"Das ist derzeit noch ein Tabuthema"
– Herr Graband, jüngste Überlegungen, zur Berechnung der Kreditwürdigkeit auch soziale Netzwerke wie Facebook zu durchleuchten, hatten einen Sturm der Entrüstung ausgelöst, woraufhin die Schufa entsprechende Projekte abgesagt hat. Hat man eine potenzielle Ausleuchtung der Privatsphäre via Internet nicht vorher auch im Aufsichtsrat diskutiert?Zum einen ist das operative Geschäft Aufgabe des Vorstands, nicht des Aufsichtsrats. Und zum zweiten sollten mit dem Forschungsauftrag zunächst einmal Basisdaten erhoben werden, um dann Regeln aufstellen zu können, wie man mit diesen Daten umgehen kann, darf und soll. Allenfalls ist die Kommunikation des Projekts etwas missverständlich gelaufen. Aber an dem Grundgedanken, der hinter der damals geplanten Kooperation mit dem Hasso Plattner Institut (HPI) steht, kann ich auch heute nichts Unrechtes finden.- Das wurde in der Öffentlichkeit aber durchaus anders gesehen.Diese Diskussion ist allerdings ambivalent. Denn viele Menschen machen inzwischen sehr persönliche Daten über das Internet und die sozialen Netzwerke öffentlich. Und viele von uns, die etwas über eine Person erfahren oder diese kennen lernen wollen, gehen selbst ins Internet und nutzen solche Daten. Man hört immer wieder, dass auch Firmen sich im Internet Informationen über Bewerber beschaffen. Das ist heutzutage gelebte Praxis, für die es noch keine Regeln gibt. Ich halte deswegen eine gesellschaftliche Diskussion zu diesem Thema für sehr wichtig. Das Ziel sollte dabei ein vernünftiges Regelwerk über den Umgang mit solchen Daten sein. Eine wissenschaftliche Forschungsarbeit kann dazu sehr hilfreiche Vorarbeit leisten.- Es war aber doch nicht Teil des Projektes, bestimmte Regeln herauszufinden bzw. aufzustellen. Die Entrüstung entstand vor allem wegen der befürchteten Kommerzialisierung privater Daten von Internetnutzern.Ich denke, dass die Realität schon sehr viel weiter ist. Niemand wird bestreiten, dass Unternehmen wie Google, Facebook und viele andere die Auswertung von privaten Daten von Internet-Nutzern schon längst kommerzialisiert haben. Und ich bin manchmal erstaunt, wie wenig Aufregung es über diese alltägliche Praxis in der Öffentlichkeit gibt. Wenn die Schufa einen wissenschaftlichen Prüfauftrag vergeben wollte, dann war das Ziel, Transparenz zu schaffen und zu einer öffentlichen Diskussion beizutragen, die dringend nötig ist und auch sachlich geführt werden sollte. In der – zugegeben etwas unglücklichen Kommunikation – ist das leider in der öffentlichen Wahrnehmung untergegangen.- Besteht dafür in absehbarer Zukunft noch eine Chance? Als Auskunftei sucht die Schufa ständig nach Datenquellen und die Welt findet immer mehr im Internet statt. Ist diese Datenquelle tabu?Der Entrüstungssturm hat gezeigt, dass das in unserer Gesellschaft derzeit noch ein Tabuthema ist. Das muss man auch respektieren; wir müssen aber auch anerkennen, dass die Verfügbarkeit von privaten Informationen im Internet, die die Nutzer freiwillig preisgeben, eine neue Entwicklung darstellt, mit deren Konsequenzen wir uns alle auseinandersetzen müssen. Davor darf man nicht die Augen verschließen.- Die Schufa hat aber auch schon zuvor turbulente Zeiten erlebt. Was hat sich daraufhin verändert?Wir hatten drei Maßnahmenbündel erarbeitet, um die Schufa zurück auf einen nachhaltigen Erfolgskurs zu bringen. Das waren die Reduzierung von Standorten sowohl im Inland als auch im Ausland, ein neu aufgestelltes Vorstandsteam unter der Leitung von Dr. Michael Freytag sowie die konsequente Fokussierung auf das Kerngeschäft.- Wie weit sind Sie da inzwischen? Denn das wurde ja bereits vor eineinhalb Jahren im Zusammenhang mit dem Wechsel an der Vorstandsspitze in Angriff genommen.Die Aufgaben sind erledigt. Das Joint Venture im Ausland mit der Creditinfo ist komplett beendet.- Wann genau?Im zweiten Halbjahr 2011.- Ist das verkauft worden? An wen?Größtenteils an den Joint-Venture-Partner, einen isländischen Investor. Das Joint Venture operierte in erster Linie in vielen osteuropäischen Ländern.- Warum ist das Joint Venture so schiefgegangen?Die internationale Kompetenz der Schufa war nicht in ausreichendem Maß vorhanden.- Diese Kompetenz hätte man nicht aufbauen können?Hinzu kam, dass man dort in einer Zeit investiert hatte, als die Märkte sich rückläufig entwickelten. Mit der Konstruktion eines Joint Venture kann in solchen Situationen das eigentliche Ziel, nämlich mehr Potenzial auszuschöpfen, nicht erreicht werden.- Haben Sie sich nun komplett aus den Auslandsmärkten zurückgezogen?In der Form des Joint Venture mit Creditinfo schon. Heute haben wir völlig neue Formen der Kooperationen in verschiedenen Ländern.- In wie weit ist die Strategie im Inland umgesetzt worden?Da sind etwa die Hälfte der 15 Standorte geschlossen worden, was die Effizienz deutlich erhöht und auch Kosten gesenkt hat. Insgesamt ist die Schufa damit wieder klarer ausgerichtet.- Welche entscheidenden Maßnahmen wurden in den vergangenen Monaten noch getroffen?Neben dem Thema Standorte und Ausland wurde als zweite wichtige Maßnahme der Vorstand der Schufa neu aufgestellt. Das ist die Basis für eine Neuausrichtung. Da freue ich mich, dass der Aufsichtsrat ein gutes und hochprofessionelles Team verpflichten konnte, mit Dr. Michael Freytag an der Spitze. Mit der Neuausrichtung und der Fokussierung auf das Kerngeschäft geht einher, dass die Schufa noch stärker als bisher das gesamte Spektrum der Kundenbedürfnisse ins Visier nimmt. Wo kann sie dem Kunden helfen? Wie kann sie Vertrauen schaffen?- Können Sie Beispiele nennen?Das betrifft etwa das Thema Auskünfte bei Mietern. Mit entsprechenden Auskünften über sich können Mieter durchaus schneller eine Wohnung finden, weil die Schufa seine Bonität bezeugt. Die Kundenorientierung zeigt sich dabei in der Internet-Anwendung “meineschufa.de”, mit der Transparenz geschaffen wird und der Verbreitung von unrichtigen Informationen ein Riegel vorgeschoben ist: Jeder Kunde kann einsehen, welche Daten bei der Schufa über ihn vorhanden sind und das dann, sollte etwas nicht ganz korrekt sein, auch berichtigen. Eventuelle Änderungen der Schufa-Daten kann man sich sogar inzwischen per SMS schicken lassen. Bei der Transparenz ist die Schufa damit einen sehr großen Schritt nach vorne gegangen. Auch die Qualität ist deutlich besser geworden- Hat sich der Ausbau des Privatkundengeschäfts auch im Gesamtumsatz der Schufa bemerkbar gemacht?Die Schufa hatte im letzten Jahr das erfolgreichste Jahr ihrer Geschichte. Damit ist die Schufa auf die Überholspur zurückgekehrt und dürfte im laufenden Jahr einen neuen Rekord aufstellen. Im Privatkundenbereich ist die Schufa unangefochten die einzige Auskunftei in Deutschland mit positiven Merkmalen sowohl hinsichtlich der Bonität ihrer Kunden als auch der Schnelligkeit der Auskünfte, da diese für oft schnell zu treffende Kreditentscheidungen dienen.- Welche Auskünfte fragen Privatkunden am meisten nach?Ganz häufig Auskünfte über sich selbst, was Online erfolgen kann, und dann das Thema Miete, wo man selber seine Auskunft mitbringt.- Welche Zukunftspläne verfolgen Sie persönlich bei der Schufa?Da ich Anfang vergangenen Jahres den Vorstandsvorsitz der VR Leasing übernommen habe und die VR Leasing kein Gesellschafter der Schufa ist, stehe ich für eine Wiederwahl nicht mehr zur Verfügung. Das hatten wir schon lange so geplant.- Wie funktioniert die Zusammenarbeit im Aufsichtsrat, wo alle Säulen der Kreditwirtschaft sowie Spezialbanken vertreten sind?Die Zusammenarbeit im Aufsichtsrat mit den Anteilseignern habe ich sehr geschätzt, obwohl wir eigentlich untereinander in einem harten Wettbewerb stehen. Diese Zusammenarbeit habe ich stets als sehr konstruktiv erlebt. Das liegt an zwei zentralen Faktoren: Die Schufa ist für uns alle ein wichtiger Geschäftspartner, der uns Dienstleistungen von hoher Qualität erbringen muss. Das eint uns. Daneben gehört zum Miteinander im Aufsichtsrat eine offene Kommunikationskultur, in der das Wort Kritik kein Fremdwort ist.- Wer ist größter Einzelaktionär der Schufa?Easycredit ist ein großer Gesellschafter mit über 15 %.- Sind die größten Anteilseigner der Schufa auch ihre größten Kunden?Das kann man fast so sagen. Denn letztlich zählen alle Bankengruppen wie Sparkassen, Volksbanken und Raiffeisenbanken, Privatbanken, Spezialbanken und auch der Handel zum Eigentümerkreis.- Welche Parallelen ziehen Sie zwischen der Neuausrichtung der Schufa und der VR Leasing, deren Vorstandsvorsitzender Sie sind?Es gibt durchaus Parallelen: Eine ist, dass wir bei der VR Leasing gemeinsam mit dem Aufsichtsrat ebenfalls gerade ein neues Vorstandsteam geformt haben, das in den nächsten Monaten vollständig an Bord sein wird. Nur eine solche Entscheidung ermöglicht auch einen glaubhaften Neuanfang. Eine weitere Parallele ist das Verhältnis zu den Eigentümern, denn bei beiden Unternehmen sind die Eigentümer auch die wichtigsten Kunden. Schließlich ist die Fokussierung auf Kernkompetenzen und klar abgegrenzte Märkte für beide Unternehmen der Schlüssel für effizientes Wirtschaften und nachhaltigen Erfolg.- Das heißt für VR Leasing Fokussierung nur noch auf das Inland?Die VR Leasing ist zwar immer noch auch an Auslandsstandorten präsent, aber wir konzentrieren uns strategisch aufs Inland.- Kann man die anderen Auslandsaktivitäten verkaufen oder lässt man die Leasingverträge einfach auslaufen?Wenn man das nicht profitable Auslandsgeschäft zurückfahren möchte, dann gibt es mehrere Wege. Wir sind gerade dabei zu prüfen, welcher der wirtschaftlichste sein dürfte.- Anfang des Jahres hieß es, dass durchaus weitere Abschreibungen auf Auslandsaktivitäten, darunter besonders in Ungarn, anfallen könnten. Wie steht es damit?Die aktuelle wirtschaftliche Situation, die von vielen Faktoren bestimmt ist, lässt derzeit keine seriöse Prognosen zu, die über ein halbes Jahr hinausgehen. Deshalb bitte ich um Verständnis, wenn ich mich mit solchen Prognosen zurückhalte. Wir konzentrieren uns deshalb auf unser Kerngeschäft, wo wir auch zukünftig erfolgreich sein können. Das ist aber eine mittelfristige Aufgabe, denn der Umbau ist noch in vollem Gange.- Dazu zählt auch die Trennung von Geschäftsfeldern wie dem Immobiliengeschäft, der Baumanagementgesellschaft VR Bauregie sowie dem Autohandels- und Autoflottengeschäft. Wie weit sind Sie dabei?Wir richten uns ganz klar und konsequent auf das Kerngeschäft aus; wir werden daher im zweiten Halbjahr die angesprochenen Geschäftsfelder entweder verkaufen oder das Neugeschäft einstellen.—-Das Interview führte Karin Böhmert.