IM INTERVIEW: CECILE NAGEL, EUROCCP

"Das ETF-Geschäft ist ein interessanter Markt"

Die CEO des paneuropäischen Aktienclearers über die bevorstehende Anbindung in Frankfurt, Wachstumsprojekte und den Derivatemarkt

"Das ETF-Geschäft ist ein interessanter Markt"

Die Deutsche Börse soll noch im ersten Halbjahr Konkurrenz im Clearing im Aktienkassageschäft in Frankfurt erhalten. Dies sagte Cécile Nagel, CEO des paneuropäischen Clearinghauses EuroCCP, im Interview der Börsen-Zeitung an. Zudem soll das ETF-Clearing ausgebaut werden. Frau Nagel, EuroCCP hatte ursprünglich geplant, im ersten Quartal 2019 das Clearing von an der Frankfurter Wertpapierbörse gehandelten Aktien anzubieten. Wann werden Sie bereit sein?Wir planen derzeit im ersten Halbjahr 2019 so weit zu sein. Es gibt noch einige technische Fragen, die bei der Umsetzung geklärt werden müssen – es hat etwas länger gedauert als erwartet, aber wir sind auf dem richtigen Weg. Haben Sie alle notwendigen Anforderungen von den Aufsichtsbehörden?Wir unsererseits haben bei den Aufsichtsbehörden einen Antrag gestellt und erwarten, dass wir die Zulassung vor dem Go-live erhalten. Der Börsenrat der Frankfurter Wertpapierbörse muss noch seine Zustimmung geben. Die Deutsche Börse ist für alle erforderlichen Genehmigungen auf ihrer Seite verantwortlich. Der Clearingzugang ist ein Meilenstein in der Geschichte des Finanzplatzes Frankfurt. Erstmals können hier gehandelte Aktien nicht mehr nur über die zentrale Gegenpartei der Deutsche-Börse-Tochter Eurex Clearing, sondern auch über EuroCCP verrechnet werden. Was hat der Markt davon?Die Industrie ist an diesem Projekt interessiert, weil es den Wettbewerb stärkt. Wir können Kunden, die ihre Transaktionen über EuroCCP abwickeln und deutsche Aktien sowohl auf der Deutschen Börse als auch auf multilateralen Handelsplattformen handeln wollen, niedrigere Kosten und Netting-Effizienzen anbieten, was Bedingungen sind, die Eurex Clearing nicht bieten kann. Eine Verrechnung von Positionen ist möglich, wenn sie über das gleiche Clearinghaus – das heißt über EuroCCP – verrechnet werden. Dies ist ein sogenanntes Clearing-Präferenzmodell. Dabei geht es ausschließlich um den Kassamarkt. Wir arbeiten schon sehr lange daran – hier hilft die europäische Finanzmarktregulierung Mifir. Dies ist ein erster Schritt. Wir stellen keine Clearing-Verbindung zwischen Eurex Clearing und EuroCCP her, wie wir es bei Six Clear und LCH getan haben. Wählt ein Clearing-Mitglied Eurex als seinen bevorzugten zentralen Kontrahenten – CCP – und eines als EuroCCP, wird die Transaktion über Eurex Clearing als Standardoption abgewickelt. Beide Clearingmitglieder müssen für die von EuroCCP zu verrechnende Transaktion EuroCCP auswählen. Welche anderen Pläne hat EuroCCP noch?Es gibt keine zusätzlichen Pläne im Zusammenhang mit der Deutschen Börse, aber wenn wir uns die europäische Landschaft ansehen, werden sich weitere Märkte öffnen. So haben wir beispielsweise Zugang zum italienischen Aktienkassamarkt erhalten. Auch hier war das Aktien-Clearing bisher Teil eines Silos, und wir werden dort auch ein Clearing-Präferenzmodell anbieten. Wir erwarten eine weitere Veränderung des Wettbewerbs zwischen den Clearinghäusern. In Europa gibt es nach wie vor eine große Anzahl von Cash-Equity-Clearinghäusern. Lokale, kleinere Cash-Equity-Clearinghäuser stehen vor der Frage, wie nachhaltig ihr Geschäft noch sein kann. Wir sind eines der größten Aktien-Clearinghäuser und eines der drei Clearinghäuser, die ein echtes paneuropäisches Angebot anbieten können. Wird EuroCCP auch bei der Marktkonsolidierung aktiv sein?Das ist im Moment nicht auf unserem Radar. Generell ist jedoch davon auszugehen, dass im Bereich der Marktinfrastruktur eine Konsolidierung stattfinden wird, nicht zuletzt aufgrund von Größenvorteilen. Die Profitabilität von EuroCCP litt 2017 und das Clearing-Volumen ging zurück. Wie sah es 2018 aus?Die Margen im Aktienclearing sind in der Tat sehr niedrig, der Markt ist hart umkämpft. Deshalb ist es wichtig, das Volumen zu erhöhen. Im Jahr 2018 wickelte EuroCCP insgesamt 1 126 Millionen Trades ab oder durchschnittlich 4,4 Millionen Trades pro Tag – gegenüber dem Jahr 2017 blieb dies weitgehend unverändert. Wir vertreten etwa 30 % des europäischen Marktes. Im Bereich der interoperablen Clearing-Transaktionen erreichen wir sogar einen Anteil von über 40 %. Was heißt interoperabel genau?Interoperabel abgewickelte Transaktionen laufen entweder über EuroCCP, Six X-Clear oder LCH – es besteht eine Clearing-Verbindung zwischen allen drei Anbietern. Was erwarten Sie für Ihr zukünftiges Geschäft?Der Markt ist wettbewerbsorientiert, und Clearing-Mitglieder wechseln manchmal den Anbieter. Mit unserer Strategie und unseren Projekten wollen wir unsere führende Position in Europa sichern, indem wir Zugang zu neuen Märkten erhalten, darunter den Marktzugang in Frankfurt, aber auch durch die Diversifizierung unseres Angebots. Was bedeutet das?Es gibt eine Reihe von organischen Wachstumsprojekten. Das Geschäft mit börsengehandelten Produkten – vor allem börsengehandelten Fonds, das heißt ETFs – ist ein interessanter Markt. Wir verrechnen ETF-Transaktionen, aber der Markt in Europa ist extrem fragmentiert, und 70 % dieser Transaktionen werden außerbörslich gehandelt und außerbörslich abgewickelt. Dies ist ganz anders als in den USA – wo ETFs, wie der Name schon sagt, tatsächlich an den Börsen gehandelt werden, aber in Europa meist außerbörslich gehandelt werden.Ja, das führt zu vielen Ineffizienzen in Europa. Ein Teil der Finanzindus-trie hat verstanden, dass es hier strukturelle Probleme gibt, insbesondere in Bezug auf die Effizienz der Abwicklung. Im Rahmen der Zentralverwahrerverordnung CSDR werden beispielsweise Strafzahlungen und obligatorische Buy-ins eingeführt, wenn ETFs nicht rechtzeitig geliefert werden. Dies wird erhebliche Auswirkungen auf die ETF-Branche haben, da sie in Zukunft unter diese Verordnung fallen wird. Dies treibt auch die ETF-Industrie in Richtung zentrales Clearing, was für uns eine große Chance bietet. Könnten Sie sich vorstellen, einen Market Maker im ETF-Handel zu kaufen?Nein, aber wir arbeiten sehr eng mit einer Reihe von Marktteilnehmern zusammen, darunter zum Beispiel Flow Trader, ein führender Marketmaker bei ETFs. Solche Marketmaker wollen, dass ihre Transaktionen in Zukunft zentral gecleart werden. Dies dürfte auch Ihren Konkurrenten nicht entgangen sein.Wir sind in einer guten Ausgangsposition, weil wir uns ganz auf das Aktiengeschäft konzentrieren und europaweit präsent sind. Darüber hinaus sind wir im Gegensatz zu LCH und Six X-Clear bereits unter EU-27-Aufsicht und können im Falle eines harten Brexits eine reibungslose Fortsetzung des Betriebs sicherstellen. Auch haben unsere Wettbewerber Eurex Clearing und LCH einen etwas anderen Fokus. Eurex Clearing konzentriert sich vor allem auf Derivate, LCH auf Derivate und Repogeschäfte. Für Marketmaker und Marktteilnehmer am ETF-Markt wäre es nicht attraktiv, wenn beispielsweise nur ETFs aus einem oder wenigen Ländern über ein Clearinghaus abgewickelt werden könnten. Andere Clearinghäuser dürften auf Asset-übergreifende Effizienzen und Vorteile im Collateral Management hinweisen.Es gibt Möglichkeiten für Cross-Margining zwischen Aktien und ETFs, da ETFs eigenkapitalähnliche Instrumente sind, so dass die bereitzustellenden Sicherheiten miteinander verrechnet und somit reduziert werden können; im ETF-Geschäft mit Zinsderivatepositionen wird es jedoch kein Cross-Margining geben. Wir untersuchen auch eine Reihe weiterer Initiativen, die unseren Kunden eine höhere Abwicklungseffizienz ermöglichen sollen. Diese Projekte befinden sich noch in einem frühen Stadium. Ein Angebot von Zinsderivaten oder Repo-Clearing ist derzeit jedoch nicht geplant. Last but not least hat der europäische Börsenverband, die Federation of European Securities Exchanges (Fese), kürzlich in einem Whitepaper empfohlen, den offenen Zugang zu Derivaten in Europa aufzugeben. Open Access bedeutet beispielsweise, dass ein anderes Clearinghaus für die Abwicklung von an der Eurex gehandelten Derivaten verlangen kann, dass sie diese Geschäfte für ihre Kunden abwickelt.Im Derivatebereich wird es mittelfristig keinen Open Access geben. Die Deutsche Börse hat hier gute Arbeit geleistet. Ich weiß nicht, ob Open Acces da wirklich Veränderungen und Effizienzsteigerungen bringen würde wie im Kassageschäft. Im Fese-Whitepaper gibt es einige Aspekte dazu, die es wert sind, berücksichtigt zu werden, und die ich verstehen kann. Das Interview führte Dietegen Müller.