GastbeitragBrokerage

Der EU-Bann gegen Payment for Orderflow ist der falsche Weg

Der europäische Aktienmarkt weist gegenüber den US-Börsen ohnehin schon einen Liquiditätsnachteil auf. Der EU-Bann gegen Rückvergütungen für Broker verschärft dieses Problem nur und verfehlt sein eigentliches Ziel.

Der EU-Bann gegen Payment for Orderflow ist der falsche Weg

Gastbeitrag

EU-Bann gegen Payment for Orderflow ist der falsche Weg

Sylvain Thieullent

CEO des Handelssoftware-Anbieters Horizon

Es gibt harte empirische Beweise dafür, dass in einer Geschwindigkeit Liquidität aus dem europäischen Aktienmarkt abfließt, die selbst die schnellste Qualifying-Runde von Formel-1-Weltmeister Max Verstappen in den Schatten stellt. Laut der Association for Financial Markets in Europe belief sich die gesamte Marktkapitalisierung in der EU Ende des vergangenen Jahres auf mickrige 10,4 Bill. Euro, also auf weniger als ein Drittel des Vergleichswertes für den US-Aktienmarkt. Angesichts der offensichtlichen Liquiditätsnachteile in Europa stellt sich die Frage, warum das Europäische Parlament in seiner grenzenlosen finanziellen Weisheit einen "generellen Bann" gegen die Praxis des Payment for Orderflow (PFOF) ausgesprochen hat.

Schlüsselrolle für Liquidität

Im Rahmen von PFOF senden Broker ihre Orders an Marketmaker und erhalten im Gegenzug pauschale Vergütungen. Wenn man den Mitgliedern des Europäischen Parlaments Glauben schenkt, ist der Prozess mit Interessenskonflikten durchsetzt und schadet dem Wettbewerb im Markt. Diese Kritik trifft mit den Marketmakern ausgerechnet diejenigen Marktteilnehmer, die eine Schlüsselrolle bei der Rückführung von Liquidität nach Europa spielen. Dass der Endinvestor im Rahmen des PFOF grundlegend übervorteilt wird, ist ein häufiges Missverständnis. PFOF ist keine neue Praxis, sondern seit rund drei Jahrzehnten im Gebrauch. In dieser Zeit haben die Ordervergütungen mehr Innovation und Wettbewerb im Markt angetreten als viele andere Dienstleistungskomponenten.

Innerhalb des europäischen Aktienmarkts haben die Marketmaker Hunderte Broker-Dealer- und Wealth-Management-Kunden, die Retail-Orders an sie weiterleiten. Die meisten dieser Firmen erhalten dafür noch nicht einmal eine Rückvergütung. Das Problem im Mittelpunkt der Argumentation für einen Bann gegen Payment for Orderflow ist, dass die Regulatoren die Vergütungspraxis mit negativen Seiten des Retail-Trading-Booms zusammenwerfen, was aber wenig Sinn ergibt. Denn gerade das rapide Wachstum der Praxis im Retail-Trading ermöglicht es Investoren, die Vorteile einer sofortigen Orderausführung und einen praktisch gebührenfreien Handel von Aktien Hunderter börsennotierter EU-Unternehmen zu genießen. Es ließe sich sogar sagen, dass diese Anleger es noch nie so gut hatten. 

Was die wettbewerbsfeindliche Natur von PFOF betrifft, so ist das Argument einfach nicht zutreffend. Institutionelle Marktteilnehmer ermutigen den Wettbewerb in der Handelsausführung aktiv. Broker-Dealern steht es frei, ihre Orders an traditionelle Börsen oder in alternative Lösungen wie Dark Pools – also bank- oder börseninterne Plattformen abseits des offenen Wertpapierhandels – zu leiten, wenn sie einen großen Trade ausführen wollen. Der resultierende umkämpfte Wettbewerb bedeutet in der Realität auch, dass Finanzinstitutionen den Großteil ihrer Ordervolumen automatisch abwickeln und große Orders bei Bedarf dennoch gesondert und vorsichtig behandeln müssen.

Preisliche Verbesserung

Es besteht keine Pflicht, diese Orders an die Marketmaker zu routen – diese stellen ganz einfach einen sofortigen Preis, der gegenüber dem nationalen Bid-Offer-Spread eine Verbesserung bedeutet. Kein vernünftiger Marketmaker würde versuchen, alle Orders einzuheimsen. Denn dafür müssten sie Handelsplätzen mehrere 100 Mill. Euro an Liquidität zu verbesserten Preiskonditionen zuführen bzw. sie ihren Klienten zur Verfügung stellen.

Wenn an den nationalen Börsen innerhalb der Europäischen Union aber dringend benötigte Liquidität im Handel mit den zahlreichen gelisteten Titeln fehlt, dann stellen die Marketmaker genau diese zur Verfügung – und zwar zu den bestmöglichen Bid- und Ask-Kursen. Wenn ein Anleger beispielsweise eine Order über 1.000 völlig unbekannte EU-Aktien stellt und an der Euronext nur 200 dieser Aktien verfügbar sind, dann ist es die Aufgabe des Marketmakers, die volle Zahl an Papieren zur Verfügung zu stellen.

Nach dem generellen Bann gegen Payment for Orderflow muss sich das Europäische Parlament fragen, wer diese Liquidität nun bereitstellen soll. Der Aktienumsatz von EU-Titeln hat sich zwischen 2016 und dem vergangenen Jahr komplett flach entwickelt, während der Wert für die USA im gleichen Zeitraum um 40% gestiegen ist. Eine Regel, um die Transparenz rund um PFOF zu erhöhen, wäre der viel pragmatischere Ansatz gewesen, um Anleger besser zu stellen und zugleich die Liquidität im internationalen Vergleich zu wahren.

Jeden Tag treten Marketmaker in den Wettbewerb darum, wer Kunden die bestmöglichen Dienstleistungen bieten kann. An manchen Tagen setzen sich bestimmte Dienstleister durch und manche verlieren, an anderen Tagen werden die Rollen wieder neu verteilt. Wer nun die Gewinner eines Banns gegen eine Trading-Praxis sein sollen, die so oft missverstanden wird, ist schwer nachzuvollziehen. Dies gilt jetzt besonders, da positive Maßnahmen gebraucht werden, um die Wettbewerbsfähigkeit und Attraktivität des europäischen Kapitalmarkts zu stärken.