DIE COMMERZBANK BAUT UM

Das Management zückt den Rotstift

Bis 2023 will die Commerzbank netto 2300 Vollzeitstellen abbauen und jede fünfte Filiale schließen

Das Management zückt den Rotstift

Die Commerzbank plant im Zuge ihrer strategischen Neuausrichtung einschneidende Veränderungen: Die polnische Tochter MBank wird versilbert und der Online-Broker Comdirect auf das Mutterhaus verschmolzen. Das mittelfristige Renditeziel schraubt der Konzern auf “mehr als 4 %” zurück.Von Bernd Neubacher, FrankfurtDie Commerzbank will die Mehrheit an ihrer polnischen Tochter MBank abstoßen und die Online-Broker-Tochter Comdirect aufs Mutterhaus verschmelzen. Zudem plant das Institut, jede fünfte Filiale zu schließen sowie netto rund 2 300 Vollzeitstellen abzubauen. Dies kündigte die Bank am Freitag “mit Blick auf aktuelle Medienberichterstattung” an, nachdem das “Handelsblatt” den geplanten Verkauf der MBank gemeldet hatte. Die Vorschläge des Vorstands sollen in der kommenden Woche mit dem Aufsichtsrat erörtert werden. Stellenabbau und Filialschließungen hatten sich in den vergangenen Wochen abgezeichnet. Der Verkauf der MBank sowie die Verschmelzung der Comdirect kommen indes unerwartet.”Die Weiterentwicklung der Strategie soll dazu beitragen, dass die Bank bis 2023 auch in einem sich nochmals verschärfenden Marktumfeld weiteres Wachstum bei Kunden und Assets sowie steigende Erträge erzielt”, wird mitgeteilt. Für die Umsetzung des Programms plant der Konzern einen Aufwand von insgesamt rund 1,6 Mrd. Euro ein. 750 Mill. Euro sind dabei für Investitionen in Digitalisierung, IT-Infrastruktur und Wachstum vorgesehen. Mit 850 Mill. Euro schlagen Restrukturierungskosten für den Stellenabbau und die Umschichtungen im Filialgeschäft zu Buche. Trotz der Schließung von 200 Filialen will die Commerzbank flächendeckend in Deutschland präsent bleiben. Dem Abbau von 4 300 Vollzeitstellen werden in der Mitteilung der Aufbau von 2 000 Stellen “in strategischen Bereichen” gegenübergestellt. Ende Juni zählte der Konzern 43 412 Mitarbeiter. Die Kosten sollen sinkenDer Umbau dürfte bis zum Jahr 2023 erfolgen, bis dahin ist auch die neue Strategie ausgelegt. 2023 peilt die Bank eine Reduktion ihrer Kosten gegenüber dem laufenden Jahr um rund 600 Mill. Euro an, wie mitgeteilt wird. Nach Veräußerung der MBank werde dies im Jahr 2023 zu einer Kostenbasis von höchstens 5,5 Mrd. Euro führen. 2019 strebt die Bank den Angaben zufolge eine Kostenbasis von 6,8 Mrd. Euro an. Im vergangenen Jahr verbuchte sie einen Verwaltungsaufwand von 6,459 Mrd. sowie 420 Mill. an Pflichtbeiträgen.An Eigenkapitalrendite schreibt sich das Management auf mittlere Sicht “mehr als 4 %” auf die Fahnen. Damit schraubt der Vorstand das Ziel deutlich zurück. Im Herbst 2016, nach Amtsantritt von Konzernchef Martin Zielke, hatte die Bank in der Strategie “Commerzbank 4.0” für 2020 noch eine materielle Eigenkapitalverzinsung von mindestens 6 % ausgerufen – im Februar dieses Jahres hatte er diese Vorgabe kassiert. 2020 werde die Eigenkapitalverzinsung irgendwo zwischen 5 % und 6 % liegen, hieß es damals. 2018 kam die Bank auf 3,4 %; im ersten Halbjahr 2019 waren es 3,1 %. An ihrer Zielkapitalquote von 12 % bis 13 % hält das Institut jedoch fest: “Zusammen mit der angestrebten Eigenkapitalrendite soll dies der Bank die Zahlung regelmäßiger Dividenden ermöglichen”, heißt es.Finanzieren soll den Umbau die Veräußerung der Mehrheit an der MBank. An der Börse in Warschau bringt die Tochter einen Wert von umgerechnet 3,1 Mrd. Euro auf die Waage. Bei einem Streubesitz von 30,5 % entspricht der Anteil der Commerzbank damit einem Wert von 2,2 Mrd. Euro. “Damit würde die Bank die Finanzmittel generieren, die eine schnellere Umsetzung der Strategie und die damit verbundenen Investitionen ermöglichen”, teilt die Bank mit. Die Veräußerung, der die Aufsicht zustimmen müsste, würde zudem die Risikoaktiva der Commerzbank von zuletzt 187 Mrd. Euro um gut 9 % oder rund 17 Mrd. Euro reduzieren und entsprechendes Eigenkapital freisetzen. Ende Juni hatte die Commerzbank der MBank Risikoaktiva von 19,3 Mrd. Euro zugeordnet.Die polnische Tochter gilt im Konzern als Vorzeigeobjekt, das, unbelastet von IT-Altbestand, in Sachen Digitalisierung schon dort ist, wo die Commerzbank auch im deutschen Geschäft gerne hinwill. Zuletzt hatte gleichwohl die polnische Bankensteuer Finanzvorstand Stephan Engels verstimmt. Der Verkauf ist ein radikaler Kurswechsel: Noch vor gut einem Jahr trug sich das Management mit dem Gedanken, die MBank als Basis für eine europaweite Expansion im Online-Banking zu nutzen. Letztlich wurde dieses Vorhaben aber beerdigt. Es hätte zu lange gedauert, bis die Bank damit ihre Kosten eingespielt hätte, hieß es zur Begründung aus dem Vorstand. Anderen Quellen zufolge hatte Aktionär Cerberus das Vorhaben vereitelt. In Aufsichtsratskreisen war damals zu hören, damit habe das Institut eine große Chance vertan. Der Commerzbank könnte jedoch entgegenkommen, dass die operativ eigenständige MBank relativ unkompliziert aus dem Konzern herauszulösen sein dürfte.Während sich das Management von der MBank trennen will, soll der Online-Broker Comdirect auf den Konzern verschmolzen werden. Die Commerzbank hält bereits 82 % an der Quickborner Tochter. Durch die Digitalisierung glichen sich die Geschäftsmodelle der Commerzbank und der Comdirect immer stärker an, heißt es zur Begründung. Vor diesem Hintergrund erwäge die Bank ein Kaufangebot an die außenstehenden Comdirect-Aktionäre mit einer Prämie von voraussichtlich 25 % auf den unbeeinflussten Aktienkurs. Für den Markt scheint die Transaktion schon jetzt ausgemacht. Früherer Umbau belastet Für das Privatkundengeschäft ruft die Bank derweil einen Ausbau des Mobil-Kanals aus. Im Segment Firmenkunden solle “der Vertrieb insbesondere auch in der Mittelstandsbank gestärkt werden”. Im Geschäft mit deutschen Firmenkunden kämpft die Bank mit Ertragsproblemen, im ersten Halbjahr nahm sie 7 % weniger ein als vor Jahresfrist. Beobachter sehen darin auch die Spätfolgen früherer Umbauarbeiten und einer nur mäßig geglückten Integration des Investment Banking in die vorherige Mittelstandsbank im Zuge der 2016 entworfenen Strategie “Commerzbank 4.0”.