Finanzplatz

Böses Erwachen für Börse Hongkong

Asiens wichtigstes Finanzdrehkreuz Hongkong wird von der Nachricht einer drastischen Erhöhung der Börsentransaktionssteuer erschüttert. Insbesondere für den Börsenbetreiber Hong Kong Exchanges (HKEX) ist dies ein harter Schlag.

Böses Erwachen für Börse Hongkong

nh Schanghai

Für die Anleger am Finanzplatz Hongkong gibt es unschöne Nachrichten zu verdauen. Die von der Corona-Pandemie in heftige Budgetsorgen gebrachte Regierung der chinesischen Sonderverwaltungszone hat sich völlig unerwartet mit einer Anhebung der sogenannten Stempelsteuer auf Börsentransaktionen eine zusätzliche Einnahmenquelle verschafft. Die sowohl bei Aktienkäufen wie auch -verkäufen anfallende Steuerrate soll von 0,1 auf 0,13% des Transaktionswerts, also um 30% angehoben werden.

Paul Chan schlägt zu

Hongkonger Marktteilnehmer zeigten sich am Mittwoch völlig verdattert. Eine derartige Abschöpfungsmaßnahme seitens des Hongkonger Finanzministers Paul Chan hatte niemand auf dem Zettel. Tatsächlich handelt sich um die erste Anhebung der Börsentransaktionssteuer seit dem Jahr 1993; sie konterkariert die bislang geltende fis­kalpolitische Laisser-faire-Haltung einer Regierung, zu deren wichtigsten Aufgaben bislang die eiserne Finanzplatzförderung zählte. Für Verstimmung sorgt auch, dass das Vorgehen des Finanzministers in keiner Weise mit der gegenwärtig von einem Interimschef geführten HKEX abgestimmt worden ist.

Entsprechend heftig fielen auch die Marktreaktionen aus. Die HKEX-Aktie verlor in der Spitze um 12,2% und ging bei einem Minus von 8,8% mit dem größten Tagesverlust seit über fünf Jahren aus dem Handel. Damit überschattete die Nachricht von der happigen Stempelsteueranhebung völlig die am Mittwoch zuvor verbreiteten Ergebnisse des nach Aktienkapitalisierung weltgrößten Börsenbetreibers. Für das Geschäftsjahr 2020 weist die HKEX einen strammen Zuwachs beim Gewinn nach Steuern um 23% auf 11,5 Mrd. HK-Dollar (rund 1,2 Mrd. Euro) aus und legte damit zum dritten Mal in Folge ein Rekordergebnis vor.

Flotter Handel

Die massiven politischen Umbrüche in der Sonderverwaltungszone, die mit der Einführung eines kontroversen chinesischen Sicherheitsgesetzes im Sommer 2020 völlig unter das Joch der Pekinger Zentralregierung geraten ist, lässt viele befürchten, dass der Finanzplatz Hongkong an rechtlichen Freiheiten einbüßen und an internationaler Aura verlieren wird. Bislang aber brummen die Geschäfte. Im vergangenen Jahr ist die Handelsaktivität in Hongkong um 60% in die Höhe geschnellt, und der HKEX hat entsprechend reichere Gebühreneinnahmen gebracht.

Trotz der Enttäuschung mit der Absage des potenziell weltgrößten Börsengangs des chinesischen Fintech-Riesen Ant Group, der hälftig auf Hongkong und Schanghai verteilt werden sollte, floriert das Geschäft mit Initial Public Offerings (IPO) von chinesischen Firmen. Hinzu kommen immer mehr Zweitlistings von in den USA primär notierten chinesischen Technologiefirmen, die sich im Zuge der verstärkten Spannungen zwischen China und den USA ein weiteres Börsenstandbein in Hongkong zulegen.

Während man bei der HKEX weiterhin zuversichtlich zu den Perspektiven im Listing-Geschäft mit chinesischen Börsenanwärtern gestimmt sein kann, gibt es Fragezeichen, inwiefern die erhöhten Handelskosten das Handelsumsatzgeschehen längerfristig negativ beeinflussen. In jedem Fall laden sie nicht zum Hochfrequenzhandel als Dynamikfaktor für Handelsumsätze ein. Erfahrungsgemäß jedoch wirken sich „Friktionskosten“ im Börsenhandel gerade bei der in China dominanten Retail-Anlegerschaft kaum bremsend aus. Abgesehen davon gibt es Länder mit wesentlich höherer Steuerbelastung. An der Londoner Börse etwa sind die Anleger beim Aktienkauf einer „stamp duty“ von 0,5% des Transaktionswertes ausgesetzt.

Dennoch finden sich Stimmen, die das Vorgehen der Hongkonger Regierung mit einem Reputationsschaden für Asiens wichtigstes Finanzdrehkreuz gleichsetzen. Dies in einer Zeit, da die internationale Community eine immer stärker von Peking geleitete und damit restriktivere Finanzplatzkultur fürchtet. Als entsprechend brisant gilt damit auch die noch anstehende Nachfolgeregelung für die Besetzung des gegenwärtig vakanten CEO-Postens bei der HKEX.

Bei der HKEX hat man sich überraschend für den J.P.-Morgan-Investmentbanker Nicolas Aguzin, einen Argentinier, als Nachfolger des freiwillig ausgeschiedenen langjährigen HKEX-Chefs Charles Li entschieden. Die Entscheidung ist aber noch nicht von der Finanzaufsichtsbehörde SFC abgesegnet worden, und es gibt Marktteilnehmer, die vermuten, dass Peking Druck dahingehend machen wird, einen chinesischen Börsenchef für Hongkong zu berufen. Sollte es tatsächlich zu einer derartigen politischen Einmischung kommen, drohen neue Ängste vor einer Kulturrevolution am Finanzplatz Hongkong.