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Constantin von Oesterreich 65

Von Carsten Steevens, Hamburg Börsen-Zeitung, 20.4.2018 Ende Februar verständigten sich die Länder Hamburg und Schleswig-Holstein mit einem Konsortium von Finanzinvestoren um Cerberus und J.C. Flowers auf den Verkauf ihrer Mehrheitsanteile an der...

Constantin von Oesterreich 65

Von Carsten Steevens, HamburgEnde Februar verständigten sich die Länder Hamburg und Schleswig-Holstein mit einem Konsortium von Finanzinvestoren um Cerberus und J.C. Flowers auf den Verkauf ihrer Mehrheitsanteile an der HSH Nordbank. In einem von der EU-Kommission verlangten Veräußerungsverfahren gelang fristgerecht, was lange als undenkbar galt: Die HSH bekommt neue Eigentümer und muss nicht abgewickelt werden.Zwar werden die bisherigen Ländereigner noch viele Jahre an den Folgen der milliardenteuren Rettung der in der Finanzmarkt- und Schifffahrtskrise an den Abgrund geratenen Landesbank laborieren. Doch mit dem zu einem Preis von rund 1 Mrd. Euro vereinbarten Verkauf, der noch von den Länderparlamenten und der Aufsicht genehmigt werden muss und der noch Regelungen wie den Übergang in die Institutssicherung der privaten Banken erfordert, dürften Hamburg und Schleswig-Holstein unter dem Strich besser wegkommen als im Fall einer Abwicklung. “Hoffnungsloser Fall”Einen nicht unwesentlichen Anteil an dem Verkaufserfolg ist im Rückblick dem Management der Bank seit dem Herbst 2012 zuzuschreiben. Damals, vor fünfeinhalb Jahren, nannte die Börsen-Zeitung die HSH einen hoffnungslosen Fall, als bekannt wurde, dass sich mit Paul Lerbinger der vierte Vorstandsvorsitzende der Bank seit Gründung im Jahr 2003 verabschiedete. Rosig waren die Aussichten, dass sich dieses als Skandalbank verschriene Institut inmitten der europäischen Staatsschuldenkrise und mit Blick auf einen Berg an ausfallgefährdeten Krediten im Schiffsfinanzierungsportfolio rasch wieder erholen könnte, nicht. Die HSH stand vor der Aufgabe, einerseits weiter zu schrumpfen und andererseits mit einem wachsenden Neugeschäft Lebensfähigkeit unter Beweis zu stellen. Der Wechsel vom schwäbisch-bayerischen Investmentbanker Lerbinger zum Hamburger Risikomanager Constantin von Oesterreich war vor diesem Hintergrund im Nachhinein wohl die glücklichste – und zwangsläufigste – Wahl eines Vorstandsvorsitzenden in der Geschichte der HSH Nordbank. Sollte das Institut überhaupt noch eine Überlebenschance haben, galt es vor allem, die massiven Risiken und Altlasten abzubauen. Im Risikomanagement war der Neffe des Schauspielers und Filmregisseurs Axel von Ambesser versiert.Nicht nur kümmerte sich von Oesterreich während seiner insgesamt 36-jährigen Tätigkeit für die Deutsche Bank bis Juni 2009 in verschiedenen Funktionen und an mehreren Standorten wie Frankfurt, Singapur und London lange Jahre um Risiken der größten deutschen Geschäftsbank – und profilierte sich mit dieser Aufgabe. Vom 1. November 2009 an – bei der EU-Kommission war gerade ein Umstrukturierungsplan der mit 13 Mrd. Euro Kapital- und Garantiehilfen von Hamburg und Schleswig-Holstein vor dem Untergang bewahrten Bank angemeldet worden – ließ er sich auch als Chief Risk Officer beim größten Institut seiner Heimatstadt in die Pflicht nehmen. Koppers Ruf gefolgtDem Vernehmen nach soll von Oesterreich 2009, als er bei der Deutschen Bank in London ausschied, kurz vor einem Engagement bei einer großen britischen Krisenbank gestanden haben. Doch ein Ruf des damaligen HSH-Aufsichtsratsvorsitzenden Hilmar Kopper, früher Vorstandssprecher und Aufsichtsratschef der Deutschen Bank, führte ihn – im Juli 2009 im Alter von 56 Jahren noch einmal Vater geworden – zur Landesbank nach Hamburg. Für eine Akklimatisierung blieb keine Zeit: Schon 2010 soll er jede zweite Vorstandssitzung geleitet haben. Der damalige Vorstandsvorsitzende Dirk Jens Nonnenmacher, der sich später gemeinsam mit fünf weiteren Mitgliedern aus dem Führungsgremium der HSH, die 2007 im Amt waren, wegen des Vorwurfs der Untreue und gravierender Pflichtverletzungen vor Gericht verantworten musste, hatte sich viel mit rechtlichen Fragen auseinanderzusetzen. Erst Innenminister, dann ChefNach Nonnenmachers Rücktritt und dem – ebenfalls von Kopper arrangierten – Antritt Lerbingers im Frühjahr 2011 profilierte sich von Oesterreich bei der HSH in der Rolle des “Innenministers”. Daraus wurde bald mehr: Lerbinger, offensichtlich nicht der richtige Mann an der Spitze für die Anforderungen der Bank, verabschiedete sich nach nur 18 Monaten. Nachfolger wurde Risikochef von Oesterreich.Um den Job gerissen habe dieser sich nicht, erinnert sich ein Zeitzeuge. Und kurz darauf verlor von Oesterreich auch seinen wichtigsten Fürsprecher und “Schutzschirm”: Kopper trat als Aufsichtsratschef zurück. Dabei spielte formal offenbar eine Rolle, dass mit dem schleswig-holsteinischen Finanzstaatssekretär Thomas Losse-Müller (Grüne) ein Vertreter der Politik Mitglied im Aufsichtsrat der HSH wurde. Der Gegenwind für den Vorstandsvorsitzenden wurde spürbarer. Wäre die Bank auf dem Weg zur Stabilisierung und Privatisierung gescheitert, hätte man von Oesterreich zum Hauptverantwortlichen erklärt, heißt es im Umfeld der Bank. Dafür hätten die Länder gesorgt. In den regionalen Medien habe der Vorstandsvorsitzende, der sich in der Öffentlichkeit rar machte, kaum Rückhalt erfahren. Stresstest bestandenDoch Schrittfehler leistete sich von Oesterreich offenbar nicht. Die HSH überstand 2014 den ersten europäischen Bankenstresstest unter Beteiligung der EZB, die auch von hohen Prämienzahlungen für die Ländergarantie von 10 Mrd. Euro belastete Bank spürte Vertrauen und legte im Neugeschäft deutlich zu. Der Personalbestand schrumpfte dabei von 2009 bis zum Ausscheiden von Oesterreichs Ende Juni 2016 um mehr als 40 %, ohne dass die operativen Risiken aus dem Ruder gelaufen wären. Die Wertpapieremissionen der Bank mit Gewährträgerhaftung sanken von 65 Mrd. auf rund 2 Mrd. Euro. In einem zweiten EU-Beihilfeverfahren wurde die 2013 vollzogene Wiederaufstockung der zwischenzeitlich reduzierten Zweitverlustgarantie der Ländereigner um 3 Mrd. auf 10 Mrd. Euro genehmigt – mit der Auflage, dass die HSH bis Ende Februar 2018 verkauft oder andernfalls abgewickelt werden müsse.Unter der Führung von Oesterreichs hat die HSH die Grundlagen dafür geschaffen, dass das Verfahren zum Verkauf gelingen konnte. Nach dem Rückzug aus der Verantwortung bei der Bank findet der Risikomanager nun dem Vernehmen nach mehr Zeit für das Privatleben. Am kommenden Sonntag vollendet von Oesterreich sein 65. Lebensjahr.