Versicherer

Bessere Aussichten für Rückversicherer

Das Treffen der Versicherungsbranche in Monaco steht ganz im Zeichen steigender Preise für Deckungen, mit denen sich Erstversicherer bei Rückversicherern vor zu hohen Schäden schützen wollen. Ob die Preissteigerungen ausreichen, um das zunehmend riskante Umfeld abzudecken, ist allerdings offen.

Bessere Aussichten für Rückversicherer

Bessere Aussichten für Rückversicherer

Beim Branchen-Stelldichein in Monaco stehen steigende Preise im Fokus – Inflation und Naturkatastrophen verunsichern

Von Thomas List, Monaco

Das Treffen der Versicherungsbranche in Monaco steht ganz im Zeichen steigender Preise für Deckungen, mit denen sich Erstversicherer bei Rückversicherern vor zu hohen Schäden schützen wollen. Ob die Preissteigerungen ausreichen, um das zunehmend riskante Umfeld mit hoher Inflation, steigenden Zinsen, Kriegen und Klimawandel abzudecken, ist allerdings offen.

Die jährliche Neuverhandlung der Verträge zwischen Erst- und Rückversicherern am 1. Januar 2023 brachte eine Zäsur. Erstmals seit vielen Jahren sind die Preise für die Deckung von Erstversicherungsrisiken durch Rückversicherer wieder auf breiter Front gestiegen. Dieser "harte" Markt wird noch ein bis zwei Jahre andauern, so die Erwartung beim „Rendez-Vous de Septembre“, das vom 9. bis 13. September im Fürstentum an der Côte d’Azur stattfindet.

Höchste Zeit für Trendwende

Aus Sicht der Rückversicherer und der Ratingagenturen war es für diesen Durchbruch höchste Zeit. Mindestens in den fünf Jahren vor 2023 hätten sich die Preise zwar langsam und vor allem in schadenbelasteten Bereichen wie Naturkatastrophen erhöht. Die erwirtschaftete Eigenkapitalrendite habe aber für die gesamte Schadenversicherung nicht ausgereicht, um die Kapitalkosten (das sind in erster Linie Kosten für das Eigenkapital, da der Leverage bei Rückversicherern gering ist) zu verdienen. 2023 bestünden zumindest gute Voraussetzungen, dass die Rückversicherer ihre Kapitalkosten verdienen können, so Johannes Bender von Standard & Poors. Das sei einer der Hauptgründe, warum die Ratingagentur den Sektorausblick von „negativ“ auf „stabil“ angehoben hat.

Ähnlich sieht das Fitch. Neben den Preisen begründen die Bonitätswächter ihre Hochstufung von „neutral“ auf „improving“ mit verbesserten Vertragsbedingungen (das sind zum Beispiel mehr Ausschlüsse und niedrigere Haftungslimits), höheren Renditen bei der Wiederanlage und überhaupt einer steigenden Nachfrage nach Rückversicherung.

Am steigenden Bedarf für Absicherungen ließen auch Thomas Blunck, im Munich-Re-Vorstand für die Schaden-Rückversicherung verantwortlich, und Thierry Léger, CEO von Scor, in Monaco in Pressegesprächen keinen Zweifel. Blunck verwies auf das unverändert vielsprechende, aber zunehmend unsichere Marktumfeld. Dazu gehörten Rezessionsgefahren, aber auch die hohe Inflation, die auch in der näheren Zukunft nicht verschwinden werde. Léger verwies auf den erst vor wenigen Tagen verkündeten Strategieplan seiner Gesellschaft, der die riesige Versicherungslücke in fast allen Bereichen von der Lebens- und Krankenversicherung bis zu den Naturkatastrophen thematisiert. Für Scor stehe der Schutz der Gesellschaft im Zentrum des Geschäfts, betonte der Scor-CEO. Dafür muss allerdings auch ein risikoadäquater Preis gezahlt werden.

Große Chancen rechnet sich Léger in der Cyberversicherung aus. Angesichts von etwa 15 Mrd. Dollar Beitragseinnahmen im Jahr (für Erst- und Rückversicherer) sei der Bedarf mindestens zehnmal so hoch. „Selbst in den nächsten zwanzig Jahren wird die Kapazität der ganzen Branche nicht ausreichen, diesen Bedarf zu decken“, ist er überzeugt. Scor will daher zukünftig deutlich mehr Cyberrisiken zeichnen, setzt aber auch auf die Zusammenarbeit, sprich Risikoteilung mit Private-Equity-Gesellschaften und Pensionsfonds. „Das Geschäft könnte aber auch zur Diversifikation für Lebensversicherer ohne Schadengeschäft interessant sein“, sagte Léger. In 20 bis 30 Jahren könne das Cybergeschäft so groß werden wie die kommerzielle Sachversicherung.

Für die Swiss Re unterstrich Gianfranco Lot, Chief Underwriting Officer P&C Reinsurance, die Bedeutung des Cybergeschäfts. Bei einem Gesamtmarkt von 14 Mrd. Dollar und einem Rückversicherungsanteil von 50% betrage der Marktanteil von Swiss Re 7%,sagte er beim Pressegespräch am Montag in Monaco. Er rechnet in den nächsten Jahren für den gesamten Cyberversicherungsmarkt mit einem durchschnittlichen jährlichen Wachstum von 20%.

Großes Interesse an Nat Cat

Bei der Munich Re zeigten Blunck und sein für das Ressort „Global Clients and North America“ zuständige Vorstandskollege Stefan Golling ihr großes Interesse am Naturkatastrophen-(Nat Cat)-Geschäft. Zwar seien die Schäden in den vergangenen Jahren sehr hoch gewesen. Die Schadenquote der Munich Re habe über die vergangenen Jahre aber „genau im Plan“ gelegen. „Das Naturkatastrophen-Geschäft war also im Durchschnitt wertschaffend für Munich Re“, so Golling. Er verwies auf zunehmendes Geschäftsvolumen in Europa und Lateinamerika. „Wir nehmen etwas mehr Risiken als vor drei oder vier Jahren.“ Man setze auf regionale Diversifikation und sei auch bereit, „Secondary Perils“, also Schäden aus Überschwemmungen, sintflutartigen Regenfällen, Erdrutschen, Waldbränden und Dürren zu übernehmen. Auf solche Schäden entfielen im ersten Halbjahr 2023 etwa 80% aller Naturkatstrophenschäden, so Blunck.

Abstand nehmen wolle man im Nat-Cat-Geschäft von Frequenzschäden, also Schäden, die gehäuft in absehbarer Höhe eintreten, die also auf Risiken mit relativ hohen Eintrittswahrscheinlichkeiten und meist geringen Schadenhöhen (auch Klein- bzw. Bagatellschäden genannt) basieren – von Blunck „money swapping“ genannt. Damit steht der Munich-Re-Manager in der Branche aber nicht allein.

Aus Sicht von Moodys haben viele Versicherer zwar mit Großschäden gerechnet, aber eben nicht mit so vielen mittelgroßen Schäden, die dann in der Summe zu einer großen Belastung wurden. Deshalb wies Gianfranco Lot von Swiss Re auf die große Bedeutung einer größeren Datentransparenz hin. Swiss Re beobachte die Entwicklung dieser Secondary Perils sehr genau.

Die erfolgreiche Fortsetzung des Schaden- und Unfallgeschäfts steht und fällt aus Sicht von Munich-Re-Vorstand Golling mit einem disziplinierten Underwriting. „Wir investieren kräftig in Daten und unsere Zeichnungsteams.“ Munich Re setze auf ein global gut diversifiziertes Portfolio, müsse aber auch die sogenannte „social inflation“ mit ihren immer höheren Schadenersatzzahlungen in den USA berücksichtigen. Daher sei man im Haftpflichtgeschäft „eher vorsichtig“ und setze auf Schadenlimite.

Mehr Schäden durch Klimawandel

Deutlich wurde in Monaco, dass die Schäden durch den Klimawandel in Zukunft weiter deutlich zunehmen werden – und dass die Assekuranz diese Schäden nicht allein tragen kann und will. Hier müsse der Staat unterstützen, sagte Blunck und verwies als Beispiel auf einen staatlichen Fonds in Mexiko, der innerhalb weniger Tage nach dem Schadenereignis Zahlungen an die betroffenen Endkunden leiste. Insbesondere in ärmeren Ländern könnten Versicherer nicht allein arbeiten. So kooperiere Munich Re zum Beispiel mit der Weltbank. Scor-Chef Léger wies am Beispiel des jüngsten Erdbebens in Marokko darauf hin, dass viele Häuser in sich entwickelnden Ländern nicht erdbebensicher und damit auch nicht versicherbar seien.

BZ+
Jetzt weiterlesen mit BZ+
4 Wochen für nur 1 € testen
Zugang zu allen Premium-Artikeln
Flexible Laufzeit, monatlich kündbar.