Credit Suisse geht in die Kür
Von Daniel Zulauf, Zürich Die Rosskur ist ausgestanden. Die noch gut 45 000 internen und über 20 000 externen Mitarbeiter, die nach einer dreijährigen Restrukturierung bei Credit Suisse verblieben sind, dürfen aufatmen – endlich. Obschon die zweitgrößte Schweizer Bank auch im neuen Jahr weiter sparen will, ist 2019 kein größerer Stellenabbau mehr geplant, wie hochrangige Credit-Suisse-Manager am Rande der Jahresbilanzpressekonferenz am Donnerstag in Zürich sagten. Unter dem im Sommer 2015 als Erneuerer angetretenen CEO Tidjane Thiam hat die Bank eine scharfe Zäsur erlebt. Allein in der Schweiz wurden 1 700 Arbeitsplätze abgebaut. Weltweit waren es mehr als doppelt so viele. Fast 2 Mrd. sfr hat die Bank in der Ära Thiam für Entlassungen und Frühpensionierungen und für andere Elemente des Restrukturierungsplanes ausgegeben. Die Kosten für den laufenden Betrieb haben sich dadurch seit 2015 um 4,6 Mrd. sfr verringert. Kapitalintensive und nicht tragfähige Handelsaktivitäten wurden aufgegeben – mit der Folge, dass der Konzern 2018 mehr als 2 Mrd. sfr weniger einnahm als drei Jahre zuvor. Das Ergebnis: Die Credit Suisse schreibt zum ersten Mal seit 2014 wieder schwarze Zahlen. Gut 2 Mrd. sfr blieben in der Erfolgsrechnung des Berichtsjahres als Gewinn. Der Großteil soll an die Aktionäre zurückfließen. Für die um 5 % erhöhte Dividende werden rund 670 Mill. sfr benötigt. Für das im Dezember angekündigte Aktienrückkaufprogramm sind mindestens 1 Mrd. bis maximal 1,5 Mrd. sfr budgetiert.Auch in puncto Kapitalstärke hat sich die Bank in den vergangenen drei Jahren gesund gespart. Die Bilanz ist um über 50 Mrd. sfr oder um mehr als 6 % kleiner geworden. Das Kernkapital, das qualitativ beste Eigenkapital, bestehend aus einbezahltem Aktienkapital und zurückbehaltenen Gewinnen, stand vor Thiams erster großer Kapitalerhöhung im Herbst 2015 bei dünnen 29 Mrd. sfr. Ende 2018 belief sich die Summe trotz kleinerer Bilanz auf nahezu 36 Mrd. sfr. So gesehen steht die Credit Suisse tatsächlich so gut da wie seit Jahren nicht mehr.Doch solche statischen Betrachtungen sind nur ein Element, um den Gesundheitszustand eines Instituts beurteilen zu können. Das weiß auch Thiam, der gestern nicht müde wurde, die strategischen Verbesserungen seines Großumbaus ins Licht zu rücken. Der Umsatzrückgang sei kein Kollateralschaden der Restrukturierung, sondern ein gewollter Prozess, in dem nur die qualitativ besten Erträge gesteigert wurden, erklärte er. Unter guten Erträgen versteht der CEO regelmäßige Einnahmen aus Geschäften, die wenig Kapital und somit einen geringen Einsatz von Risiko erfordern. Die Einnahmen aus diesen Geschäften, zu denen Thiam Vermögensverwaltungsmandate, Honorare aus Fusions- und Übernahmeberatungen und nicht zuletzt auch die gute alte Zinsdifferenz im Kreditgeschäft zählt, hätten von 2015 bis 2018 um fast 16 % auf über 15 Mrd. sfr zugenommen, während die flatterhaften Einnahmen aus handelsnahen Geschäften um über 40 % auf nur mehr 5,4 Mrd. sfr abgenommen hätten, hieß es.Diese Darstellung suggeriert Berechenbarkeit, mindestens für die unmittelbare Zukunft. In der Tat rechnen die Finanzanalysten für 2019 und 2020 mit einem Gewinn von 3,5 Mrd. sfr bzw. 4 Mrd. sfr. Allerdings fußt diese Rechnung nicht zuletzt auf der Annahme, dass die Kosten für den Rückbau der nicht mehr weiterzuführenden Geschäfte 2019 und danach im gleichen Stil abnehmen werden wie bisher. Mit operativer Kür hat das zunächst mal eher wenig zu tun. Solche Beobachtungen machen auch die Investoren. Sie sind ein wichtiger Grund dafür, dass die Aktien der Bank trotz allem nicht auf Touren kommen. Die Credit-Suisse-Titel büßten gestern 3,4 % auf 11,6 sfr ein.