Wohnimmobilien

Besser betreutes Wohnen als Pflegeheime

Investoren haben den Kreditfonds von Agora Invest in den vergangenen Monaten praktisch kein frisches Kapital mehr zugeführt. Geschäftsführer Michael Legnaro ist aber zuversichtlich, dass sich das jetzt ändern wird und die Fonds dann wieder kleinere und mittelgroße Wohnprojekte finanzieren können.

Besser betreutes Wohnen als Pflegeheime

Im Gespräch: Michael Legnaro

Betreutes Wohnen schlägt Pflegeheime

Der Geschäftsführer von Agora Invest beklagt seit Monaten ausbleibende Kapitalzuflüsse – Investoren sollten auf Neubauten setzen

Von Thomas List, Frankfurt

Einen „völligen Stillstand“ auf der Investorenseite konstatiert Michael Legnaro, Geschäftsführer von Agora Invest, für die beiden Teilfonds des Assetmanagers. „Zuflüsse hat es in den vergangenen Monaten praktisch keine gegeben. Dagegen ist unsere Projektpipeline so groß wie noch nie.“ Die Gesellschaft legt Kreditfonds auf, die Nachrangkredite für Immobilienprojekte vergeben. 2014 wurde der „Agora Invest REM 2 – Residential“ aufgelegt, 2020 kam der Teilfonds „Social and Care“ dazu.

Rückzug in Überlegungsphase

Die Investoren hätten sich nach den ersten Maßnahmen der Notenbanken zurückgezogen in eine Überlegungsphase, die bis Mai dieses Jahres ging, erläutert Legnaro im Gespräch mit der Börsen-Zeitung. „Viele Investoren haben die Niedrigzinsphase zum Ausbau ihres Immobilienbestands genutzt und sind jetzt an die aufsichtsrechtlichen Grenzen der Immobilienquote gestoßen. Anlageziele waren alternative Investments mit vermeintlich zweistelligen Renditen, die seit Monaten nichts mehr ausschütten, oder Bestandsimmobilien, deren Preise seit einigen Monaten fallen, weil Investitionen nach dem Gebäudeenergiegesetz (GEG) eingepreist werden.“

Dagegen seien bei Neubauten die Preise stabil geblieben, weil in den nächsten Jahren keine Investitionen nach GEG notwendig sind und sie auch keiner Mietpreisbindung unterliegen. „Jetzt ordnet sich der Markt neu. Seit Anfang Juni ändert sich die Stimmung“, nimmt Legnaro wahr. „Die negativen Erwartungen für den Immobilienmarkt korrigieren sich nach und nach. Jetzt wird die fundamentale Tatsache wieder erkannt, dass das Angebot für die zukünftige Nachfrage nicht ausreicht, preisbestimmend ist.“

Fremdkapital wird durch Eigenkapital ersetzt

Legnaro hält die Zinsentwicklung für nicht so preisbestimmend wie die meisten Beobachter. Angesichts der großen Vermögen privater Haushalte könnten diese bei steigenden Zinsen Fremdkapital leicht durch Eigenkapital ersetzen. „Tatsächlich reduzieren sich jetzt die Beleihungsausläufe (LTV) auf 60 oder 70% und es wird mehr Eigenkapital eingesetzt. Außerdem werden mehr Bausparverträge abgeschlossen.“

Bei Neubauten steigt die zukünftige Gesamtbelastung für Käufer oder Mieter nur geringfügig, weil der Anstieg der Kaufpreise zu einem großen Teil durch sinkende Nebenkosten ausgeglichen wird. Die Nebenkosten gehen durch Solaranlagen, Geothermie etc. zurück. „Projektentwickler nutzen diesen Effekt, um ihre Nettomieteinnahmen kräftig zu erhöhen.“ Neubau sollte aus ESG-Gesichtspunkten für Investoren interessanter sein als Bestandsimmobilien. Der energiegerechte Neubau ist einfacher und kostengünstiger umzusetzen als die spätere Komplettsanierung. „Diese Erkenntnis wird sich in den kommenden Monaten durchsetzen“, ist Legnaro überzeugt.

Zinsen um die 2 Prozent

2024 rechnet Legnaro mit Zinsen um die 2%. Mit Festverzinslichen würden Investoren angesichts der weiterhin hohen Inflation reale Kaufkraftverluste erleiden. Fazit für Legnaro: Andere Investments als Fixed Income werden viel besser laufen. „Mit unseren Strukturen können wir mit Immobilien mittel- bis langfristig Renditen von 6% und mehr erzielen und damit wesentlich oberhalb irgendwelcher Zinsstrukturkurven.“ Bei einer Duration von nur 7,5 Monaten könnten sich die Fonds den Zinsgegebenheiten schnell anpassen. „Das haben wir gemacht, aber in Maßen. Denn wir berücksichtigen die Tragfähigkeit des Projektentwicklers und des Projektes, das wir finanzieren. Deshalb können wir weiterhin monatlich einen Net Asset Value berechnen und regelmäßig ausschütten – übrigens nur Zinsen, die wir auch tatsächlich vereinnahmt haben.“

Großprojekte geraten ins Stocken

Im Moment laufen nach Beobachtung von Legnaro alle kleineren bis mittelgroßen Projekte bis 50 oder 60 Wohneinheiten im gehobenen Segment sehr gut, während Großprojekte mit 150 Mill. Euro und mehr stockten oder gar storniert würden. Dadurch sinken die Preise für Baumaterial, was kleineren und mittelgroßen Projekten zugutekommt.

Vergleichbares gelte für das betreute Wohnen, ein Segment, welches Agora gegenüber Investitionen in Pflegeheimen vorzieht. „Wir haben 26 Projekte finanziert, davon zwölf im Pflegebereich. Angesichts unserer kurzen Duration haben wir stetig Rückflüsse, die wir wieder für andere Projekte nutzen können.“ Die Agora-Fonds seien nicht der Immobilienquote zuzurechnen, betont Legnaro, da sie Zinsen aus Inhaberschuldverschreibungen vereinnahmen. Deshalb ließen sich Engagements in den Fonds auch der Fixed-Income-Quote zuordnen.

Nur 21% der Gebäude entsprechen den Anforderungen für altersgerechtes Wohnen. Dieses Problem wird von der Politik nicht adressiert, kritisiert Legnaro. „Die Lösung kann nur der Neubau sein“, sagt er und unterstreicht die aus seiner Sicht erforderliche Ausweitung des Angebotes an betreuten Wohneinheiten. Zwar gelte dies auch für Pflegeheime: „Aber das kann nicht allein die Lösung sein.“

Altersgerechtes Wohnen komme dem Wunsch der Bewohner nach Selbstbestimmung bis ins hohe Alter entgegen. „Wir brauchen altersgerechte Wohneinheiten, bei denen Menschen sich Pflegeleistungen dazubuchen können.“ Das werde für die urbane Gesellschaft eine große Herausforderung sein. „Aber da passiert einfach noch viel zu wenig.“

Im bekannten Umfeld

Es sollten stadtteilorientierte Seniorencampi aufgebaut werden, damit die Bewohner in ihrem bekannten Umfeld bleiben können. In dem Campus soll es Miet- oder Eigentumswohnungen geben, aber auch Ärztehäuser, Apotheken, Physiotherapeuten, Pflegedienste und Nahversorger. „Damit können sich die Senioren noch selbst versorgen, bei Problemen z.B. mit dem Bewegungsapparat aber auch einen Physiotherapeuten auf dem Campus in Anspruch nehmen.“

Ähnliches gelte für Reinigungsdienste. Seniorencampi werden zwar in vielen Städten propagiert, beobachtet Legnaro. „Aber dazu brauchen Sie Projektentwickler und Investoren, die das vorfinanzieren.“ Daran hapere es in der Breite. „Das Thema ist noch nicht im Fokus der institutionellen Investoren. Wenn sie sich für altersgerechtes Wohnen interessiert haben, dann fast immer mit Bezug auf Pflegeheime.“

Unrealistische Renditeanforderungen

Bei Investoren komme das betreute Wohnen langsam als Spezialgebiet dazu, beobachtet Legnaro. „Aber die Renditeanforderungen, die manche Investoren stellen, sind weit weg von der Realität.“ Renditen im Nachrangbereich bei der Finanzierung von Immobilien müssen zweistellig sein, 10 bis 15%, hieß es früher. Damit seien indirekt hoch spekulative Investitionen gefördert worden, die sich mit dem Auslaufen der Dynamik nicht mehr rechneten. „Für unseren Fonds haben wir 7 bis maximal 10% angekündigt – und dies auch erreicht. Auch in dem seit Mitte 2022 veränderten Marktumfeld konnten wir unsere Ausschüttung leisten und haben bis heute keinen Abwertungsbedarf.“

Unabhängig von Sozialgesetzen

Agora Invest hat in seinem Teilfonds „Social and Care“ fünf Seniorencampi als Finanzierer begleitet, die alle sehr gut liefen und schnell Übernehmer wie Johanniter und Rotes Kreuz, aber auch kommunale Wohnungsunternehmen gefunden hätten. Anders als Pflegeheime fallen die Campi nicht unter die (strenge) Sozialgesetzgebung: „Für Mietwohnungen gilt das Mietrecht, während Ärzte, Apotheken und Physiotherapeuten als Mieter auf dem Campus mit den Krankenkassen abrechnen und nicht mit den Pflegekassen.“ Für Investoren haben diese Wohnungen mit ihren Gewerbeflächen im Erdgeschoss auch noch den Vorteil der im Vergleich zu Pflegeheimen besseren Drittverwendungsfähigkeit. Ärzte und Apotheken siedelten sich hier gerne an, weil ihre Kundschaft direkt vor der Haustüre lebt.

Für Projektentwicklungen im Bereich Wohnen und Sozialimmobilien konnten sich Investoren in den vergangenen Monaten überhaupt nicht erwärmen. Dabei lassen sich mit Finanzierungen für betreutes Wohnen höhere einstellige Renditen erzielen, sagt Michael Legnaro vom Assetmanager Agora Invest.

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