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Das Gesicht der Märkte

Staaten verschulden sich und machen sich von Investoren abhängig. Fondsmanager Michael Hasenstab sieht sich dabei als Partner. Von Jan Schrader Mit wem er und seine Mitarbeiter sprechen, wenn sie ein Land besuchen, sagt Fondsmanager Michael...

Das Gesicht der Märkte

Staaten verschulden sich und machen sich von Investoren abhängig. Fondsmanager Michael Hasenstab sieht sich dabei als Partner.Von Jan SchraderMit wem er und seine Mitarbeiter sprechen, wenn sie ein Land besuchen, sagt Fondsmanager Michael Hasenstab nicht. Aber er zählt auf, wer typischerweise zum Kreis der Gesprächspartner zählt: Vertreter aus der Regierung, der Wirtschaft, der Medienwelt und der Wissenschaft. Die Fondsmanager der US-Investmentgesellschaft Franklin Templeton haben Zugang zur Elite eines Landes. Türöffner sind die hohen Beträge, die der Investmentchef für globale Makro-Strategien und sein Team verantworten: rund 130 Mrd. Dollar, die die zuständige Einheit Templeton Global Macro für die Anleger überwiegend in Staatsanleihen rund um die Welt investiert hat. Allein in den beiden Vorzeigefonds “Global Bond” und “Global Total Return”, für die Hasenstab mit Fondsmanagerin Sonal Desai verantwortlich ist, liegen 7,5 Mrd. Dollar in Staatsanleihen aus Mexiko, 5,3 Mrd. Dollar aus Brasilien, 3,9 Mrd. Dollar aus Indonesien, 3,8 Mrd. Dollar aus Indien und so weiter, und so fort.Solange Staaten sich verschulden, sind sie auf Investoren angewiesen. “Wir können bei der Entwicklung des Marktzugangs helfen”, sagt Hasenstab im Gespräch mit rendite. Staaten wollen demnach Anleihen auch mit langen Laufzeiten ausgeben, die Franklin Templeton als langfristig orientierter Investor dann aufkaufe. “Das ist eine Win-win-Situation.” Die “strategische Partnerschaft” zwischen Investoren und Staaten schaffe Stabilität. Und steigt der Großinvestor einmal aus einem Land aus, gelingt dies weitgehend reibungslos, wie Hasenstab argumentiert. So habe sich die Gesellschaft ohne Aufsehen aus der Ukraine zurückgezogen. Einflussreiche InvestorenKönnen die Investoren – “die Märkte”, wie es im Jargon der Finanzbranche heißt – einen heilsamen Effekt auf Staaten haben? Staatsanleihen sind schließlich immer dann für Anleger interessant, wenn die Perspektiven eines Landes stimmig sind. Das schafft einen Anreiz, eine nachhaltige Haushalts-, Geld- und Wirtschaftspolitik zu betreiben. Als Beispiel nennt Hasenstab Argentinien, das unter dem 2015 gewählten Präsidenten Mauricio Macri eine “orthodoxe” Wirtschaftspolitik eingeschlagen hat, wie er in einem Beitrag in der “New York Times” ausführte. Nach einem “verlorenen Jahrzehnt” unter der Vorgängerregierung hat die neue Führung ein Dickicht an Zöllen und Preiskontrollen aufgelöst, der Zentralbank Freiraum für den Kampf gegen die Inflation gelassen und die Haushaltspolitik wieder strengeren Prinzipien unterworfen, wie er lobend ausführt. Hasenstab vertraut offenbar auf die Wende in dem südamerikanischen Land: 1,8 Mrd. Dollar aus den beiden Fonds entfallen mittlerweile auf Argentinien.Als Investor teile er die Interessen mit den jeweiligen Staaten, sagt er. “Uns geht es nicht gut, wenn es dem Land nicht auch gut geht.” Wenn die Politik vorausschauend sei, bessert sich auch die Perspektive, dass ein Land seine Schulden begleichen kann, und nicht – wie schon oft der Fall – in eine Krise gerät, die mit einem Schuldenschnitt, also einem Auflösen von Verbindlichkeiten, schmerzhaft für Investoren ausgeht. Die Isolation Agentiniens hat womöglich auch zu einem Umdenken bei den Wählern und somit zum politischen Wandel beigetragen. Denn nachdem die Regierung unter Nestor Kirchner und nach seinem Tod unter dessen Witwe Cristina Fernández de Kirchner mit weitreichenden Aus- und Einfuhrkontrollen, mit einen Zugriff auf die Politik der Zentralbank und einer Verstaatlichung von Industrien die Wirtschaft aus dem Gleichgewicht gebracht hatte, machten ausländische Investoren einen Bogen um das Land, wie Hasenstab schreibt. Nun aber seien die “Kirchner-Regimes” abgelöst worden. Als Investor sei es seine Aufgabe, sich die einzelnen Länder genau anzusehen. “Nicht jedes Schwellenland erscheint attraktiv. Wir gehen selektiv vor und sind beispielsweise nicht in Russland, der Türkei, Nigeria oder Venezuela investiert”, sagt er. Einen allzu großen Einfluss auf die Politik eines Landes verneint er jedoch. “Politiker müssen viele verschiedene Interessen berücksichtigen.” Auch betont er, dass er keinen Geierfonds (“Vulture Fund”) vertrete, der ein gescheitertes Land auspresse.Der Manager wendet sich aber nicht allein gegen eine kurzfristig orientierte Wirtschaftspolitik – auch “nationalistische Tendenzen” fürchtet er. Auf seinen Reisen rund um die Welt beobachtet er derartige politische Bewegungen in allen möglichen Ausprägungen, wie er sagt. Die Länder beschäftigten sich daher zunehmend mit sich selbst und schotteten sich ab. In seinem Heimatland USA sieht er zum Beispiel mögliche Einschnitte im Handel und in der Einwanderung skeptisch, auch wenn die Konjunktur vorerst robust sei. Der Manager argumentiert sogar, dass die weltgrößte Volkswirtschaft mittlerweile von Argentinien lernen könne. Verkehrte Welt. Sorge um EuropaNoch besorgter zeigt er sich mit Blick auf die europäischen Staaten. Denn längst seien aufstrebende populistische Bewegungen ein Risiko auch für Investoren. Die trotz ihrer Niederlage hohe Zustimmung für die Präsidentschaftskandidatin Marine Le Pen in Frankreich, der Wahlerfolg der AfD in Deutschland, die Koalition zwischen der konservativen ÖVP und freiheitlich-nationalen FPÖ in Österreich, die starke Stellung der Regierungsparteien Fidesz in Ungarn und Recht und Gerechtigkeit in Polen – all das wertet Hasenstab als ein Zeichen für einen Rückschritt der europäischen Einigung. “Vorerst ist Europa stabil, aber bei einer Krise wäre das nicht mehr der Fall”, sagt er. So setze der Euro als gemeinsame Währung nicht nur eine gemeinsame Bankenregulierung und Finanzpolitik, sondern eine weitreichende politische Vertiefung voraus. “Das größte Risiko ist ein mangelnder politischer Zusammenhalt.” Käme es zu einer Krise wie 2011 in Griechenland, wäre eine Einigung wie damals kaum vorstellbar, argumentiert der Fondsmanager. Eine Vertrauenskrise sei etwa denkbar, wenn die Anleiherenditen für italienische Staatsanleihen stark anstiegen und die Stabilität Italiens somit in Frage gestellt werde. “Das ist ein Risiko für die Peripherieländer, für die Anleihemärkte und für den Wert des Euro.” Die Aufzählung ließe sich fortführen. Ein stabiles Europa jedenfalls ist nicht nur im Interesse von Investoren.—- 38,9 Mrd. Dollarbringen die beiden Fonds “Global Bond” und “Global Total Return” der US-Fondsgesellschaft Franklin Templeton per Ende Oktober insgesamt auf die Waage. Die Mittel sind derzeit überwiegend in Staatsanleihen aus Schwellenländern investiert. Die Fonds werden von Michael Hasenstab, Investmentchef für Global-Makro-Strategien, und Fondsmanagerin Sonal Desai verantwortet. Insgesamt steuert die zuständige Templeton Global Macro Groupein Vermögen von rund 130 Mrd. Dollar.