Wohlstandsbericht

Das globale Vermögen wächst nicht mehr

Erstmals seit 15 Jahren schrumpft das globale Vermögen. Das trifft reiche Menschen härter als die Mittelschicht, wie UBS und Credit Suisse berichten.

Das globale Vermögen wächst nicht mehr

Der Wohlstandsblase entweicht Luft

Der Weltvermögensreport von UBS und Credit Suisse zeigt ersten Rückgang seit Finanzkrise – Wacklige Prognose sagt gleichwohl rasches Wachstum voraus

dz Zürich

Die globalen Haushaltsvermögen sind 2022 erstmals seit der Finanzkrise zurückgegangen. Von einem Bruch des Wachstumstrends will der aktuelle Vermögensreport von Credit Suisse und UBS noch nicht sprechen. Die Großbank zeigt sich in der Prognose aber weit forscher als der Studienautor.

Die Welt ist 2022 etwas ärmer geworden – zum ersten Mal seit der Finanzkrise vor 15 Jahren. Der große Vermögensreport der Credit Suisse, dessen 14. Ausgabe die UBS am Dienstag erstmals unter eigener Flagge präsentierte, konstatiert zwar "einen Bruch in der nahezu ungebrochenen Zunahme der privaten Haushaltsvermögen im laufenden Jahrhundert". Gleichwohl läute die Entwicklung vermutlich keine Trendwende ein.

Ein Großteil des Rückganges im Jahr 2022 sei auf die hohe Inflation und die Aufwertung des Dollar zurückzuführen, betonte der britische Studienautor und Reichtumsforscher Anthony Shorrocks auf einer virtuellen Medienkonferenz. Die Vermögenswerte der untersuchten Population von 5,4 Milliarden erwachsenen Personen in 200 Ländern werden in dem Bericht in Dollar dargestellt.

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Unter der Annahme konstanter Wechselkurse wäre das weltweite private Nettovermögen (nach Abzug der Schulden) 2022 tatsächlich nicht, wie ausgewiesen, um 2,4% geschrumpft, sondern um 3,4% gestiegen. Bereinigt um die durchschnittliche weltweite Inflationsrate von 6% ergab sich aber dennoch ein realer Vermögensverlust von 2,6%.

Börsenrutsch trifft die Reichsten

Größte Verlierer waren 2022 die Haushalte in den alten Industrieländern auf beiden Seiten des Atlantiks, wobei die Bevölkerungssegmente mit den höchsten Vermögen deutlich mehr Haare lassen mussten als die weniger betuchten Schichten. So reduzierte sich das Durchschnittsvermögen eines erwachsenen Amerikaners im Berichtsjahr um fast 5% auf 551.350 Dollar, während der statistische Mittelwert (Median) um nicht weniger als 15% auf 107.740 Dollar hochschnellte.

Als Grund für diese erstaunliche Abnahme der Ungleichheit nennt der Bericht die unterschiedliche Portfoliozusammensetzung in den verschiedenen Reichtumskategorien. Finanzanlagen, die 2022 weltweit die größten Werteinbußen erlitten haben, hätten in den Portfolios von reichen Bevölkerungsschichten ein weit höheres Gewicht als in jenen weniger vermögender Gruppen. Deren Hauptaktivum ist in der Regel das Eigenheim und dessen Wert hat sich 2022 (nur in den USA) weit besser gehalten als die Börsenkurse.

Credit-Suisse-Chefökonomin Nannette Hechler-Fayd’herbe bezweifelt, dass dies so bleiben wird. "Die relativen Beiträge von finanziellen und nicht finanziellen Vermögenswerten könnten sich 2023 umkehren, falls die Immobilienpreise aufgrund höherer Zinsen sinken." Trotzdem wagt der Vermögensreport die Prognose, dass die globalen Vermögen bis 2027 um weitere 38% auf 629 Bill. Dollar ansteigen werden, wobei das durchschnittliche Vermögen einer erwachsenen Person in der gleichen Zeit um 30% auf über 110.000 Dollar klettern sollte.

Wachstum? "Keine Ahnung!"

Auf derartige Voraussagen wollte sich der Studienautor Shorrocks in der Medienkonferenz allerdings nicht einlassen. Auf die Frage einer Journalistin zur Qualität der Prognose antwortete der Ökonom in bemerkenswerter akademischer Redlichkeit mit "keine Ahnung".

Die Datenlage habe sich in den vergangenen Jahrzehnten zwar vielerorts stark verbessert, was auch die Qualität des Vermögensreports gesteigert habe. Dennoch verlässt sich der 76-jährige emeritierte Ökonomieprofessor immer noch viel lieber auf seine Statistik als auf wacklige Hochrechnungen, denen eine Vielzahl von Parametern zugrunde liegen.

Zu den Fakten des Berichts gehört der seit gut 20 Jahren anhaltende Rückgang der Ungleichheit in der globalen Vermögensverteilung. Das liegt vor allem am Aufstieg Chinas in den Kreis der reicheren Volkswirtschaften. Die zu erwartende Verlangsamung des chinesischen Vermögenszuwachses könnte allerdings in den nächsten Jahren zu einer erneuten Verschlechterung der globalen Vermögensverteilung führen.

Jetzt ist Indien an der Reihe

Für Ausgleich könnten indessen Länder wie Brasilien, Indien oder auch Indonesien sorgen. Vor allem Indien habe einen immensen Nachholbedarf. Während das Durchschnittsvermögen in China seit der Jahrtausendwende um den Faktor 17 hochschnellte, verdoppelte sich der Bestand auf dem Subkontinent lediglich.

Langfristig in den vordersten Rängen dürften Nationen wie die Schweiz bleiben, wo das Alterssparen schon seit bald 50 Jahren für alle berufstätigen Personen gesetzlich verankert ist. Mit einem Durchschnittsvermögen von 685.230 Dollar pro erwachsene Person war die Schweiz auch im vergangenen Jahr das reichste aller untersuchten Länder – mit großem Abstand vor dem auf dem 16. Platz liegenden Deutschland (256.180 Dollar).

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