Commerzbank soll in der Zentrale sparen

Aufsichtsratschef Vetter sieht Kürzungspotenzial in der Verwaltung - Auch das Investment Banking soll gestrafft werden

Commerzbank soll in der Zentrale sparen

Von den bis zu 10 000 Stellen, die in der Commerzbank in den kommenden Jahren wegfallen sollen, könnte jede fünfte auf den Standort Frankfurt entfallen. Der als Sanierer angetretene Aufsichtsratschef Hans-Jörg Vetter soll vor allem in der Verwaltung, etwa bei Compliance und Personal, Kürzungspotenzial sehen. Von Anna Sleegers, FrankfurtWenige Tage vor der Strategiesitzung der Commerzbank nehmen die Vorstellungen des als Sanierer angetretenen Aufsichtsratschefs Hans-Jörg Vetter Konturen an. Während eine Frankfurter Headhunterin noch mit der Suche nach neuen Gesichtern für den Konzernvorstand zugange ist, soll der frühere LBBW-Chef schon tief in die Zahlen und Prozesse der Commerzbank eingetaucht sein, um sinnvolle Sparpotenziale auszuloten.Angesichts der noch immer unklaren Nachfolge an der Unternehmensspitze sollen auf der Strategiesitzung am kommenden Donnerstag keine Beschlüsse getroffen werden. Damit der Nachfolger oder die Nachfolgerin des spätestens zum Jahresende ausscheidenden Vorstandschefs Martin Zielke sich auf die Gestaltung der Zukunft konzentrieren kann, hat Vetter in Grundzügen skizziert, wie eine Sanierung funktionieren könnte. Wie zu erfahren ist, plädiert er dafür, 2 000 Stellen in der Frankfurter Zentrale abzubauen. Davon betroffen wären vor allem Stabsstellen in Bereichen wie Personal und Compliance.Für die Zielke-Nachfolge gilt Finanzchefin Bettina Orlopp als interne Favoritin. Die frühere Personalchefin und McKinsey-Beraterin ist innerhalb der Bank bestens vernetzt, kann aber keine Erfahrung mit operativer Verantwortung vorweisen. In einer stärker teamorientierten Ausrichtung des Vorstands könnte sich jedoch ihre Erfahrung in Querschnittsfunktionen als Vorteil erweisen. In einer solchen Konstellation ginge es weniger darum, als CEO an der Spitze der Hackordnung zu stehen, als zwischen den operativen Ressorts effektiv zu moderieren. Zumindest der beruflich in den Niederlanden sozialisierte Boekhout dürfte mit dieser modernen Interpretation von Führung besser zurechtkommen als mit den in deutschen Konzernen noch immer dominierenden hierarchischen Strukturen.Ob Orlopp den Sprung an die Spitze macht, hängt dem Vernehmen nach vor allem davon ab, ob die Frankfurter Headhunterin Christina Virzí geeignetere Kandidaten präsentieren kann. Fällt die Wahl auf Orlopp, könnte Bernd Geilen die dadurch entstehende Lücke füllen. Wie zu erfahren ist, wurde bei dem stellvertretenden Vorstandschef der ING-DiBa, der das Institut Ende des Monats nach zehn Jahren verlässt, bereits vorgefühlt, ob er gegebenenfalls dafür zur Verfügung stünde. Neuer ZuschnittWichtiger als die Frage, wer am Ende welchen Vorstandsposten übernimmt, ist Vetter derzeit jedoch der Geschäftszuschnitt. Neben der IT scheint dabei das schwächelnde Firmenkundengeschäft zu stehen. Diese Sparte schlitterte im zweiten Quartal in die roten Zahlen, obwohl die wirtschaftlichen Folgen der Coronakrise dank der staatlichen Unterstützung größtenteils noch gar nicht bei den Unternehmen angekommen sind.Wie in Finanzkreisen zu hören ist, schlägt Vetter vor, die im Rahmen der 2016 vorgestellten Strategie “Commerzbank 4.0” zerschlagene Mittelstandsbank wiederzubeleben. Dafür soll die damals der Privatkundensparte zugeschlagene Unternehmerbank wieder mit dem übrigen Firmenkundengeschäft zusammengeführt werden. Die Investmentbank, die nach Zielkes Amtsantritt mit dem Geschäft mit größeren Mittelständlern bis hin zu internationalen Konzernen zusammengelegt wurde, soll nach dem Willen des Aufsichtsratschefs unterdessen zurückgefahren werden. Davon betroffen wäre vor allem das Auslandsgeschäft. Dabei soll sich die Commerzbank konsequent auf die Aktivitäten konzentrieren, die von ihren Kunden benötigt werden. Es gehe nicht an, soll der Aufsichtsratschef gewettert haben, dass ein einziger US-Zinsswap, der einen Ertrag von gerade mal 100 000 Euro verspreche, “59 Compliance-Experten, 17 Risikospezialisten und 4 Firmenkundenbetreuer” beschäftige. Der Angriff auf das nach dem Einstieg des Staates ohnehin stark zurechtgestutzte Investment Banking dürfte auch die Handschrift des Bundes tragen, der mit 15,5 % größter Aktionär der Commerzbank ist. Es ist ein offenes Geheimnis, dass es die vom Bund als Vertreterin in den Aufsichtsrat geschickte Jutta Dönges ist, die den versierten Bankensanierer Vetter aus dem Ruhestand holte, um ihn an die Spitze des Aufsichtsrats zu setzen. Nach anfänglichem Widerstand soll sich inzwischen auch Cerberus, mit gut 5 % zweitgrößter Aktionär der Commerzbank, mit Vetter arrangiert haben.Nach seiner gerichtlichen Bestellung habe ein Gespräch stattgefunden. Darin sei deutlich geworden, dass die jeweiligen Vorstellungen davon, wie die Commerzbank zu sanieren ist, nicht allzuweit auseinanderliegen, ist im Umfeld des US-Investors zu hören.