei den Nutzungsarten immer stärker auf Diversifikation setzen. Bei Immobilien-Spezialfonds erhöhte sich zwischen 2018 und 2023 der Wohnen-Anteil von 11% auf 16% und der von Lager/Hallen von 7% auf 11%, während Handel/Gastronomie auf 25 (30)% und Büro/Praxis auf 33 (36)% sanken (gemessen an Netto-Sollmieterträgen). Die breite Streuung bei Spezialfonds fällt im Vergleich zu Immobilien-Publikumsfonds auf, die zu konstant 55% auf Büros/Praxis und zu 22 (25)% auf Handel/Gastronomie setzen.