LEITARTIKEL

Börse auf dem richtigen Weg

Auf der Hauptversammlung der Deutschen Börse haben die Aktionäre heute durchaus einen Grund zufrieden zu sein. Pünktlich zur Veranstaltung ist nämlich der Kurs der Aktie auf den höchsten Stand seit elf Jahren gestiegen. Allerdings gibt es für die...

Börse auf dem richtigen Weg

Auf der Hauptversammlung der Deutschen Börse haben die Aktionäre heute durchaus einen Grund zufrieden zu sein. Pünktlich zur Veranstaltung ist nämlich der Kurs der Aktie auf den höchsten Stand seit elf Jahren gestiegen. Allerdings gibt es für die Anteilseigner auch jede Menge Gründe, dem Management kritische Fragen zu stellen. Denn bei dem Marktbetreiber finden grundlegende Veränderungen statt. Auf der Agenda steht zwar nicht der ganz große Wurf wie eine Fusion mit einer anderen großen Börse. Aber von “solider Hausmannskost”, wie sie der Vorstandsvorsitzende Theodor Weimer kurz nach seinem Amtsantritt ankündigte, kann auch nicht mehr die Rede sein. Was das Unternehmen derzeit auftischt, ist eher als ein üppiges Buffet zu beschreiben.Dabei ist der Umbau der Deutschen Börse via Zukäufe, durch welche die Diversifizierung des Geschäftsportfolios vorangetrieben und die regionale Reichweite erweitert werden, per se kein Novum. Bereits unter Weimers Vorgänger Carsten Kengeter wurden mit dem Erwerb der Devisenhandelsplattform 360T und der US-Energieterminbörse Nodal Exchange für 775 Mill. und rund 190 Mill. Euro signifikante Schritte zu weiteren Diversifizierung bzw. zum Ausbau der Reichweite getan. Nicht zu vergessen außerdem der Erwerb der Anteile der Six Group am Indexbetreiber Stoxx für 650 Mill. Schweizer Franken. Die M&A-Strategie ist auch nicht einzigartig. Auch andere große Börsen haben ihre M&A-Strategie von der Übernahme von Wettbewerbern auf diversifizierende Akquisitionen umgestellt.Unübersehbar ist jedoch, dass Weimer jetzt Gas gibt und auch neue Akzente setzt. Im April wurde die Übernahme von Axioma, einem Anbieter von Portfolio- und Risikomanagementlösungen, der mit den Indexaktivitäten der Deutschen Börse fusioniert wird, für 850 Mill. Dollar vereinbart. Kurz darauf teilte das Unternehmen mit, Verhandlungen über den Erwerb der Devisenhandelsplattform FXall zu führen. Dieses Übernahmevorhaben, zu dem es in nächster Zeit eine Ankündigung geben wird, hat es in sich. Die Deutsche Börse hat zwar einen kolportierten Kaufpreis von 3,5 Mrd. Dollar als ohne jede Grundlage bezeichnet. FXall wäre aber auf jeden Fall die größte Akquisition des Unternehmens seit der 2,8 Mrd. Dollar schweren Übernahme der New Yorker Optionsbörse ISE für 2,8 Mrd. Dollar im Jahr 2007. FXall ist zwar ein schwer zu schluckender Brocken, aber die Deutsche Börse hat ihre Entschlossenheit, zuzuschlagen, sehr deutlich gemacht. Neben der bereits signalisierten Bereitschaft, gegebenenfalls eine Kapitalmaßnahme zu ergreifen, um die auf 1,5 Mrd. Euro beschränkte “Firepower” zu verstärken, geht der Börsenbetreiber neue Wege. Der Erwerb der Axioma wird gegen eine Beteiligung weitestgehend vom Partner General Atlantic finanziert, so dass der finanzielle Spielraum erhalten bleibt. Ein Novum für das Unternehmen ist auch die Bereitschaft, ein um eine Stufe niedrigeres Rating hinzunehmen, um einen Betrag im niedrigen dreistelligen Millionen-Euro-Bereich zu mobilisieren. Ein Tabubruch: Bislang hatte die Deutsche Börse das Rating stets wie eine heilige Kuh behandelt.Das Beispiel ISE zeigt allerdings, dass größere Akquisitionen Risiken bergen. Zum Kaufzeitpunkt noch nicht absehbare Veränderungen, die zu verschärftem Wettbewerb am US-Optionsmarkt und damit einhergehend zu Marktanteilsverlusten und Margeneinbußen führten, haben der Deutschen Börse zwei Wertberichtigungen in Höhe von insgesamt 870 Mill. Euro eingebrockt; 2016 wurde die ISE für 1,1 Mrd. Dollar an die Nasdaq verkauft. Das erste Quartal hat jedoch gezeigt, dass Diversifizierung und Ausbau der Reichweite der richtige Weg für die Deutsche Börse ist. Während die Handelsaktivitäten und damit das Kerngeschäft der Börsen weltweit schwächelte, konnte die Deutsche Börse dank ihrer breiten Aufstellung immerhin noch ein Erlöswachstum von 4 % generieren, u. a. weil Bereiche wie die Energiebörse EEX und 360T hohe Wachstumsraten hatten. Eine stärker von den Handelsaktivitäten abhängige Börse wie die spanische BME musste dagegen einen Erlösrückgang um 9 % hinnehmen.Die Aktionäre sollten daher im eigenen Interesse den M&A-Kurs des Unternehmens, auch wenn er kurzfristig Lasten mit sich bringt, unterstützen. Denn Diversifizierung ist der beste Weg für die Deutsche Börse, langfristig ein zufrieden stellendes Wachstum zu generieren und damit auch die Voraussetzungen für weiter steigende Ausschüttungen zu schaffen. —-Von Christopher KalbhennDas erste Quartal hat gezeigt, dass Diversifizierung und Ausbau der Reichweite der richtige Weg für die Deutsche Börse ist.—-