"Das Kurzfristdenken ist gefährlich"

Chef von Lupus alpha wirbt für neues Risikoverständnis - Verwaltete Vermögen steigen auf 11,7 Mrd. Euro

"Das Kurzfristdenken ist gefährlich"

Die Altersvorsorgeeinrichtungen sollten von ihrem starren Anlagekonzept befreit werden, fordert Ralf Lochmüller. Der Chef der Frankfurter Fondsboutique Lupus alpha befürchtet, dass im Falle eines lang anhaltenden Niedrigzinsniveaus eine bittere Enttäuschung auf die Pensionäre von morgen zukommt.Von Anna Sleegers, FrankfurtWenn es deutschen Versorgungswerken und Pensionskassen nicht ermöglicht wird, ihr Risikomanagement umzustellen, droht vielen künftigen Pensionären mittelfristig eine bittere Enttäuschung. Diese Auffassung vertritt Ralf Lochmüller, Mitgründer und Vorstandssprecher der Frankfurter Fondsboutique Lupus alpha. Im Gespräch mit der Börsen-Zeitung sagt er: “Natürlich wird keiner den Anfang machen wollen, aber wenn sich nichts ändert und die Zinsen so bleiben, wie sie sind, werden einige Versorgungswerke und Pensionskassen eingestehen müssen, dass sie ihre Renditeversprechen nicht halten können.”Der in den hiesigen Systemen übliche Verpflichtungszins von 3 % bis 3,2 % sei im gegenwärtigen Zinsniveau extrem hoch. “Die magischen 4 % sind grundsätzlich machbar, aber dafür muss man die Altersvorsorgeeinrichtungen von ihrem starren Anlagekonzept befreien”, so Lochmüller weiter. Pensionskassen, Versorgungswerke und Versicherungen investierten gezwungenermaßen nach wie vor viel zu viel in festverzinsliche Wertpapiere.Neben zum Teil festen Obergrenzen für Aktien, die vor Kursschwankungen schützen sollen, ist aus Lochmüllers Sicht das stichtagsbezogene Risikomanagement das Hauptproblem der Anbieter von betrieblicher Altersvorsorge. So werde der sich eigentlich über 30 Jahre erstreckende Anlagehorizont zwecks Messbarkeit immer auf ein Jahr heruntergebrochen – und dann auch noch zum 31.12. optimiert.”Dadurch führen zwischenzeitliche Rückschläge immer wieder dazu, dass in Krisen Exposure abgebaut werden muss”, sagt er. Das gesetzlich vorgeschriebene Kurzfristdenken gefährde die betriebliche Altersvorsorge, weil Anlegern von Pensionsgeldern damit ein wichtiger Joker aus der Hand genommen werde: “Dieser könnte darin bestehen, sich bei der Kapitalanlage an der Langfristigkeit dieser Auszahlungspläne zu orientieren und kurzfristige Schwankungen einfach auszusitzen.”Beispiele, dass es auch anders geht, gibt es – allerdings meist im Ausland, wo die Anlagekultur eine andere ist. Lochmüller verweist etwa auf den Ontario Teachers` Pension Plan, eine kanadische Versorgungskasse für Lehrer, die es seit der Gründung im Jahr 1990 auf eine annualisierte Rendite von 9,5 % bringt. Zwar könnten die für den Pensionsplan tätigen Portfoliomanager ihre Anlageentscheidungen weitgehend ohne Restriktionen treffen. Von Laissez-faire könne aber keineswegs die Rede sein. Das Portfoliomanagement stehe durchaus unter Druck: “Weil der Pensionsplan so viele Menschen absichert, ist der öffentliche Aufschrei groß, wenn die Ergebnisse mal nicht ganz so gut ausfallen.”Diese Sorge haben die Pensionsanleger hierzulande, die 70 % der von Lupus alpha verwalteten Kundengelder stellen, in der Regel nicht. So lange sie nicht in Schieflage geraten, erfahren ihre Ergebnisse in der Regel wenig öffentliche Resonanz. Das hängt auch damit zusammen, dass sich die meisten Arbeitnehmer in Deutschland weitgehend auf die gesetzliche Altersvorsorge verlassen.Woran es den Pensionskassen und Versorgungswerken hierzulande oft fehle, sind Lochmüller zufolge flexible Anlagerichtlinien seitens der Aufsichtsbehörden, um die Allokation an die neuen Rahmenbedingungen anzupassen: “Der Handlungsrahmen vieler Anleger von Pensionsgeldern ist extrem limitiert.” Dahinter stünden zum Teil aufsichtsrechtliche Vorgaben wie die Anlageverordnung, die für Versicherungen und Pensionskassen und auch für viele Versorgungswerke gilt. “Auch wenn sie alle Quoten ausschöpfen und die Öffnungsklausel nutzen, die ihnen eine Erhöhung ihrer Aktienquote um nochmals 5 % erlaubt, sind sie noch meilenweit entfernt von den Freiheiten ausländischer Pensionsfonds.”Pensionspläne von Dax-Konzernen haben mehr Handlungsspielraum. Einzelne von ihnen kämen auch mal auf Aktienquoten von bis zu 28 %, was Lochmüller für sich genommen jedoch auch noch für unzureichend hält. “70 % und mehr in Risiko-Assets wie Aktien, Alternatives und High Yield sind der Schlüssel für auskömmliche Renditen”, sagt er.Hinter der extremen Übergewichtung von festverzinslichen Anlageprodukten steht nach Einschätzung Lochmüllers ein altes Risikoverständnis aus einer Welt, in der 5 bis 6 % Zinsen für risikoarme Anlagen normal waren. “Eine Renaissance dieser Zeiten, die mehr als ein Jahrzehnt zurückliegen, ist nicht in Sicht”, ergänzt er.Die Wahrscheinlichkeit, dass in der Eurozone japanische Verhältnisse eintreten, beziffert Lochmüller auf 30 bis 40 %. “Wenn das so kommt und es keine größere Flexibilität bei der Anlage von Vorsorgegeldern gibt, dann bekommen wir in den nächsten zehn bis 15 Jahren ein Problem, das dann auch ins öffentliche Bewusstsein kommen wird”, warnt er. Die Anleger von Pensionsgeldern stünden jetzt schon vor der Frage, wie sie vernünftig reinvestieren sollen.”Die höher rentierlichen Anleihen in den Anlagetöpfen, die das Ganze in den vergangenen Jahren ein bisschen abgefedert haben, laufen nun nach und nach aus”, so der Anlageexperte. Zur Lösung dieser Art von Problemen tritt Lupus alpha nicht als Komplettanbieter an, sondern als “Zulieferer für Spezialthemen”, wie Lochmüller betont. In diesem Segment strebe die Fondsboutique langfristig die Marktführerschaft an. Dafür sei ein konsequent aktiver Ansatz notwendig: “Anders können wir das Alpha gar nicht erreichen, das wir uns vornehmen.”Um zu wachsen, hat Lupus alpha die Zielgruppe erweitert. Das Angebot richtet sich nun nicht mehr nur an die rund 1000 institutionellen Anleger in Deutschland, sondern auch an Vermögensverwalter. Auf diesen sogenannten Wholesale-Vertrieb entfielen per Ende Juli bereits 1,9 Mrd. Euro der insgesamt verwalteten Kundenvermögen von 11,7 Mrd. Euro.