PERSONEN

"Bei Weltuntergang bitte anrufen"

Von Bernd Wittkowski, Frankfurt Börsen-Zeitung, 26.10.2018 Annegret Kramp-Karrenbauer brauchte etwas Anlaufzeit und die eine oder andere persönliche Frage, um ein wenig mehr aus sich herauszugehen und mit dem Auditorium warmzuwerden, aber da war...

"Bei Weltuntergang bitte anrufen"

Von Bernd Wittkowski, FrankfurtAnnegret Kramp-Karrenbauer brauchte etwas Anlaufzeit und die eine oder andere persönliche Frage, um ein wenig mehr aus sich herauszugehen und mit dem Auditorium warmzuwerden, aber da war das Frühstücksgespräch der Frankfurter Volksbank mit der CDU-Generalsekretärin schon weit in der zweiten Halbzeit. Auf heute nicht selten als Kritik gebrauchte Begriffe wie “Establishment” oder “Eliten” angesprochen, schilderte die ehemalige saarländische Ministerpräsidentin glaubwürdig, dass sie “aus einer ganz normalen Welt” komme, durchaus auch selbst einkaufen gehe, die Probleme der Menschen vor Ort kenne und sich diese Bodenhaftung trotz ihrer politischen Karriere auch nicht nehmen lassen wolle. Dafür gab es den ersten spontanen Zwischenapplaus der rund 200 Gäste. Angespanntes VerhältnisDafür, dass die 56-Jährige beim Aufstieg nicht abgehoben und sich eine gewisse Demut bewahrt hat (“Die Welt dreht sich auch ohne mich weiter”), spricht auch ihr schon in der Zeit als Ministerin vertretenes Credo, sich in der knappen Freizeit der Familie widmen und nur in wirklich dringenden Fällen gestört werden zu wollen: “Bei Weltuntergang bitte anrufen. Um alles andere kümmert sich der Staatssekretär.”Die Talkshow im Frankfurter Marriott Hotel bot eine Tour d’Horizon von den aktuellen Verschiebungen in der Parteienlandschaft und dem “angespannten” Verhältnis zwischen den drei Berliner Regierungsparteien CDU, CSU und SPD über den Hambacher Forst (“Wir haben einen gewissen Zeitgeist”) und das Haftungsprinzip in Europa, das nicht aus der Hand gegeben werden dürfe, bis zur Dieselthematik, aber keine echten Neuigkeiten. In Hessen wird am Sonntag gewählt, und Wahlkampf ist offenbar ermüdend, für die Protagonisten ebenso wie für das Publikum, das hier – trotz Aufforderung durch den Moderator, FAZ-Innenpolitikchef Jasper von Altenbockum – einfach keine Fragen stellen wollte. Man kann es natürlich auch so positiv sehen wie Volksbankchefin Eva Wunsch-Weber: Die Palette der Themen war auf dem Podium bereits erschöpfend abgehandelt worden.Erfrischend war aber doch die Offenheit, in der Kramp-Karrenbauer etwa beim Themenkomplex Abgasaffäre und – nicht zuletzt in Frankfurt – drohende Fahrverbote ein klares Versagen (auch) der Politik einräumte. Statt sich mit allen Beteiligten zu einer “nationalen Kraftanstrengung” aufzuraffen, habe man die Dinge drei Jahre schleifen lassen, mit der Folge, dass die Autofahrer heute nicht wüssten, woran sie sind. Und das Volk, so deutet die Wahlkämpferin die Stimmung, laste der Politik an, sie lasse der ganzen Autobranche kriminelles Verhalten durchgehen. Neue Lösungsvorschläge hatte die CDU-Generalin an diesem Donnerstagmorgen freilich nicht mitgebracht.