Anleihen

Bondmarkt auf dem Weg zum Zinsgipfel

Mit den gestiegenen Zinsen hat auch der börsliche Rentenmarkt wieder an Attraktivität gewonnen, was sich in deutlich höheren Umsätzen niederschlägt. Kürzere Laufzeiten stehen dabei im Fokus der Anleger, während die inverse Zinsstruktur auf eine aufkommenden Rezession schließen lässt.

Bondmarkt auf dem Weg zum Zinsgipfel

Umsätze im Bondhandel ziehen deutlich an

Gestiegene Renditen lassen Anleger bei Bundesanleihen zugreifen – Laufzeiten von ein und zwei Jahren besonders gefragt

Mit den gestiegenen Zinsen hat auch der börsliche Rentenmarkt wieder an Attraktivität gewonnen, was sich in höheren Umsätzen der Börse Stuttgart niederschlägt. Kürzere Laufzeiten stehen dabei im Fokus der Anleger, während die inverse Zinsstruktur auf eine aufkommende Rezession schließen lässt.

Von Thomas Spengler, Stuttgart

Mit den gestiegenen Zinsen hat auch der börsliche Rentenmarkt wieder an Attraktivität gewonnen, was sich in deutlich höheren Umsätzen niederschlägt. Investoren können auch dann profitieren, wenn sie nicht zum Höhepunkt der Zinsentwicklung einsteigen – ungeachtet der Frage, ob eine Rezession bevorsteht. Bereits vor dem russischen Überfall auf die Ukraine war der Renten- oder Bondmarkt an den Börsen in Bewegung geraten. Ursache waren damals hohe Liquiditäten, die die Notenbanken in die Märkte gepumpt hatten. Getriggert durch die hohe Inflation, ließen die dramatischen Änderungen der Geldpolitik die Nachfrage nach Fixed-Income-Titeln Anfang des Jahres „mit geballter Kraft“ anspringen, wie Jens Furkert, Leiter des Anleihehandels an der Börse Stuttgart, sich erinnert. In der Folge schossen die Umsätze insbesondere von Bundesanleihen an den Börsen in die Höhe. Wie die Umsatzstatistik der Börse Stuttgart (siehe Tabelle) zeigt, verachtfachten sich dort die gehandelten Volumina in dieser Wertpapiergattung.

Börse Stuttgart – Bondhandel per April 2023
ProdukteJahresumsatz in Mill. EuroVeränderung gg. Vorjahr in %
Anleihen gesamt6.377,10136,57
Bundesanleihen2498, 0692,92
Staatsanleihen Industrieländer525,139,23
Staatsanleihen Schwellenländer109,1-14,19
Anleihen öffentlicher Emittenten312,355,54
Pfandbriefe127,2249,26
Corporate Bonds2.747,6073,36
Sonstige57,76,6

Hoch im Kurs stehen bei privaten wie institutionellen Anlegern insbesondere kurze Laufzeiten von ein und zwei Jahren, die aufgrund der anhaltend inversen Zinsstrukturkurve höhere Renditen als Langläufer abwerfen. Zum Vergleich: Aktuell rentieren ein- bis zweijährige Bunds zwischen 2,5 und 3,0% – Papiere mit Restlaufzeiten bis Mai 2024 mit 2,9%. Am langen Ende gibt es für zehnjährige Bunds dagegen nur zwischen 2,4 und 2,5%. „Und das bei einer Top-Bonität von Triple A“, sagt Furkert. Dass aber kurzfristige Anlagen seit einem knappen Jahr höher rentieren als langfristige, zeugt von der Erwartung einer Rezession. Wenn Investoren davon ausgehen, dass die Zentralbanken langfristig die Leitzinsen senken, um den in Aussicht stehenden wirtschaftlichen Abschwung zu stoppen, schlägt dies auf langlaufende, zehnjährige Bonds am ehesten durch. Denn sinkende Leitzinsen gehen in der Regel mit sinkenden Anleiherenditen einher. „Eine inverse Zinskurve war in der Vergangenheit stets einer der zuverlässigsten Indikatoren für eine Rezession“, sagt dazu Klaus Stopp, Chefrentenhändler der Baader Bank in München.

Noch Anstieg erwartet

Wie lange die Situation noch anhalten wird, hängt stark von den weiteren Zinsschritten der EZB ab. Bekanntlich liegt der Leitzins derzeit bei 3,75% – zwei weitere Anhebungen um je 0,25 Prozentpunkte gelten vielen als sicher. Was die weitere Entwicklung angeht, sieht Moritz Kraemer den Zinsanstieg fast am Gipfel angelangt. „Dabei gehe ich nicht von einem ausdrücklichen Peak aus, sondern einer Art Plateaubildung“, prognostiziert der Chefvolkswirt der LBBW. Diese Situation werde zumindest so lange bestehen, bis die US-Notenbank Fed als erste Zentralbank Anfang 2024 die Zinsen wieder senken werde.

Aber auch dann dürfte der Run auf Zinspapiere anhalten – zumindest, wenn es um Titel guter Bonität geht. Denn selbst wenn der Zinsgipfel überschritten wird, verlieren die Anleger aufgrund der Inflation weiterhin Geld – „ein Verlust, den sie zumindest teilweise durch Anleihen ausgleichen können“, so Furkert. Sollte man bei Fixed-Income-Assets nicht den Zinshöhepunkt erwischen, werden die Anleger auch bei einem wieder sinkenden Zinsumfeld belohnt. Dann nämlich, wenn man Anleihen im Depot hat, deren Verzinsung über dem künftigen Marktniveau liegt. Kommt es so weit, steigt der Wert der höher verzinsten Titel an der Börse, was wiederum den Wert des eigenen Depots in die Höhe treibt. In der Folge haben die Anleger die Chance, Kursgewinne zu realisieren.

Schwieriger stellt sich die Situation bei den Corporate Bonds dar, die in der Regel schwächere Ratings aufweisen und aufgrund regulatorischer Vorgaben aus Brüssel für Privatanleger schwer zugänglich sind. Nach einer Aufstellung der Börse Stuttgart sind gut 80% der dort gelisteten 10.688 Corporates für Privatanleger de facto nicht handelbar. Hoffnung auf Erleichterung gibt es mit Blick auf die Retail Investment Strategy, die die EU-Kommission dem Vernehmen nach noch diese Woche vorstellen will.

Jens Furkert
Klaus Stopp
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