Der Absturz des Markus Braun
Von Stefan Kroneck, MünchenMarkus Braun galt einst als Hoffnungsträger, mit seinem Unternehmen die Branche der Banken aufzurollen. Schließlich konnte der gewiefte promovierte Wirtschaftsinformatiker vor 21 Jahren Wirecard als Start-up im Finanzsektor (Fintech) etablieren, welches sich einem Geschäftsmodell widmet, das die herkömmlichen Geldhäuser im Zeitalter der Digitalisierung verschlafen haben. Mit elektronischer Zahlungsabwicklung lässt sich viel Geld verdienen, wenn man es richtig beherrscht. Wenig Empathie für die BörseNur leider verfügt der technikaffine gebürtige Wiener über wenig Verständnis für die Gesetzmäßigkeiten des Kapitalmarktes, die Kommunikation mit Investoren und die Bilanzierung. Das ist schlichtweg nicht seine Welt. Das bewies er unter anderem wiederholt auf Kapitalmarktkonferenzen vor institutionellen Investoren. Trotz guter Zahlen und eines positiven mittelfristigen Ausblicks konnte Braun mit seiner etwas steifen Art wenig begeistern. Die Aktie sackte jedes Mal nach solchen Veranstaltungen ab.Diese Ignoranz – andere könnten das als Überheblichkeit deuten – wurde dem Vorstandsvorsitzenden und dem bis Dienstag noch größten Einzelaktionär (7,1%) des im Frühherbst 2018 in den Dax aufgestiegenen Unternehmens zum Verhängnis.Vier Tage nach seinem Rücktritt ist der ehemalige Konzernchef des nunmehr in einen umfangreichen Bilanzskandal verwickelten Zahlungsabwicklers auf Veranlassung der Staatsanwaltschaft München festgenommen worden. Er habe sich selbst den Strafermittlern gestellt, sagte sein Anwalt laut Reuters. Das zuständige Gericht entschied sich aber dagegen, ihn in eine längere Untersuchungshaft zu stecken. Kaution von 5 Mill. EuroDen Haftbefehl gegen Braun setzte die eingeschaltete Ermittlungsrichterin in der bayerischen Landeshauptstadt gegen eine Auflage, insbesondere die Zahlung einer Kaution von 5 Mill. Euro, außer Vollzug. Der Beschuldigte muss sich jede Woche bei der Polizei melden. Die Untersuchungen der Strafermittler gegen den 51-Jährigen könnten in eine Anklage münden. Braun droht ein Prozess vor einer Strafkammer des Landgerichts München.Die Staatsanwaltschaft wirft ihm vor, vorsätzlich falsche Angaben über die Bilanz und über die Lage des Unternehmens gemacht zu haben, um die Wahrheit zu verschleiern. Er habe damit dazu beigetragen, Anleger zu täuschen und den Kapitalmarkt zu manipulieren. Die Untersuchungen basieren auf einer Strafanzeige der Finanzaufsicht BaFin nach drei erklärungsbedürftigen Ad-hoc-Meldungen im Zusammenhang mit der Sonderprüfung durch KPMG. Die Anzeige richtet sich auch gegen CFO Alexander von Knoop, Produktvorstand Susanne Steidl und den früheren Vorstand fürs operative Geschäft, Jan Marsalek. Wie Braun gehört Letzterer nicht mehr dem Topmanagement von Wirecard an. Aufsichtsratschef Thomas Eichelmann feuerte den 40-jährigen Österreicher am Montag und bestellte dieser Tage zugleich den Amerikaner James Freis als Übergangschef, um Wirecard zu stabilisieren.Die Investoren reagierten auf die Nachricht wohlwollend. Die Aktie von Wirecard beendete vorerst ihren Kurssturz der zurückliegenden drei Handelstage. Das Papier sprang in der Spitze um 30,5 %, gab im weiteren Tagesverlauf einen Teil der Kursgewinne wieder ab und beendete den Xetra-Handel bei 17,16 Euro (+18,8 %).Die jüngste Entwicklung ist ein Beleg für den Absturz nicht nur des Unternehmens selbst, sondern auch des Gründers und langjährigen CEO. Der tiefe Fall von Wirecard ist für den einstigen Visionär des Konzerns auch ein finanzielles Desaster. Sein Vermögen ist deutlich geschrumpft. Auf Wirecard rollt eine Welle von Schadenersatzklagen zu. Der Aufsichtsrat wird ihn dafür sicherlich in Regress nehmen.