IM INTERVIEW: LARS HILLE

"Das Potenzial ist riesengroß"

DZ Bank-Vorstand über die DZ Privatbank, skeptische Volks- und Raiffeisenbanken und die Notwendigkeit von Positionslimiten im Agrarterminhandel

"Das Potenzial ist riesengroß"

Im vergangenen Jahr hat die DZ Bank ihre Private-BankingAktivitäten in der DZ Privatbank gebündelt. Wie es dem Institut geht in einem zusehends raueren Wettbewerbsklima, wie sich die Einführung eines Beraterregisters auf das Retailgeschäft auswirken dürfte und wie der Terminhandel mit Agrarprodukten zu regulieren ist, erklärt DZ Bank-Vorstandsmitglied Lars Hille im Interview der Börsen-Zeitung.- Herr Hille, freuen Sie sich auf den 1. November?Warum?- Weil ab dann die Meldepflicht für das Bankberaterregister gilt.Das Thema ist mittlerweile einigermaßen verdaut. Jetzt müssen die Banken – und auch ihre Kunden – erst einmal Erfahrungen sammeln, wie sich die Regelung in der Praxis bewährt. Nach vorn geblickt, ist es wichtiger, dass jetzt nicht weiter draufgesattelt wird.- Mit welchen Folgen für die Beratungspraxis rechnen Sie?Es geht weniger um das Beraterregister als solches, sondern insgesamt um Klarheit, was den regulatorischen Rahmen der Beratung angeht. Für die Berater ist es wichtig zu wissen, wie sie beraten können, und für die genossenschaftliche Finanzgruppe ist es wichtig, in unserer dezentralen Organisation die neuen regulatorischen Vorgaben unter Federführung des BVR in standardisierte Beratungsprozesse umzusetzen, von der Arbeitsanweisung bis hin zur IT-Unterstützung, damit der Berater weiß: Wenn er mit diesem Prozess arbeitet, ist er auf der sicheren Seite, was Prüfung und Regulierung angeht.- Tangiert dieses Thema auch die DZ Privatbank?Ja, auch dort werden die Berater registriert.- Erwarten Sie, dass die neue Regulierung Berater hemmt?Verunsicherung ist schon seit mindestens ein bis zwei Jahren zu verspüren, bei den Beratern wie auch bei ihren Kunden. Das gilt insbesondere im breiten Privatkundengeschäft. Dies ist auf die Märkte zurückzuführen, auf das im Zuge der Finanzkrise veränderte Kundenverhalten, aber eben auch auf die ganze regulatorische Diskussion.- Das wirkt sich doch bestimmt auch betriebswirtschaftlich aus?Im Moment merken wir natürlich, dass wir im Wertpapiergeschäft für Privatkunden entsprechend weniger Geschäft verzeichnen. So ist beispielsweise der Absatz an strukturierten Produkten im ersten Halbjahr insgesamt um rund 25 % zurückgegangen. Aber da dürften wir im Wettbewerbsvergleich noch gut aussehen. Unverändert gilt: Unsere Qualitätsstrategie zahlt sich auch in diesem Umfeld aus. Mit unseren Garantiezertifikaten, die den Kern unseres Angebots ausmachen, haben wir in einem insgesamt rückläufigen Markt unseren Marktanteil gegenüber dem Vorjahr von 46 % auf 52 % ausgedehnt. Auch bei den Börsenumsätzen konnten wir mit unseren Produkten deutlich auf einen Marktanteil von knapp 7 % zulegen.- Welcher Anteil an dem rückläufigen Absatz ist dabei denn auf den Markt und welcher auf Regulierung zurückzuführen?Der größere Anteil geht mit Blick auf das breite Privatkundengeschäft sicherlich auf die Regulierung zurück. Deshalb ist es ja wichtig, die Maßnahmen nun umzusetzen und dann – auf hoffentlich gesicherter Basis – nach vorn zu schauen.- Die Zurückhaltung der Kunden müsste doch auch die DZ Privatbank belasten.Dort, also im gehobenen Privatkundengeschäft, treiben mehr die Marktbedingungen und die Auswirkungen der Euro-Krise die Zurückhaltung. Nach meiner Einschätzung gehen die vermögenden Privatkunden jetzt mehr in Richtung Liquidität. Sie entscheiden sich in diesem Umfeld für sicherheitsorientierte Anlagen und stellen den Erhalt des Vermögens an oberste Stelle.- Wie entwickelt sich in diesem Umfeld denn die Nettomarge der DZ Privatbank?Grundsätzlich können auch wir uns bei der Nettomarge dem Marktdruck nicht entziehen. Aber wir sind mit den erzielten Ergebnissen durchaus zufrieden.- Kann man sie beziffern?Eine mit Wettbewerbern sinnvoll vergleichbare Zahl kann ich Ihnen nicht nennen, denn unser Geschäft basiert auf der subsidiären Zusammenarbeit mit den Volks- und Raiffeisenbanken. Und je enger und intensiver die Verbindung ist, desto mehr Provisionen fließen an die Bank vor Ort.- Sie sind im vergangenen Jahr mit 14,4 Mrd. Euro an verwalteten Mitteln gestartet. Wie ist das Jahr bisher gelaufen, was den Nettomittelzufluss angeht?Wir haben im vergangenen Jahr mit der DZ Privatbank eine Art fliegenden Start hingelegt, indem wir unsere zuvor insbesondere in Luxemburg offshore angesiedelten Aktivitäten auch nach Deutschland gebracht haben. Seither haben wir hier Mitarbeiter und sieben Standorte zur Unterstützung der Volks- und Raiffeisenbanken aufgebaut. Zum Nettomittelzufluss und zum Volumen der verwalteten Mittel machen wir unterjährig keine Angaben. Wir haben jedoch aus dieser Startphase im vergangenen Jahr über 1 Mrd. Euro Brutto-Neugeschäft generiert. Das war ganz ordentlich, und wir haben im ersten Halbjahr 2012 trotz des bei den Anlegern vorherrschenden Attentismus diese Zahl bereits eingestellt.- – Was steckt denn alles in diesem Volumen drin? Im Markt hört man ja tolle Sachen darüber, was in der Branche zuweilen unter Private-Banking-Mitteln subsumiert wird: Lombard-Kredite, Tagesgeld, verwahrte Assets und so weiter.Assets under Management sind bei uns alle Konten- und Depotbestände.- Ist der Markt in Deutschland eigentlich groß genug, um all den Anbietern, die neben der DZ Privatbank in den vergangenen Jahren hierzulande angetreten sind, ein Auskommen zu bieten?Der deutsche Markt für das gehobene Privatkundengeschäft ist groß und traditionell begehrt. Es gibt daher auch immer wieder Anbieter, insbesondere aus dem Ausland, die versuchen, sich einen Anteil an diesem Kundensegment zu sichern. Insofern ist es ein Verdrängungswettbewerb, aber zugleich hat sich dadurch, dass manch klassischer Anbieter aus dem Ausland das eine oder andere Thema hatte, auch etwas Luft ergeben.- Weil die schweizerischen Großbanken ihre Präsenz vermindert haben?Wir konnten in diesem Markt bis zur Finanzkrise eine Vorwärtsbewegung vieler Anbieter beobachten. Da wurden dann auch an Standorten Niederlassungen gegründet, wo man einen Private-Banking-Anbieter nicht vermutet. Das hat sich verlangsamt, wenn es nicht sogar wieder zurückgebaut worden ist.- – Und auch für die DZ Privatbank ist der Markt groß genug?Wir haben einen Startvorteil, denn die Genossenschaftsbanken sind ja schon überall. Die sieben Standorte der DZ Privatbank sind nach unserem subsidiären Selbstverständnis nur die verlängerte Werkbank für sie. Insofern haben wir nicht das Problem, uns erst einmal überall neu aufstellen zu müssen. Das Potenzial ist riesengroß, gerade aus genossenschaftlicher Sicht. Wir haben zum Beispiel als genossenschaftliche Finanzgruppe viele Kunden, die ihr Geld bisher eben noch nicht bei uns im Private Banking haben. Nach unseren Hochrechnungen gibt es insgesamt 200 Mrd. Euro private Anlagemittel von Kunden der genossenschaftlichen Finanzgruppe, die nicht von den Genossenschaftsbanken verwaltet werden. Wenn wir es vor diesem Hintergrund schaffen, das verwaltete Volumen in den kommenden fünf bis sechs Jahren zu verdoppeln, dann sind wir auf einem guten Weg.- Wie weit sind Sie denn mit dem Aufbau der DZ Privatbank?Unsere sieben Standorte in Düsseldorf, Frankfurt, Hamburg, Hannover, Nürnberg, München und Stuttgart sind eröffnet. Wir sind aber noch im Mitarbeiteraufbau. Wir stellen weiter selektiv ein. Bundesweit haben wir inzwischen etwa 50 Berater eingestellt. In den kommenden zwei bis drei Jahren wollen wir weitere Berater gewinnen, um mit dem Geschäft zu wachsen.- Kommen weitere Standorte hinzu?Nein. Jetzt geht es darum, mit den Volks-und Raiffeisenbanken ins Potenzial zu wachsen.- Gibt es denn noch widerspenstige Banken, die gar nichts mit der DZ Privatbank zu tun haben wollen?Ich würde eher sagen: Es gibt skeptische Banken. Dabei geht es um die Frage unserer Leistungsfähigkeit und Subsidiarität. Diese müssen wir überzeugen – und das gelingt uns auch zunehmend. Es geht auch darum, gemeinsam mit den Banken das Geschäft zu entwickeln.- Zertifikate sind ja ein Standbein der Ertragsstruktur der DZ Bank. Seit dem Kollaps von Lehman Brothers haben diese Produkte aber ein Imageproblem. Nun hat die Commerzbank damit begonnen, auch Exchange Traded Notes auszugeben, um sich ein weiteres Standbein zu schaffen für den Fall eines Verbots von Zertifikaten. Auch in Ihrem Haus hat es Diskussionen gegeben darüber, passive Produkte wie ETF herauszugeben. Mit welchem Ergebnis?Wir sehen angesichts des nachhaltigen Erfolges unseres Zertifikateangebotes dazu keinen Anlass. Der Kundenbedarf ist unverändert gegeben – und die Kunden wissen nach Lehman auch um die Bedeutung einer guten Emittentenbonität, die für uns ein ganz wichtiges Verkaufsargument ist.- In der Diskussion stehen neben Zertifikaten derzeit auch Agrarprodukte als Anlagevehikel, welche die DZ Bank im Gegensatz etwa zur Commerzbank oder zu den Sparkassen weiterhin anbietet. Wird das von der breiten Masse Ihrer Kunden akzeptiert, oder müssen Sie dies stärker begründen?Wir beobachten die öffentliche Diskussion sehr genau. Wenn man bei diesen Themen über den Einfluss der Finanzmärkte spricht, dann liegen die Probleme vielleicht nicht vorrangig in der Frage der Absicherung etwa der Weizenernte eines einzelnen Landwirtes durch Derivate, sondern sie bestehen viel eher in den großen Blasen, die global über die außerbörslichen Märkte entstehen können. Und da muss man ansetzen.- Inwiefern?Indem man nicht nur durch eine zentrale Clearing-Pflicht Transparenz und Sicherheit schafft, sondern auch durch Positionslimite an den Terminbörsen dem Markt Grenzen setzt.- Das wäre Aufgabe der Aufsichtsbehörden. Denn die Terminbörsen werden doch kaum freiwillig ihren Erlösstrom reduzieren.Ja, das muss entsprechend reguliert werden. Dabei würden die Börseninstitutionen von einer strikteren Regulierung auch profitieren, weil ihnen infolge einer Pflicht zum Clearing über einen zentralen Kontrahenten vermehrt außerbörsliches Geschäft zugeführt würde.- Sehen Sie noch Chancen für Aktienerstemissionen 2012, oder würden Sie sagen: abhaken?Nachdem die größeren Emissionen, die eine entsprechende Marktdynamik für weitere Kandidaten schaffen könnten, abgesagt worden sind oder zumindest abwarten, sehe ich keine größeren Chancen, dass in diesem Jahr nochmals ein positiveres Momentum entsteht.—-Das Interview führten Claus Döring, Bernd Neubacher, Armin Schmitz und Bernd Wittkowski.