Im Interview:Patrick Thomson

"Das ist ein hart umkämpfter Markt, und der Wettbewerb wird härter werden"

Der Wettbewerb im Fondsgeschäft wird nicht nachlassen, das ist Patrick Thomson, dem EMEA-Chef von J.P. Morgan Asset Management klar. Er setzt auf IT-Investitionen, um sich von der Konkurrenz abzusetzen.

"Das ist ein hart umkämpfter Markt, und der Wettbewerb wird härter werden"

IM INTERVIEW: PATRICK THOMSON

„Der Wettbewerb wird härter werden”

Der EMEA-Chef des Vermögensverwalters über Tokenisierung, aktive ETFs und Branchenkonsolidierung

hip London

Der Wettbewerb im Fondsgeschäft wird nicht nachlassen, das ist Patrick Thomson, dem EMEA-Chef von J.P. Morgan Asset Management, klar. Er setzt auf IT-Investitionen, um sich von der Konkurrenz abzusetzen. Das Infrastrukturgeschäft werde weiter wachsen, sagt er.

Herr Thomson, Ihre Wettbewerber investieren stark in IT und Tokenisierung. Wie sieht das bei Ihnen aus?

Unsere Investitionen in Technologie sind eines der wichtigsten Differenzierungsmerkmale, um uns von anderen abzusetzen. Allein im Asset Management arbeiten über 1.400 IT-Experten. Sie helfen uns dabei, unsere Leistungen für unsere Kunden so effizient wie möglich zu gestalten.

Was ist darin enthalten?

Das umfasst alles, von Verbesserungen unserer Art zu investieren, etwa durch die Nutzung von natürlicher Sprachverarbeitung (NLP), künstlicher Intelligenz oder anderen Herangehensweisen an Daten bis hin zur Steigerung der Effizienz unserer Handelssysteme. Mehr als 65% unseres Handels sind algorithmisch basiert und damit äußerst effizient. Wir haben eine Infrastruktur-Plattform namens Spectrum für unsere Investment-Teams entwickelt, eine agile Software, die uns ermöglicht, alle von uns gewonnenen Erkenntnisse und Prozesse zentral und in Echtzeit zu verarbeiten. Damit aber nicht genug: Wir arbeiten auch am Settlement mit den Verwahrern und der schnellstmöglichen Berichterstattung für die Kunden in digitaler Form.

Was bringt Tokenisierung?

Tokenisierung hilft, Prozesse so effizient wie möglich zu machen. Als ich vor 25 Jahren in der Branche angefangen habe, gab es dicke braune Umschläge. Wir warteten auf das Quartalsende und auf die testierten Abschlüsse und packten am Ende alles in den Umschlag und schickten ihn dem Kunden per Post zu. Dort kamen die Informationen dann vielleicht drei Wochen nach Quartalsende an. Einer der Vorteile, Teil einer Bank zu sein, ist, dass wir als Finanzdienstleister in Themen wie Tokenisierung und Distributed Ledger Technology investieren, um zu verstehen, wie diese das Leben der Kunden reibungsloser gestalten können.

Wie drückt sich das aus?

Dies alles ist Teil unseres Gesamtbudgets für Forschung und Entwicklung der Technologiethemen. Für unser gesamtes Haus ist Technologie ein wesentlicher Differenzierungsfaktor. Wir wollen einen Informationsvorsprung erreichen, den wir über die Performance an unsere Kunden weitergeben können.

Wie lange wird es wohl dauern, bis wir Wertpapiere in tokenisierter Form bekommen?

Ohne zum Zeitrahmen für Tokenisierung eine Prognose abgeben zu wollen: Wir wollen sichergehen, dass unsere Systeme und unser Research aus jeder neuen Technologie Vorteile ziehen können, nicht nur aus der Tokenisierung.

Wie machen Sie das?

Wir sehen uns neue Technologien zuerst unter Sicherheitsgesichtspunkten an, weil wir sicherstellen wollen, dass die Kundendaten geschützt sind. Dann fragen wir nach dem Netto-Effizienzgewinn. Lässt sich dadurch ein bisheriger Prozess oder eine Funktion ersetzen? Bekommen wir dadurch zusätzliche Einsichten? Wir überlegen uns dann, wie sich das systematisieren lässt und ob diese neue Funktionalität beispielsweise innerhalb unserer Plattform „Spectrum“ umgesetzt werden kann. Für uns ist die Wertentwicklung unserer Produkte entscheidend. Rund 90% unserer Fonds übertreffen den Median ihrer Vergleichsgruppe. Das deutet darauf hin, dass wir über gute Einblicke und Handelskapazitäten verfügen und damit mehr Ertragsbasispunkte für unsere Kunden ermöglichen, was die Bedeutung von Technologie umso mehr unterstreicht.

Wie lange könnte es denn dauern, bis die Regulierung für tokenisierte Wertpapiere steht?

Das ist schwer zu sagen, weil sich die Regulierung derzeit auf den Schutz der Kunden und Investoren konzentriert. Wenn man sich ansieht, welche Themen die britischen Aufsichtsbehörden angehen, gehört die Bekämpfung von Betrug zu ihren großen Prioritäten. Da geht Sicherheit immer vor Innovation. Und das ist richtig, denn es geht um die Ersparnisse der Menschen. Meine Erwartung wäre, dass viele dieser neuen Technologien sukzessive immer stärker dazu beitragen werden, wie Prozesse effizienter gestaltet werden können.

Patrick ThomsonQuelle: J.P. Morgan Asset Management

Britische Kleinanleger haben im vergangenen Jahr viel Geld aus Fonds abgezogen. Wie kann man sie zurückgewinnen?

Wir haben unser verwaltetes Vermögen im Vereinigten Königreich im vergangenen Jahr sogar steigern können. Auch in Europa gab es Nettozuflüsse. Wir sehen uns also in einer guten Position, und das liegt an unserer Performance. Unsere Kunden wissen die Produkte, aber auch ergänzende Dienstleistungen, die wir ihnen bieten, zu schätzen. Ich bin also optimistisch, was die Chancen angeht, die wir als aktiver Fondsmanager haben, unseren Kunden auch weiterhin Mehrwert zu liefern.

Warum?

Der Wechsel des Zinsregimes sorgt für mehr Volatilität. Das schafft Gelegenheiten für aktive Investoren, Positionen einzugehen. Und einer der Vorteile, die wir haben, sind unsere globalen Fixed-Income- und Aktienteams. Wir können uns die Märkte unabhängig von der Assetklasse ansehen und auf risikobereinigter Basis nach den besten Anlagechancen suchen. Das Risikomanagement ist dabei von entscheidender Bedeutung.

Wie macht sich das bemerkbar?

J.P. Morgan betrachtet die Welt durch eine Risikomanagement-Brille. Wir haben einen sehr guten Ruf in diesem Bereich. Das ist in einer Phase der Volatilität ein klarer Wettbewerbsvorteil. Was unsere Kunden außerdem noch schätzen, ist unsere Fähigkeit, sie durch die unterschiedlichen Marktphasen zu begleiten.

Was ist darunter zu verstehen?

Wir haben ein Programm namens „Market Insights“, das produktneutrale Marktinformationen zur Verfügung stellt. Wir bieten regelmäßig Telefonkonferenzen mit unseren lokalen Marktstrategen und beispielsweise der EMEA-Chefstrategin Karen Ward an, um Kunden darüber zu informieren, was gerade an den Märkten vor sich geht. Sie ist eine geschätzte Volkswirtin, die auch die britische Regierung berät. Das gesamte globale Team bietet Analysen und objektive Einsichten, die die Kunden dabei unterstützen, sich eine gut informierte Meinung zu bilden.

Wie überzeugt man Anleger angesichts der hohen Inflation, dass sie immer noch eine reale Rendite erzielen können?

Wir denken, dass es eine Menge Gelegenheiten dazu gibt. Fixed Income ist als Assetklasse wieder attraktiv. Das war unter dem Nullzinsregime der vergangenen zehn Jahre nicht der Fall. Mit Renditen von weltweit 3%, 4% oder 5% steht unseren Kunden damit eine weitere Assetklasse zur Verfügung. Um das Ziel einer realen Rendite zu erreichen, ist es wichtig, die  Möglichkeiten zur Diversifizierung zu nutzen. Wir sehen immer wieder, dass sich Aktien und Anleihen sehr unterschiedlich verhalten. Mit einem diversifizierten Ansatz kann man aus unserer Sicht eine reale Rendite erzielen, denn unser zentrales Szenario ist, dass die Inflation zurückgehen wird und dies bereits begonnen hat.

Und wenn man das anders sieht?

Eine andere Möglichkeit, die sich in einem inflationären Umfeld anbietet, sind alternative Anlagen wie Real Assets, die vor Inflation schützen können. Infrastruktur ist eine dieser Möglichkeiten und wir verfügen über langjährige Erfahrung als Infrastrukturinvestor. Wer beispielsweise einen Versorger besitzt oder eine Maut-Straße, hat die Möglichkeit, inflationsbedingt steigende Kosten weiterzureichen. Das schützt vor anhaltender Inflation. Zudem leisten sie einen Dienst an der Gesellschaft. Unser Infrastrukturgeschäft ist in den vergangenen Jahren signifikant gewachsen und das sollte auch weiter anhalten.

Was macht Sie da so zuversichtlich?

Investoren in Europa sehen sich zunehmend ELTIFs und bei uns in Großbritannien LTAFs an. Politiker unterstützen die Entwicklung, dass weitere Anlegerkreise die Möglichkeit erhalten, über Aktien und Anleihen hinaus in alternative Anlageklassen zu investieren. Dieser Trend könnte Anlegern zu einer realen Rendite verhelfen und den Politikern dazu, ihren Aufgaben gerecht zu werden.

Im Herbst vergangenen Jahres implodierten die LDI-Strategien (Liability-Driven Investment) britischer Pensionsfonds und Anleihen verhielten sich nicht so, wie sie sollten.

Wir haben keine LDI-Strategien in Großbritannien und gehören deshalb nicht zu den Assetmanagern, die davon betroffen waren. Aus meiner Sicht hat LDI als Strategie für die betriebliche Altersvorsorge lange Zeit sehr gut funktioniert.

Wenn man damit Risikomanagement betreibt, ist das eine ganz unschuldige Sache…

Um noch einmal auf die Macht der Diversifizierung zurückzukommen: Wenn man allein in 30-jährige britische Staatsanleihen, die sogenannten Gilts, investiert und ein unglückliches Ereignis die Volatilität dieser Assetklasse erhöht, hat das eine ganze Reihe von unerwünschten Nebenwirkungen. Die Pensionsfonds in diesem Land haben nun die Chance, weg von singulären Assetklassen diversifiziert zu investieren, um ihre Verbindlichkeit abzusichern.

Wie sollte man das machen?

Wir denken, es ließen sich bessere Ergebnisse erzielen, wenn man weniger Leverage einsetzt und breiter an den Fixed-Income-Märkten investiert, etwa in qualitativ hochwertige US-Anleihen. Das ermöglicht nicht nur eine vorhersehbare Rendite, sondern diversifiziert auch das Risiko. Was im Herbst vergangenen Jahres passiert ist, lag rein an der Kursbewegung von 30-jährigen Gilts an einem Handelstag. In diese sowie langlaufende britische Unternehmensanleihen konzentrieren sich häufig die Anlagen von betrieblichen Altersvorsorgeplänen in Großbritannien. Als globaler Assetmanager können wir auf alle Segmente der qualitativ hochwertigen Anleihen zugreifen, um eine höhere risikobereinigte Rendite zu erzielen. Aus der Risikomanagementperspektive lässt sich das Risiko damit viel effizienter diversifizieren.

Würde es helfen, wenn die Reform von Solvency II endlich käme?

Unsere Sicht auf Solvency II ist, dass dies für Versicherer ganz klar die Chance bietet, die Möglichkeiten der Risikodiversifizierung auf den Prüfstand zu stellen. Wir verwalten viele Assets für Gesellschaften aus der Branche, und auch wenn ich kein Experte in Versicherungsfragen bin, ist mein Verständnis, dass Versicherungsunternehmen ihre Argumente vorgebracht haben und die Regulatoren sich weiterhin damit befassen. Politische Entscheidungsträger sind bestrebt, Großbritannien zu einem möglichst effizienten Kapitalmarkt zu machen, sowohl was Investitionen im Ausland als auch was Investitionen aus dem Ausland angeht. Versicherer spielen in diesem Ökosystem eine äußerst wichtige Rolle.

Wie sind aktive ETFs bei den Kunden in Europa angekommen?

Wir hatten in Europa großen Erfolg mit aktiven ETFs und waren per Ende 2022 mit einem Volumen von rund 10 Mrd. US-Dollar mit unseren Ucits-Fonds die Nummer 1. Wenn man in die Vereinigten Staaten blickt, ist die Nutzung von ETFs außergewöhnlich hoch. Die Branche wird dadurch transformiert. Dort gibt es allerdings eine andere Regulierung, es sind andere Kundenstrukturen und ein anderes Steuersystem. Aber unsere These ist, dass ETFs ein paar Vorteile bieten, die sie für Kunden attraktiv machen.

Worum handelt es sich da?

Sie sind börsennotiert, es gibt fortlaufend aktuelle Preise, ihre Transparenz. Für mich geht es dabei um den Einsatz neuer Technologien, um Anlegerbedürfnisse zu erfüllen. Nicht jeder wird aktive ETFs nutzen. Aber es ist ein Beispiel für Innovationen in der Branche, ein neues Instrument, um die Kundenerfahrung zu verbessern. Unsere Erwartung ist, dass die Zuflüsse in aktive ETFs in Europa weiter wachsen werden.

Wie stark?

Das Wachstum wird sicher nicht ganz so stark sein wie in den USA, wo besagte Steuervorteile eine wichtige Rolle spielen. Unsere Erfahrung ist, dass aktive ETFs die Ergebnisse für die Kunden verbessern können. Wenn das so ist, würde ich erwarten, dass sie mit der Zeit noch stärker angenommen werden. Es ist nicht so, dass wir ETFs besonders pushen wollen. Wir bieten die verschiedenen Lösungen und Bausteine, die Kunden haben wollen; wir wollen ihnen die Auswahlmöglichkeit bieten. In den USA spielt inzwischen die kundenspezifische Anpassung von Accounts, um ganz bestimmten Bedürfnissen Rechnung zu tragen, eine große Rolle, was wiederum dank Technologie ermöglicht wird.

Werden nicht bestehende Produkte dadurch kannibalisiert?

Unsere Erfahrung in den USA zeigt, dass die Zuflüsse sogar gewachsen sind. Die Kunden finden die neuen Möglichkeiten attraktiv und wir haben es uns zur Aufgabe gemacht, ihre Bedürfnisse zu erfüllen.

Die Gebührenstrukturen sind vermutlich auch nicht mehr ganz so weit voneinander entfernt.

Wie sie wissen, ist der Wettbewerb bei den Gebühren generell sehr groß. Für uns ist dabei die Frage, für welchen Gegenwert diese Gebühren stehen. Wenn der Kunde nach Gebühren eine konkurrenzfähige Performance erhält, werden sie das mit Geschäft belohnen. Wir wachsen in Europa, was belegt, dass wir Mehrwert liefern können. Ob ETF oder Investmentfonds: Wir wollen sicherstellen, dass die Produkte wettbewerbsfähig bepreist sind, diese in dem Format verfügbar sind, das die Kunden wünschen, und dass wir zusätzlichen Mehrwert mit unserem Know-how bieten können.

Wird es zu weiteren Übernahmen und Fusionen in der Assetmanagementbranche kommen?

Ich denke, dass es in Großbritannien schon einiges an Konsolidierung gegeben hat. Aus meiner Sicht ist es nicht sehr einfach, mehrere Assetmanager zusammenzuführen, um Skaleneffekte zu erzielen. Ich denke aber, dass sich die Konsolidierung fortsetzen wird. Aus unserer Sicht sind wir als aktiver, risikofokussierter, globaler Manager gut positioniert, um in diesem fragmentierten und herausfordernden Markt weiter Anteile hinzuzugewinnen. Das ist ein hart umkämpfter Markt, und der Wettbewerb wird härter werden. Wenn man keinen klaren Mehrwert bieten kann, wird es umso schwieriger. Wir glauben, dass wir diesen bieten, und sind von daher optimistisch, was unsere Zukunft betrifft.

Sie wollen aber nicht selbst zukaufen?

Wir halten die Augen offen und es werden auch ständig Ideen an uns herangetragen. Aber die Latte, an der sich solche Ideen messen lassen müssen, liegt sehr hoch.

Das Interview führte Andreas Hippin.

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