Chef von Wells Fargo läuft die Zeit davon
Von Stefan Paravicini, New YorkFür Tim Sloan (57) scheint zwei Jahre nach der Berufung an die Spitze der größten US-Retailbank, Wells Fargo, die Zeit knapp zu werden. Die “New York Post” berichtete in dieser Woche unter Berufung auf Insider, dass Mitglieder des Aufsichtsrats auf der Suche nach einem Nachfolger für Sloan bei Gary Cohn (58) vorstellig geworden seien. Die langjährige Nummer 2 von Goldman Sachs hat im Frühjahr das Amt als Wirtschaftsberater von US-Präsident Donald Trump niedergelegt. Board bekennt sich zu SloanAm Mittwoch wies Cohn entschieden zurück, dass er mit dem Board von Wells Fargo in Kontakt stehe, während Chairwoman Betsy Duke in einer Mitteilung erklärte, dass Berichte über Gespräche mit möglichen Nachfolgern für Sloan falsch seien. Der gesamte Board stehe hinter dem CEO, der im Oktober 2016 für den langjährigen Bankchef John Stumpf an die Spitze rückte, nachdem unlautere Vertriebspraktiken der Bank einschließlich der Eröffnung von mehr als zwei Millionen Phantomkonten öffentlich bekannt geworden waren. An der Wall Street wird dagegen schon länger darüber spekuliert, wie viel Zeit Sloan noch eingeräumt wird, um den versprochenen Kulturwandel bei Wells Fargo umzusetzen und die Folgen des immer weiter um sich greifenden Vertriebsskandals abzuarbeiten.Erst in den vergangenen Wochen ist die Bank mit einer Vereinbarung für einen Vergleich mit Versicherungskunden vor Gericht abgeblitzt, die für unnötige Policen zur Kasse gebeten wurden. Das US-Justizministerium hat laut US-Medienberichten eine weitere Untersuchung gegen die Bank eingeleitet, bei der es um die unsachgemäße Manipulation von Kundendaten geht. Derweil laufen zahlreiche zivil- und strafrechtliche Untersuchungen weiter, und die Bank muss sich mit einer Sammelklage wegen missbräuchlicher Vertriebspraktiken beschäftigen.”Wenn man eine Kultur hat, die so schlecht ist und schon so lange das Unternehmen durchdringt – ob Spider Man oder Tim Sloan, ich weiß nicht wie schnell man so etwas aufräumen kann”, sagt Erik Gordon, ein Professor der Ross School of Business an der Universität von Michigan. Marktbeobachter rechnen dennoch damit, dass Sloan nur noch bis zur nächsten Hauptversammlung im Frühjahr Zeit hat, auch wenn kein Comic-Held als Nachfolger zur Verfügung stehen sollte.”Er ist nur ein Problem davon entfernt”, zitiert die New York Post einen Banker, der Sloan nur noch eine negative Schlagzeile vom Aus entfernt sieht. Für den Veteranen, der seit mehr als 30 Jahren für Wells Fargo arbeitet, spricht unter anderem die Geduld, die der größte Anteilseigner Berkshire Hathaway bisher gezeigt hat, obwohl die Aktie in der Amtszeit von Sloan deutlich hinter den Wettbewerbern zurückgeblieben ist. Ob dem CEO, der seit mehr als 30 Jahren für die Bank arbeitet und vor seiner Berufung an die Spitze als COO fungierte, der seit Monaten propagierte Neustart gelingt, ist ungewiss. Cohn, der von der Investmentbank Goldman Sachs keine Erfahrung im Retail Banking mitbringt, wäre als Nachfolger aber keine überzeugende Wahl.