Coronakrise spaltet Bankenbranche

Über die Folgen für ein Institut entscheidet weniger dessen Sitz als das Portfolio - Kapitaldecken "solide"

Coronakrise spaltet Bankenbranche

Corona verstärkt die Fliehkräfte in Europas Bankensektor. Wie die Beratungsgesellschaft ZEB ermittelte, trüben steigende Risikokosten die ohnehin nicht überbordende Ertragskraft der Branche. Die durchschnittliche Eigenkapitalrendite nach Steuern rutschte per Ende Juni mit – 0,3 % sogar in den negativen Bereich. bn Frankfurt – Die Coronakrise teilt die europäische Bankenbranche zunehmend in Gewinner und Verlierer. Während manche Institute nach sechs Monaten pandemiebedingter Beschränkungen eine “durchaus solide Kapitalausstattung und Profitabilität” aufweisen, kämpfen andere bereits mit tiefgreifenden Konsequenzen der Seuche, wie Christian Schiele, Partner bei ZEB, feststellt.Das Beratungshaus hat die Halbjahresabschlüsse der 50 größten Banken Europas vor allem mit Blick auf ihre Kapitaldecke analysiert und verschiedene Szenarien durchgerechnet. In einer ersten Untersuchung hatten die Berater bereits im Juni ermittelt, dass sich die Wertberichtigungen für Kreditausfälle im Falle einer schweren Rezession in den kommenden 18 bis 24 Monaten im Vergleich zu 2019 auf 280 Mrd. Euro versechsfachen könnten.Wie ZEB nun erhoben hat, entscheidet weniger, wie angesichts der Verteilung der Coronafälle vermutet werden könnte, das jeweilige Heimatland oder Geschäftsmodell einer Bank darüber, ob diese von der Krise schwer getroffen wird, sondern in erster Linie ihr Portfolio sowie der Anteil der von Covid-19 stark betroffenen Branchen darin. Vor diesem Hintergrund seien “anstelle eines Gießkannenprinzips” über bestimmte Geschäftsmodelle oder Länder hinweg individuelle Auswertungen und Maßnahmen auf Einzelbankebene “unerlässlich”, heißt es. Zu diesen zählen die Berater die Restrukturierung, Redimensionierung und Neuausrichtung von Kreditportfolios. Die Rendite dreht ins MinusWährend die Branche mit ihrer Kapitalausstattung derzeit achtbar dasteht, hat ihre ohnehin nicht überbordende Ertragskraft in den ersten Monaten der Krise nochmals gelitten. Lag die durchschnittliche Eigenkapitalrendite nach Steuern im vergangenen Jahr noch bei 6,4 %, drückten höhere Risikokosten sie bereits per Ende März auf 2,2 %, und Ende Juni lag die Eigenkapitalverzinsung mit – 0,3 % im negativen Bereich.Mit ihrer Kapitalausstattung zeigen sich die Häuser unterdessen “solide”, wie Ekkehardt Bauer, Senior Manager bei ZEB, festhält. Zwar fiel die harte Kernkapitalquote der 50 größten europäischen Banken im ersten Quartal im Durchschnitt um 40 Basispunkte auf 14 %, da sich die Vergabe neuer Kredite erhöhte, Kunden bestehende Linien zogen und die Risikokosten in die Höhe kletterten. Im zweiten Quartal wiederum kehrte sie auf den vorherigen Wert von 14,4 % zurück, da sich zum einen die Risikoaktiva reduzierten und zum anderen die Banken auf Geheiß der europäischen Bankenaufsicht ihre Dividendenzahlungen aussetzten.Insgesamt liegt die Kapitalausstattung am Ende des zweiten Quartals weit über den regulatorischen Quoten und den Anforderungen des Marktes, wie Bauer feststellt. Darüber hinaus hätten die Aufseher den Banken durch die Lockerung der Kapitalanforderungen als Reaktion auf die Krise weiteren Spielraum verschafft. So hat die Europäische Zentralbank (EZB) den Instituten erlaubt, auf den über die individuelle Kapitalvorgabe hinausgehenden, “empfohlenen” Kapitalpuffer (“Pillar 2 Guidance”) zuzugreifen.Spielraum dürften viele Banken auch brauchen. Bereits nach dem ersten Halbjahr 2020 lagen die Risikokosten der Institute höher als im gesamten Jahr 2019, wie ZEB erhoben hat. Simulationen zeigten, dass die zu erwartenden Verluste und die Risikoaktiva in den kommenden Jahren signifikant zunehmen dürften, heißt es. In dem von ZEB unterstellten Basisszenario wird die harte Kernkapitalquote im Mittel von 14,4 % auf 12,3 % im kommenden Jahr sinken, bevor sie 2022 auf 12,6 % steigt. Im strengen Szenario fällt sie 2021 auf 11,4 %, um dort 2022 zu verharren.Im als wahrscheinlich eingeschätzten Basisszenario dürften 8 der 50 größten Banken Europas gezwungen sein, die von der Aufsicht nun freigegebenen Kapitalpuffer zu nutzen. Im verschärften Szenario erhöhe sich diese Zahl auf 18. Ungeachtet sinkender Kapitalquoten aber dürften die 50 größten Banken des Kontinents gleichwohl “auf einem Niveau oberhalb der regulatorischen Mindestanforderungen bleiben”, diagnostiziert ZEB. Insgesamt sei damit zu rechnen, dass die Branche die Covid-19-Krise weitgehend überwinden und eine strukturelle Bankenkrise wie in den Jahren 2008 und 2009 ausbleiben werde.